29.01.2008 um 21:36 Uhr
Von Philosophen und Dynastien
Mag sein, dass manch einer an dieser Stelle von mir eine Super Bowl-Vorschau erwartet. Ich fürchte nur, viel mehr als „New England ist Favorit, aber die Giants haben eine Chance" würde mir da kaum einfallen. Und das wusstet ihr ja auch schon ohne mich.
Ich möchte lieber etwas zum Thema Patriots schreiben. Sollte New England den Super Bowl gewinnen, dann sind die Gazetten garantiert voll von Hymnen auf die „beste Mannschaft aller Zeiten." Und klar, 19 Spiele in einer Saison gewonnen, keine Niederlage auf dem Konto, das kann niemand sonst vorweisen. Mit Begriffen wie der oder die „beste aller Zeiten" wäre ich trotzdem vorsichtig, schließlich kann ich mich nicht an alle Zeiten erinnern (zum Glück übrigens) und noch nicht mal an sämtliche 85 Jahre NFL. Dazu kommt: Vergleiche von heute mit früher hinken zwangsläufig, weil die Rahmenbedingungen sich so stark verändert haben.
Ich wäre aber bereit einzugestehen, dass die Patriots schon verdammt gut sind und dass es eine solche Ansammlung von Offensivstars noch nicht oft gegeben haben kann. Dass sie in dieser Zeit, wo die NFL durch Instrumente wie eine Gehaltsobergrenze die Liga so ausgeglichen wie möglich machen will, schon seit der Saison 2000 ganz oben mitspielen, das ist wirklich extrem beeindruckend. Mit Fug und Recht können sie sich bei den großen NFL Dynastien einreihen und noch nicht mal ganz hinten. Da ist zum Beispiel das Dallas-Team aus den 90er Jahren dabei, das in 4 Jahren drei Super Bowls gewann. Keine Frage, die Patriots haben (noch) mehr vorzuweisen.
Was ich allerdings wirklich faszinierend finde und was ich mit meiner beschränkten Erfahrung noch bei keiner anderen Mannschaft erlebt habe, ist Folgendes: die Patriots haben mitten in ihrer Dynastie-Ära eine 180 Grad-Wende vollzogen, von einer konservativen Angriffsphilosophie gepaart mit innovativer Verteidigung hin zu einer der besten Angriffsreihen aller Zeiten, unterstützt durch eine gute, aber keineswegs unverwundbare Verteidigung.
Nun sind solche Philosophiewechsel in der NFL gang und gäbe, allerdings gehen sie normalerweise mit einem Trainerwechsel einher. Und davon waren die Patriots weit entfernt. Um das Ganze mal zu illustrieren: Die eben schon erwähnten Cowboys aus den 90ern standen offensiv für ein starkes Laufspiel und einen konservativen, aber effektiven Passangriff. Daran änderte sich in den Jahren ihrer Dominanz nichts. Die vorherige Dynastie, das waren die 49ers aus San Francisco, die mit ihrer West Coast-Offense und einem (für damalige Verhältnisse) passbetonten Angriffssystem fünf Titel in 14 Jahren holten, übrigens mit zwei unterschiedlichen Trainern (wie auch die Cowboys).
Davor gab es die Steelers in den 70ern und die Packers in den 60ern. Auch für die galt: klar definierbare Philosophie, jeweils mit dem gleichen Trainer. Oder anders gesagt: was Bill Belichick mit den Patriots gemacht hat, das gehört sich nicht in der NFL.
Denken wir zurück an den ersten Super Bowl der Patriots. Damals war Tom Brady ein Nachwuchsspieler, dem die Trainer nicht richtig vertrauten. Deshalb durfte er im Finale auch erst bei der letzten Angriffsserie ein paar Pässe in Serie werfen. Belichicks Rezept lautete: konservative Offense, mit der starken Verteidigung gewinnen, so wie man es von einem Cheftrainer, der vorher Verteidigungen trainiert hatte, erwarten durfte.
Doch mit gesteigertem Vertrauen in Brady und der unaufhaltsamen Alterung diverser Abwehrasse tat Belichick etwas, das sonst keiner tut. Nämlich seine einmal erfolgreiche Philosopie dranzugeben und seinen Angriffsspielern und –trainer zu vertrauen. Genau deshalb hat die Patriots das sonst zwangsläufige Ende ihrer Dynastie noch nicht erwischt. Weil der Trainer mit der Zeit geht (möglicherweise gegen seine eigenen Instinkte) und immer ein Ohr am Puls der Zeit hat.
Dass er nebenbei auch noch ein Auge für Talent hat, schadete ihm sicher auch nicht. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Egal, ob seine Mannschaft am Sonntag gewinnt oder verliert.
Bis bald,
Andreas
Ich möchte lieber etwas zum Thema Patriots schreiben. Sollte New England den Super Bowl gewinnen, dann sind die Gazetten garantiert voll von Hymnen auf die „beste Mannschaft aller Zeiten." Und klar, 19 Spiele in einer Saison gewonnen, keine Niederlage auf dem Konto, das kann niemand sonst vorweisen. Mit Begriffen wie der oder die „beste aller Zeiten" wäre ich trotzdem vorsichtig, schließlich kann ich mich nicht an alle Zeiten erinnern (zum Glück übrigens) und noch nicht mal an sämtliche 85 Jahre NFL. Dazu kommt: Vergleiche von heute mit früher hinken zwangsläufig, weil die Rahmenbedingungen sich so stark verändert haben.
Ich wäre aber bereit einzugestehen, dass die Patriots schon verdammt gut sind und dass es eine solche Ansammlung von Offensivstars noch nicht oft gegeben haben kann. Dass sie in dieser Zeit, wo die NFL durch Instrumente wie eine Gehaltsobergrenze die Liga so ausgeglichen wie möglich machen will, schon seit der Saison 2000 ganz oben mitspielen, das ist wirklich extrem beeindruckend. Mit Fug und Recht können sie sich bei den großen NFL Dynastien einreihen und noch nicht mal ganz hinten. Da ist zum Beispiel das Dallas-Team aus den 90er Jahren dabei, das in 4 Jahren drei Super Bowls gewann. Keine Frage, die Patriots haben (noch) mehr vorzuweisen.
Was ich allerdings wirklich faszinierend finde und was ich mit meiner beschränkten Erfahrung noch bei keiner anderen Mannschaft erlebt habe, ist Folgendes: die Patriots haben mitten in ihrer Dynastie-Ära eine 180 Grad-Wende vollzogen, von einer konservativen Angriffsphilosophie gepaart mit innovativer Verteidigung hin zu einer der besten Angriffsreihen aller Zeiten, unterstützt durch eine gute, aber keineswegs unverwundbare Verteidigung.
Nun sind solche Philosophiewechsel in der NFL gang und gäbe, allerdings gehen sie normalerweise mit einem Trainerwechsel einher. Und davon waren die Patriots weit entfernt. Um das Ganze mal zu illustrieren: Die eben schon erwähnten Cowboys aus den 90ern standen offensiv für ein starkes Laufspiel und einen konservativen, aber effektiven Passangriff. Daran änderte sich in den Jahren ihrer Dominanz nichts. Die vorherige Dynastie, das waren die 49ers aus San Francisco, die mit ihrer West Coast-Offense und einem (für damalige Verhältnisse) passbetonten Angriffssystem fünf Titel in 14 Jahren holten, übrigens mit zwei unterschiedlichen Trainern (wie auch die Cowboys).
Davor gab es die Steelers in den 70ern und die Packers in den 60ern. Auch für die galt: klar definierbare Philosophie, jeweils mit dem gleichen Trainer. Oder anders gesagt: was Bill Belichick mit den Patriots gemacht hat, das gehört sich nicht in der NFL.
Denken wir zurück an den ersten Super Bowl der Patriots. Damals war Tom Brady ein Nachwuchsspieler, dem die Trainer nicht richtig vertrauten. Deshalb durfte er im Finale auch erst bei der letzten Angriffsserie ein paar Pässe in Serie werfen. Belichicks Rezept lautete: konservative Offense, mit der starken Verteidigung gewinnen, so wie man es von einem Cheftrainer, der vorher Verteidigungen trainiert hatte, erwarten durfte.
Doch mit gesteigertem Vertrauen in Brady und der unaufhaltsamen Alterung diverser Abwehrasse tat Belichick etwas, das sonst keiner tut. Nämlich seine einmal erfolgreiche Philosopie dranzugeben und seinen Angriffsspielern und –trainer zu vertrauen. Genau deshalb hat die Patriots das sonst zwangsläufige Ende ihrer Dynastie noch nicht erwischt. Weil der Trainer mit der Zeit geht (möglicherweise gegen seine eigenen Instinkte) und immer ein Ohr am Puls der Zeit hat.
Dass er nebenbei auch noch ein Auge für Talent hat, schadete ihm sicher auch nicht. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Egal, ob seine Mannschaft am Sonntag gewinnt oder verliert.
Bis bald,
Andreas
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