"Alles oder Nichts"
Ein wahrer Jugendtraum
Erinnert sich noch jemand an die ARD-Quizshow "Alles oder Nichts" mit Max Schautzer? Vermutlich nur noch die sprichwörtlichen "Älteren unter uns", denn die Sendung, die seinerzeit einmal pro Monat live im Abendprogramm ausgestrahlt wurde und eine Dreiviertelstunde dauerte, wurde 1988 eingestellt. Pro Ausgabe traten zwei Kandidaten zu einem Spezialthema zunächst gegeneinander an; wer sich durchsetzte, kam anschließend an eine Art Roulettetisch und wurde unter Schautzers Moderation von einem Prominenten befragt. Dabei gab es für den Kandidaten nach jeder richtig beantworteten Frage zwei Möglichkeiten: Er konnte entweder aufhören und den jeweiligen Gewinnbetrag einstreichen - oder ihn verdoppeln lassen und einsetzen, mit dem Risiko, alles zu verlieren, falls die nächste Frage falsch beantwortet wird (daher der Name des Formats). So ähnlich ist es heute bei Jauchs "Wer wird Millionär?", allerdings endete Max Schautzers Quiz seinerzeit bei maximal 10.000 Mark.
Vor ziemlich genau 30 Jahren hatte ich das große Vergnügen, Kandidat bei "Alles oder Nichts" sein zu dürfen. Ich war damals gerade vierzehn geworden, und das Spezialthema lautete: "20 Jahre Fußball-Bundesliga". Um sich für die Show zu qualifizieren, musste man zunächst an einer telefonischen Vorprüfung teilnehmen; die besten zehn wurden dann zum Bayerischen Rundfunk eingeladen und dort einem weiteren Test unterzogen, der schließlich die beiden Teilnehmer an der jeweiligen Sendung hervorbrachte. Einer davon war ich, der andere Ludwig Altweck, ein Lehrer aus dem bayerischen Straubing. Am 28. Juni 1983 traten wir im Studio des Bayerischen Rundfunks in München-Unterföhring gegeneinander an, wobei zwei ganz besondere Gäste eine wichtige Rolle spielten: Sepp Maier, der langjährige Torwart des FC Bayern und der deutschen Nationalelf, und Helmut Schön, Bundestrainer von 1964 bis 1978, übernahmen einen Teil der Quizfragen. In der Jury saß zudem Karl-Heinz Heimann, der seinerzeitige Chefredakteur (und spätere Herausgeber) des "Kicker".
Ich war damals überrascht, stolz und glücklich, es überhaupt in die Show geschafft zu haben. Eine wirkliche Gewinnchance hatte ich mir eigentlich nicht ausgerechnet. Doch es lief wesentlich besser als erwartet, und am Ende der Vorrunde hatte ich genauso viele Punkte gesammelt wie der gegnerische Kandidat. Eine Stichfrage musste nun über das Vordringen an den Roulettetisch entscheiden, und da war ich mit der Antwort schneller. Auch zu den anschließend von Helmut Schön gestellten Fragen wusste ich die richtigen Lösungen (mit einer Ausnahme, was aber durch die Möglichkeit, einmalig eine Ersatzfrage zu beantworten, nicht ins Gewicht fiel). Am Ende standen tatsächlich der Maximalgewinn von zehntausend Mark sowie herzliche Umarmungen von Helmut Schön und Sepp Maier, was für mich seinerzeit ungefähr so unfassbar war, wie es in diesen Tagen der Gewinn des "Triples" durch meinen Lieblingsklub ist. Wenn ich mir die Aufzeichnung der Sendung* heute anschaue, mischen sich wohlige Erinnerungen mit einer gewissen Beklommenheit - ich war schon ein ziemlich vorlautes und altkluges Blag, doch es ist eben, wie es ist.
Die Medienlandschaft war 1983 noch recht überschaubar, aber die Quizshow sorgte trotzdem für Schlagzeilen, nicht zuletzt wohl deshalb, weil die Konstellation "Schüler schlägt Lehrer" einigermaßen attraktiv war. Verschiedene Zeitungen und Magazine führten und druckten Interviews, Thomas Gottschalk befragte mich in seiner Radiosendung bei Bayern 3. Die Fernsehzeitschrift "Funk-Uhr" lud mich sogar nach Berlin ein und ließ mich dort gegen Ralf-Peter Fiedler, seinerzeit erfolgreicher Kandidat in Wim Thoelkes Show "Der Große Preis" zum Thema Fußball-WM, antreten. Die Fragen stellte der damalige Nationalspieler Uli Stielike, das Ganze stand unter dem zugegebenermaßen reichlich boulevardesken Motto "Deutschlands größer Fußball-Experte". Das Double glückte, und ich bekam von Stielike einen Lorbeerkranz umgehängt. Dass ich mich bei "Alles oder Nichts" als Bayernfan geoutet hatte, blieb ebenfalls nicht ohne Folgen: Von Paul Breitner und Franz Beckenbauer bekam ich Bücher mit persönlicher Widmung, vom FC Bayern gab es Ehrenkarten für ein Bundesligaspiel im Olympiastadion.
Noch schöner war aber, was sich das ZDF ausgedacht hatte. Weil ich in der Sendung auf Schautzers Frage nach meinem Berufswunsch mit "Sportjournalist" geantwortet hatte (als Vierzehnjähriger hat man eben noch Flausen im Kopf), boten mir die Mainzelmänner in Person des jungen Thomas Herrmann die Möglichkeit, auf dem Trainingsgelände des FC Bayern an der Säbener Straße in München Interviews mit Udo Lattek und Norbert Nachtweih zu führen. Den Inhalt durfte ich dabei uneingeschränkt selbst bestimmen - und die beiden Herren antworteten tatsächlich mit heiligem Ernst, obwohl solch nassforsche, am "Kicker"-Duktus orientierte Fragen dabei waren wie "In der vergangenen Saison stagnierte der FC Bayern unter Pal Csernai - können Sie das Schiff wieder flott machen?" (an Lattek) oder "Bislang gelten Sie als Fehleinkauf. Liegt das Problem bei Ihnen oder beim Trainer?" (an Nachtweih). Ausgestrahlt wurde das Interview schließlich in einer Ausgabe des ZDF-Nachmittagsmagazins "Tele-Illustrierte", zu der ich als Gast eingeladen wurde.**
Diese Erlebnisse werden für mich stets unvergesslich bleiben, auch und nicht zuletzt wegen der vorübergehenden Nähe, die mir, dem glühenden Bayernfan, zu einigen meiner Helden ermöglicht wurde. Und als es 1986 noch einmal ein Fußballthema bei "Alles oder Nichts" gab - diesmal ging es um den Europapokal -, lud mich Max Schautzer als Gast ein und stellte mich in der Sendung noch einmal kurz vor. Ebenfalls zugegen waren Ferenc Puskas, Felix Magath, Alfred Pfaff, Rudi Michel, Dieter Hoeneß und der frühere FIFA-Referee Kurt Tschenscher. Letzterer schenkte mir - ich war schon Schiedsrichter - die Pfeife, mit der er das Eröffnungsspiel der WM 1970 gepfiffen hatte. Da war ich nicht mehr altklug, sondern einfach sprachlos.
Die letzten Minuten der besagten "Alles oder Nichts"-Ausgabe (die gesamte Sendung gibt es hier).
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* Der Ton hinkt dem Bild minimal hinterher. Das stört beim Gucken ein wenig, aber es lässt sich leider nicht ändern.
** Eine Aufzeichnung dieser Sendung besitze ich zwar, aber nur auf einer Video-2000-Kassette, und bislang blieb die Suche nach einer Möglichkeit, sie zu digitalisieren, ohne Ergebnis (womöglich ist das auch besser so).
ø 10.0
KOMMENTARE
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06.06.2013 | 17:29 Uhr
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xxlhonk :
Ahh daher stammt er.Der unglaubliche und weitgerühmte Liza´sche-Reichtum.
10.000 DM an einen 14 jährigen.
Unfassbar ..
Aber das Beste daran: Du hast das damals zwar im Spaß gesagt, aber am Ende wurde aus Spaß Ernst.
Ernst ist heute 45 Jahre alt und ...
Ich finde das grossartig. Sehr sogar.
Bis auf die Bayern Passage.
Undankbarer Verein. Ehrenkarten.
Pff. Lebenslange Mitgliedschaft wäre das MINDESTE gewesen
Das Du heute noch das wandelnde Fußballlexikon bist, weiß jeder der dich kennt...
Sehr schöne Geschichte. Sehr, sehr schön
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06.06.2013 | 12:27 Uhr
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ausLE :
starke Sache!Also der Blog und Deine Fernsehauftritte!
Also mich würden die Fragen der Quizsendung von Max interessieren
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05.06.2013 | 18:18 Uhr
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Schnumbi :
@ LizasWelt:ich danke dir. ich mag diese geschichten aus dem wahren leben. bisl neidisch kann man da werden, gerade was die interviews angeht. ein traum für jedes kind, ein traum für jeden bayernfan.
ganz, ganz großen dank für den beitrag.
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05.06.2013 | 17:54 Uhr
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Voegi :
wunderbar!!!auch wenn ich die geschichte schon kannte, bin ich wieder schwer beeindruckt und kann dir nur meinen großen respekt aussprechen. und ein großes danke, dass du diesen blog hier veröffentlicht hast.
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05.06.2013 | 17:16 Uhr
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Schöner Einblick, danke!
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Ich vermisse ja solche Klugscheißer-Sendungen, in denen man sich einem selbstgewählten Fachgebiet beweisen bedarf...
Sehr schöne Erinnerung!
Nota bene:
Was ist eigentlich aus Deiner Bewerbung bei der B.Z. geworden?