Es war eine jener elektrisierenden New Yorker Nächte, ein Match mit Samstagabendfieber im größten Tennisstadion der Welt. Und auch wenn die große Show mit großer Verspätung begann, mit fast drei Stunden Verzug sogar, herrschte ausgelassene und euphorische Stimmung rund um die Zentralfigur der Nacht - um Roger Federer. Zwei US-Open-Spiele lang sah er nur wie eine leicht blasse Kopie seiner selbst aus, der 36-jährige Tennis-Genius, doch in seinem Drittrundenduell mit dem Spanier Feliciano Lopez war er in gewohnter Pracht, Stärke und Herrlichkeit auf dem Centre Court unterwegs. 6:3, 6:3 und 7:5 siegte Federer vor 24.000 begeisterten Fans, und er siegte auch gegen manche eigene und viele öffentliche Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit und Durchschlagskraft.
"Meine Sorgen sind mehr oder weniger verflogen"
"Es war genau das Spiel, was ich brauchte. Ich fühle mich jetzt viel besser, gehe gestärkt in den Rest des Turniers." Für Federer setzt sich nun die Serie von Matches gegen Kollegen fort, gegen die er noch nie in seiner Karriere verloren hat - nach Youzhny (17:0) und Lopez (13:0) folgt nun der Vergleich mit dem Deutschen Philipp Kohlschreiber, in dem der Schweizer bisher mit 11:0-Siegen führt. "Ich weiß, was mich gegen ihn erwartet. Wir kennen uns bestens. Aber er ist in guter Form, ich muss genau aufpassen", sagte Federer.
Erst um kurz vor zehn Uhr abends am Samstag hatte das Match gegen Linkshänder Lopez begonnen, da sich die Tagessession im Arthur-Ashe-Stadion wegen zweier überlanger Frauenmatches bis in den frühen Abend hinzog. Dann mussten alle Fans mit einem Tagesticket aus der Arena heraus, und alle mit Abendkarten hinein. Doch Federer ließ sich von alledem nicht stören, im Gegenteil: Kaum war die Partie im Gange, war auch schon zu sehen, dass ein ganz anderer Federer auf dem Platz stand. Mit zupackender Attitüde, schneller auf den Beinen, selbstsicherer in seinem ganzen Auftritt. Kurzum: Jener Federer, der in diesem erstaunlichen Tennisjahr 2017 für so viel Angst und Schrecken unter seinen Rivalen gesorgt hatte. Jener Federer, der schon zwei Grand-Slam-Titel gewonnen und drei weitere Pokale eingestrichen hatte. "Meine Sorgen sind mehr oder weniger verflogen", sagte Federer hinterher, "das ganze Paket stimmte wieder. Der Körper ist okay, und ich kann mich ganz auf mein Spiel konzentrieren. Ich vertraue meinen Bewegungen wieder."
Erinnerungen an Melbourne
Federer beherrschte die beiden Auftaktsätze beinahe nach Belieben, und auch wenn er im dritten Satz vorübergehend einen Breakvorsprung bei 3:1-Führung verspielte, geriet er nie in ernsthafte Gefahr. Später erinnerte er an den Grand-Slam-Verlauf zu Beginn des Jahres, bei der wunderlichen Australian-Open-Mission, bei seinem Traumcomeback nach knapp sechsmonatiger Verletzungspause. "Da waren die ersten Matches auch kompliziert, ich musste enorm kämpfen, um im Turnier drin zu bleiben", so Federer, "und dann lief es wunderbar. Aber niemand redet da heute noch drüber." Dass er sich ein ähnliches Szenario nun auch in New York nur zu gerne vorstellen würde - keine Frage. Doch der Weg dahin ist noch lang, mit harten Herausforderungen gepflastert.
Im schwersten Fall könnten nach einem Sieg über Kohlschreiber der Argentinier Juan Martin del Potro und Matador Rafael Nadal warten, es wäre dann der tatsächlich erste Schlagabtausch mit dem Spanier überhaupt im Big Apple, nach all den Jahren der großen Rivalität. Aber Federer weiß, dass er sich trotz Formsteigerung und verbesserter Physis auf das Naheliegende konzentrieren muss, er war noch nie jemand, der sich an den beliebten Was-wäre-wenn-Spekulationen beteiligt hat. "Gegen Kohlschreiber wird es hart genug", sagt er, "Siege kriegt keiner geschenkt. Schon gar nicht in New York." Am Ende der Grand-Slam-Saison.