Von Jens Huiber aus New York City
Echte Freundschaften, das hat zuletzt Dominic Thiem in Kitzbühel angemerkt, echte Freundschaften schließt man im Tenniszirkus kaum. Seit sich Dennis Novak immer öfter für die Hauptfelder von Grand-Slam-Turnieren qualifiziert, hat Thiem in Melbourne, London und jetzt in New York aber immerhin jemanden im Tableau, mit dem er auch privat viel anzufangen weiß. Gemeinsame Urlaube etwa, inklusive Friseurbesuche mit interessantem Ausgang.
Denis Shapovalov und Félix Auger-Aliassime könnten dereinst auch einmal gemeinsam ausspannen. Im Moment sind die beiden Kanadier aber damit beschäftigt, die ATP-Weltrangliste von hinten aufzurollen. Der 19-jährige Shapovalov ist dabei seinem um ein Jahr jüngeren Kumpel ein paar Schritte voraus. Der Linkshänder hat es bereits bis auf Rang 28 der Charts geschafft, Félix schaut noch von außen auf die Top 100. Und hat sich über die Qualifikation in das letzte Major des Jahres 2018 spielen müssen.
Auger-Aliassime legt vor, Shapovalov zieht nach
Dass das Los die beiden Youngster in Runde eins der US Open zusammengespült hat, kann nicht im Sinne von Shapovalov und Auger-Aliassime gewesen sein. Andererseits: für die Veranstalter war das Duell der Ahornblätter attraktiv genug, um es auf dem Grandstand anzusetzen, nicht vor 17 Uhr Ortszeit, eine vorgezogene Night Session also.
Félix legte gut los, führte in Durchgang eins mit 5:2, gab danach fünf Spiele ab. Denis konnte im zweiten Akt zunächst nicht ausservieren, Auger-Aliassime vergab vier Chancen zum Satzausgleich, mit der fünften hatte Shapovalov schon abgeschlossen. Das Hawkeye kommandierte den Älteren der beiden zurück auf den Court, Auger-Aliassime machte dennoch das 7:5 klar.
Gemeinsam im Davis Cup gegen die Niederlande?
So gut sich Shapovalov und "FAA" außerhalb des Platzes verstehen, so unterschiedlich sind ihre Spiel-Philosophien: Denis attackiert mit seiner Vorhand permanent, geht seinen Bällen gerne nach. Félix arbeitet eher solide von der Grundlinie, die beidhändige Rückhand ist solider als die einhändige Variante von Shapovalov.
Die Partie hatte gerade so richtig Schwung aufgenommen, da war sie ganz plötzlich vorbei: Félix Auger-Aliassime musste nach zwei Spielen im dritten Satz den Physiotherapeuten auf den Court bitten, wenige Minuten später file er seinem Kumpel weinend in die Arme. Aufgabe bei 4:1 für Shapovalov.
Für den in Israel geborenen Shapovalov steht bei den US Open deutlich mehr auf dem Spiel als für Auger-Aliassime: Sechs Matches hat Shapovalov 2017 im National Tennis Center gewonnen, jeweils drei in der Qualifikation und im Hauptfeld. Endstation war vor Jahresfrist erst bei Pablo Carreno Busta, alles in allem war das Spektakel damals 205 ATP-Punkte wert.
Wenigstens aus diesem Grund wird Félix mit der Aufgabe gegen Denis einigermaßen gut leben können - so die Verletzung nicht zu gravierend ist. Man muss auch gönnen können, gerade seinem Kumpel. Zumal Denis Shapovalov und Félix Auger-Aliassime schon bald für eine gemeinsame Sache kämpfen könnten: im kanadischen Davis-Cup-Team gegen die Niederlande.