07.11.2008 um 11:52 Uhr
Nur ein Kommentar...
In seinem Blog hat Oliver Fritsch ein Gespräch mit DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger veröffentlicht, in dem dieser erklärt, warum er mit juristischen Mitteln gegen den Journalisten Jens Weinreich vorgeht, der ihn in einem Kommentar auf Fritschs Blog als "unglaublichen Demagogen" bezeichnet hatte.
Zwanziger ist in bislang zweiter Instanz abgewiesen worden. Stefan Niggemeier freut sich in seinem Blog über die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Doch genau das ist für mich eben nicht der Punkt. Erfreulich an dieser absurden Auseinandersetzung ist ja ganz etwas Anderes.
Die Vorgeschichte in Kurzform: Der Sportjournalist Jens Weinreich, Mitbegründer des Netzwerkes kritischer Sportjournalisten und ehemaliger Sportchef der Berliner Zeitung, kritisiert im Blog von Oliver Fritsch, direkter-freistoss.de, Zwanzigers Aussagen vom DOSB-Kongress im Juli und bezeichnet ihn dabei als "unglaublichen Demagogen". Daraufhin erhält er eine Unterlassungserklärung, die er jedoch nicht unterschreibt. Die Sache landet vor Gericht, die bisherigen zwei Instanzen wiesen Zwanziger zurück. Weinreichs Aussage sei durch Artikel 5 als zulässige Meinungsäußerung geschützt, zudem gut begründet und ohne schmähenden Charakter. In seinem Blog begrüßt Fritsch das Urteil (ebenso wie Niggemeier) als Entscheidung für die Meinungsfreiheit, woraufhin er von Zwanziger zum Gespräch gebeten wird. Der gesamte Sachverhalt lässt sich im Blog von Jens Weinreich nachlesen. Das Gespräch mit Zwanziger hat Fritsch nun in seinem Blog veröffentlicht (und auch gleich noch für Die Zeit zweitverwertet).
In diesem Interview erklärt Zwanziger, dass er mitnichten ein "Prozesshansel" sei, in diesem Fall jedoch habe einschreiten müssen, da er sich in seiner persönlichen Ehre verletzt fühlte: "Beim Stichwort Demagoge denke ich an Goebbels." Der Duden definiere dieses Wort als "Volksverhetzung" und das "ist laut §130 des Strafgesetzbuches eine strafbare Handlung, die mit Freiheitsstraße bedroht ist. Und nun will ich von den Gerichten geprüft wissen: Darf man mich als Volksverhetzer bezeichnen?"
Weinreichs Anwalt verweist hingegen auf die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung, die einen Demagogen als eine Person bezeichnet, "der es gelingt, über verbale Angriffe Teile oder die Masse der Bevölkerung zu beeinflussen." Fritsch ist der Auffassung, "Demagoge" sei kein unüblicher Begriff, der auch oft in der Politik verwendet würde und sich auch als "Schmeichler der Masse" übersetzen ließe. Was Zwanziger entschieden verneint. Er geht von einer Diffamierung aus: Auch wenn Weinreich das Wort "Volksverhetzer" nicht explizit gesagt habe, so habe er diese Deutung doch billigend in Kauf genommen. Zwanziger: "Ich werde dem Gericht die Frage stellen, ob Demagogie Volksverhetzung meint. Wenn nicht, dann irrt der Duden. (...) Wenn der Duden unrecht hat, könnte ich auch damit leben."
Mal völlig dahingestellt, ob man als ranghoher Funktionär wegen eines solchen Kommentars solch eine Reaktion zeigen muss; geschenkt auch, welche Definition nun die gültige ist; und auch das Loblied auf die Meinungsfreiheit mal komplett außen vorgelassen: So absurd und unnötig solch ein Streit um Begrifflichkeiten ist, so bemerkenswert finde ich zwei ganz andere Aspekte: 1.) Dass Blogs und Kommentare tatsächlich bis auf die oberste DFB-Ebene durchdringen. Das ist beachtlich. Und spricht für Zwanziger und den DFB. Es gibt borniertere Leute. Und 2.) Dass Zwanziger Weinreich als Urheber des Kommentars und nicht Fritsch als Betreiber des Blogs verklagt hat. Das wäre nämlich möglich gewesen. Auch das: höchst beachtlich.
Denn genau das ist ja der große Unsinn hier. Die Borniertheit so vieler Dinosaurier sowie die juristische Unsitte stets gegen die Blogbetreiber statt die wirklichen Urheber vorzugehen. Drum finde ich Zwanzigers Verhalten sehr bemerkenswert - und auch erfreulich. Natürlich nicht in der Sache. Da hätte ein wenig mehr Gelassenheit sicher nicht geschadet.
Zwanziger ist in bislang zweiter Instanz abgewiesen worden. Stefan Niggemeier freut sich in seinem Blog über die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Doch genau das ist für mich eben nicht der Punkt. Erfreulich an dieser absurden Auseinandersetzung ist ja ganz etwas Anderes.
Die Vorgeschichte in Kurzform: Der Sportjournalist Jens Weinreich, Mitbegründer des Netzwerkes kritischer Sportjournalisten und ehemaliger Sportchef der Berliner Zeitung, kritisiert im Blog von Oliver Fritsch, direkter-freistoss.de, Zwanzigers Aussagen vom DOSB-Kongress im Juli und bezeichnet ihn dabei als "unglaublichen Demagogen". Daraufhin erhält er eine Unterlassungserklärung, die er jedoch nicht unterschreibt. Die Sache landet vor Gericht, die bisherigen zwei Instanzen wiesen Zwanziger zurück. Weinreichs Aussage sei durch Artikel 5 als zulässige Meinungsäußerung geschützt, zudem gut begründet und ohne schmähenden Charakter. In seinem Blog begrüßt Fritsch das Urteil (ebenso wie Niggemeier) als Entscheidung für die Meinungsfreiheit, woraufhin er von Zwanziger zum Gespräch gebeten wird. Der gesamte Sachverhalt lässt sich im Blog von Jens Weinreich nachlesen. Das Gespräch mit Zwanziger hat Fritsch nun in seinem Blog veröffentlicht (und auch gleich noch für Die Zeit zweitverwertet).
In diesem Interview erklärt Zwanziger, dass er mitnichten ein "Prozesshansel" sei, in diesem Fall jedoch habe einschreiten müssen, da er sich in seiner persönlichen Ehre verletzt fühlte: "Beim Stichwort Demagoge denke ich an Goebbels." Der Duden definiere dieses Wort als "Volksverhetzung" und das "ist laut §130 des Strafgesetzbuches eine strafbare Handlung, die mit Freiheitsstraße bedroht ist. Und nun will ich von den Gerichten geprüft wissen: Darf man mich als Volksverhetzer bezeichnen?"
Weinreichs Anwalt verweist hingegen auf die Definition der Bundeszentrale für politische Bildung, die einen Demagogen als eine Person bezeichnet, "der es gelingt, über verbale Angriffe Teile oder die Masse der Bevölkerung zu beeinflussen." Fritsch ist der Auffassung, "Demagoge" sei kein unüblicher Begriff, der auch oft in der Politik verwendet würde und sich auch als "Schmeichler der Masse" übersetzen ließe. Was Zwanziger entschieden verneint. Er geht von einer Diffamierung aus: Auch wenn Weinreich das Wort "Volksverhetzer" nicht explizit gesagt habe, so habe er diese Deutung doch billigend in Kauf genommen. Zwanziger: "Ich werde dem Gericht die Frage stellen, ob Demagogie Volksverhetzung meint. Wenn nicht, dann irrt der Duden. (...) Wenn der Duden unrecht hat, könnte ich auch damit leben."
Mal völlig dahingestellt, ob man als ranghoher Funktionär wegen eines solchen Kommentars solch eine Reaktion zeigen muss; geschenkt auch, welche Definition nun die gültige ist; und auch das Loblied auf die Meinungsfreiheit mal komplett außen vorgelassen: So absurd und unnötig solch ein Streit um Begrifflichkeiten ist, so bemerkenswert finde ich zwei ganz andere Aspekte: 1.) Dass Blogs und Kommentare tatsächlich bis auf die oberste DFB-Ebene durchdringen. Das ist beachtlich. Und spricht für Zwanziger und den DFB. Es gibt borniertere Leute. Und 2.) Dass Zwanziger Weinreich als Urheber des Kommentars und nicht Fritsch als Betreiber des Blogs verklagt hat. Das wäre nämlich möglich gewesen. Auch das: höchst beachtlich.
Denn genau das ist ja der große Unsinn hier. Die Borniertheit so vieler Dinosaurier sowie die juristische Unsitte stets gegen die Blogbetreiber statt die wirklichen Urheber vorzugehen. Drum finde ich Zwanzigers Verhalten sehr bemerkenswert - und auch erfreulich. Natürlich nicht in der Sache. Da hätte ein wenig mehr Gelassenheit sicher nicht geschadet.
Aufrufe: 6233 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 5 | Erstellt:07.11.2008
ø 7.6
KOMMENTARE
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07.11.2008 | 19:16 Uhr
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Voegi :
Sehr interessanter Beitrag, Oliver! Mir gefällt besonders, dass du den Fokus auf zwei Aspekte legst, die ansonsten eher untergehen würden. Dazu ist alles gesagt.Zum eigentlichen Thema:
Ich halte die Aussage von Weinreich, Zwanziger sei ein "unglaublicher Demagoge" für absurd. Zwanziger Wahrnehmungsfähigkeit mag in manchen Punkten ein wenig gestört sein, seine Forderungen mögen undifferenziert und parteiisch ausfallen, seine Analysen mögen am Kern vorbeigehen. Mag sein. Aber wieso ist man deshalb ein Demagoge, also ein Aufwickler, ein Hetzer, ein Populist? Für mich ist das Blödsinn! Zwanziger ist in meinen Augen alles in allem ein hervorragender Präsident, dessen Führungsstil sich wohltuend vom patriarchischen Gehabe eines MV absetzt.
Dass er aber unbedingt meint, sich gegen so einen Angriff juristisch zur Wehr setzen zu müssen, ist hingegen albern.
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07.11.2008 | 23:29 Uhr
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trash :
Ich musste "Demagoge" erstmal googlen. Wer noch?Warum muss da eigentlich der DFB mitmachen? Ist doch mehr eine private Angelegenheit. Aber natürlich geschickt gemacht, da die Geschichte eh scheitern wird und der DFB auf den Kosten sitzen bleibt.
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08.11.2008 | 12:43 Uhr
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Red_7 :
Also googlen musste ich es nicht. Aber auch nur weil ich vor zwei Monaten eine Auseinandersetzung über die Definition von "Demagoge" hatte
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27.11.2008 | 10:57 Uhr
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Red_7 :
Laut Hamburger Abendblatt erhebt Theo Zwanziger Klage gegen Jens Weinreich.Edit: Nachdem die zwei einstweiligen Verfügungen gescheitert sind, strebt Theo Zwanziger trotz anders lautender Aussagen in der Presse ein Hauptsacheverfahren an.
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27.11.2008 | 11:17 Uhr
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Josh9 :
Sehr guter Blog.Ich dachte erst jetzt kommt das übliche DFB=Mafia.
Ich persönlich finde es auch sehr bedenklich, was für ein Verständnis für Meinungsfreiheit manche Journalisten haben.
Die Berufen sich ständig auf die Meinungsfreiheit, die für sie gleichbedeutend ist mit Narrenfreiheit.
Nur weil jemand das Bosman-Urteil als Schuld allen übels herauskramt, das übrigends schon sehr viele getan haben, kann man ihn bestimmt nicht als Demagogen bezeichnen.
Ein Begriff mit dem ich persönlich auch meine Probleme habe, denn ich assoziizere ihn als erstes mit A...., oder eben Goebbels.
Mit solchen Begriffen sollte man als "Journalist" doch sehr vorsichtig umgehen, denn es verharmlost eher die Verbrecher die durch Hetze, Lüge und Massenbeeinflussung, ihre politischen Ziele durchsetzen wollten,
als dass damit ein DFB-Präsident beleidigt, oder gar
kritisiert werden soll.
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27.11.2008 | 12:00 Uhr
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oliver : ...
@josh: sicherlich richtig. andererseits: wird das wort von ganz schön vielen leuten verwendet. weinreich hat das mal hübsch aufgelistet. http://jensweinreich.de/?p=1589
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27.11.2008 | 15:00 Uhr
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Red_7 : Josh9
Also Meinungsfreiheit glaube ich eher weniger. Wenn Journalisten sich äußern und da gegen geklagt wird, dann sehen sie eher die Freiheit der Presse in Gefahr.
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28.02.2009 | 12:33 Uhr
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indykiste : " ich bin kein Prozesshansel"
mittlerweile sind drei gerichliche Handlungsstränge aufgelaufen, dem Journalisten wird schön langsam der Atem abgedrückt- leider interessiert diese Seite des DFB(-präsidenten) nicht die Mainstream-Fußballmehrheit. wer mehr darüber Wissen möcht, dem empfehle ich den Besuch hier: http://jensweinreich.de/?page_id=1780
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28.02.2009 | 12:33 Uhr
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indykiste : " ich bin kein Prozesshansel"
mittlerweile sind drei gerichliche Handlungsstränge aufgelaufen, dem Journalisten wird schön langsam der Atem abgedrückt- leider interessiert diese Seite des DFB(-präsidenten) nicht die Mainstream-Fußballmehrheit. wer mehr darüber Wissen möcht, dem empfehle ich den Besuch hier: http://jensweinreich.de/?page_id=1780
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Wenn ich mir jetzt im Kopf mal abrufe, das die letzten drei ZAPP Sendungen als Hauptthema hatten, dass Prominenz (Von Gregor Gysi, über die Osmanis bis hin zu zahlreichen Ex-Stasispitzeln) es teilweise verbieten lässt, wenn man über bereits bekannte Themen berichtet.
Dazu kommt, das die Betreffenden meistens auch noch zu Einschlägigen Gerichtsstandorten laufen, weil dort die Urteile etwas einseitiger sind als anderswo.
Dazu kommt natürlich, das die Deutsche Legislative eigentlich mit dem Versuch gescheitert ist, Verstöße im Internet in bereits bestehende Artikel einzufassen. Dadurch haben wir ja erst die grundsätzliche Anschlusshaftung beim Internetzugang, sowie den Blödsinn sich erstmal per se von eventuellen Links zu distanzieren.