17.10.2012 um 17:14 Uhr
Geschrieben von Stadtneurotiker
Gesichter: Klaus Augenthaler
Von Fürstenzell nach Rom - die Karriere eines Niederbayern
Erinnere ich mich an Klaus Augenthaler, fällt mir spontan ein Spiel ein, das er heute wahrscheinlich mit sehr gemischten Gefühlen betrachtet. Es war der 22. April 1987, als der FC Bayern München zum Halbfinalrückspiel im Europokal der Landesmeister bei Real Madrid antreten musste. (Das Hinspiel, ein umjubeltes 4:1, habe ich auf der Gegengerade des Olympiastadions verfolgt - mein erstes Live-Europacupspiel.) Es war ein sehr hitziger Kampf, der die Grenzen des Erlaubten sehr großzügig auslegte. Der hier Portraitierte hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Durch ein Eigentor brachte er in der 27. Minute den Gegner zurück ins Spiel, drei Minuten später flog er nach einer Watschn, wie man in Bayern sagt, an Hugo Sanchez, der foulsten Maus von Mexiko, vom Platz. Die Zeit bis zum Abpfiff beschrieb er so: "Das war für mich die Hölle! Es gab damals keine Fernseher in den Katakomben und ich habe immer nur die 80000 Zuschauer schreien hören, wusste aber nie, was passiert war." Ich sah das Spiel bei meinen Großeltern, die damals gerade mal drei Fernsehprogramme empfangen konnten. Der FC Bayern verteidigte das 0:1 gegen wütend anrennende Spanier sowie mit allem Möglichen schmeißende Fans und zog ins Finale ein.
Augenthaler und der Europapokal - keine Liebesbeziehung
(Bild: imgao)
Das Spiel in Madrid ist bezeichnend für die Beziehung zwischen Klaus Augenthaler und dem Europapokal. Freunde oder gar Geliebte wurden sie nicht. Im Finale gegen den FC Porto fehlte er nicht nur wegen der Rot-Sperre. Nach einem operierten Bandscheibenvorfall hätte er nicht spielen können; die Niederlage gegen den FC Porto erlebte er "zuhause vor dem Fernseher - im Stehen".
Fünf Jahre zuvor stand er auf dem Platz, als die Mannschaft 0:1 gegen Aston Villa das Landesmeister-Finale verlor. Seinen letzten Auftritt auf der europäischen Bühne schloss er 1991 mit einem Rückpass, den Raimond Auman ins Tor lenkte, bei Roter Stern Belgrad ab. Wenige Wochen später beendete er seine Kariere als Profispieler. Fünfmal stand er mit seinem Verein in einem Halbfinale des Landesmeistercups. Das ist nicht mal dem Titan gelungen.
Der große Wurf, der Helden mit Pott für die Ewigkeit gebärt, ist ihm nicht gelungen.
Eine weltmeisterliche Schattenkarriere
Dennoch ist "Auge" bis heute einer der erfolgreichsten Spieler des FC Bayern, was heute ein wenig unterschlagen wird. Seine Karriere steht heute zu unrecht im Schatten seines langjährigen Begleiters Lothar Matthäus oder dem von Oliver Kahn. Das mag daran liegen, daß als Spieler laute Töne seine Sache nicht waren. Er wirkte lieber auf dem Platz und hinter den Kulissen.
Als der junge Niederbayer 1975 knapp 18-Jährig von der Jugend des FC Vilshofen zum FC Bayern München wechselte, hatte die Mannschaft um Maier, Beckenbauer und Müller ihren Zenit bereits überschritten. 1976 gelang ihr der Europapokal-Hattrick, aber die Helden waren müde geworden. 1977 wurde Trainer Gyula Lorant auf den Nachwuchsmann aufmerksam und setzte den "Gurkenthaler", wie er ihn anfangs nannte, zuerst als Vorstopper ein, bevor er als Libero eine Ära einläutete. Der Aufbau einer neuen, schlagkräftigen Mannschaft benötigte Zeit; erst 1980 konnte er erstmals die Meisterschale in die Höhe recken.
1984, als Karl-Heinz Rummenigge für heute läppisch anmutende 11 Millionen D-Mark zu Inter Mailand wechselte, wurde er Kapitän einer jungen, nahezu namenlosen Mannschaft. Er strahlte dabei zwei Dinge aus: Gelassenheit, die man auch als Bierruhe bezeichnen kann, und Siegesgewissheit. Dabei überschritt er auch Grenzen, wie das Foul an Rudi Völler im Dezember 1985 zeigte, das ihn für ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Daneben glänzte er als Distanzschütze. Uli Stein kann ein Lied davon singen. Sein Tor gegen ihn aus quasi vom Anstoßpunkt im Pokalspiel bei Eintracht Frankfurt 1989 wurde nicht nur zum Tor des Jahrzehnts gewählt, sondern markierte auch den ersten Sieg im Waldstadion nach langen Jahren.
Wie ernst er seine Aufgabe als Kapitän nahm, zeigt sich daran, daß der Mannschaftsabend seit den ersten Treffen im heimischen Vaterstetten in der Bundesliga ein feststehender Begriff ist.
In diesen sieben Jahren wurde der inzwischen auch finanziell sanierte Verein wieder zur gefürchteten Mannschaft in der Bundesliga. Lediglich 1988 und 1991 holte der FC Bayern keinen Titel. Mit sieben Titeln war er der Rekordmeister des Rekordmeisters, bis er 2006 von Mehmet Scholl abgelöst wurde. Dazu gesellten sich noch drei Pokalsiege. 1990 krönte er seine Karriere mit der Weltmeisterschaft. Nach Franz Beckenbauer ist Augenthaler der Kapitän mit der zweitlängsten Amtszeit.
Standesgemäß verabschiedete sich "Auge" mit Weißbier und Zigarette von seinen Fans.
Bevor Ihr mit Lobhudeleien oder Benaglos um Euch werft, lest bitte erst den 2. Teil!
Erinnere ich mich an Klaus Augenthaler, fällt mir spontan ein Spiel ein, das er heute wahrscheinlich mit sehr gemischten Gefühlen betrachtet. Es war der 22. April 1987, als der FC Bayern München zum Halbfinalrückspiel im Europokal der Landesmeister bei Real Madrid antreten musste. (Das Hinspiel, ein umjubeltes 4:1, habe ich auf der Gegengerade des Olympiastadions verfolgt - mein erstes Live-Europacupspiel.) Es war ein sehr hitziger Kampf, der die Grenzen des Erlaubten sehr großzügig auslegte. Der hier Portraitierte hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Durch ein Eigentor brachte er in der 27. Minute den Gegner zurück ins Spiel, drei Minuten später flog er nach einer Watschn, wie man in Bayern sagt, an Hugo Sanchez, der foulsten Maus von Mexiko, vom Platz. Die Zeit bis zum Abpfiff beschrieb er so: "Das war für mich die Hölle! Es gab damals keine Fernseher in den Katakomben und ich habe immer nur die 80000 Zuschauer schreien hören, wusste aber nie, was passiert war." Ich sah das Spiel bei meinen Großeltern, die damals gerade mal drei Fernsehprogramme empfangen konnten. Der FC Bayern verteidigte das 0:1 gegen wütend anrennende Spanier sowie mit allem Möglichen schmeißende Fans und zog ins Finale ein.
Augenthaler und der Europapokal - keine Liebesbeziehung
Das Spiel in Madrid ist bezeichnend für die Beziehung zwischen Klaus Augenthaler und dem Europapokal. Freunde oder gar Geliebte wurden sie nicht. Im Finale gegen den FC Porto fehlte er nicht nur wegen der Rot-Sperre. Nach einem operierten Bandscheibenvorfall hätte er nicht spielen können; die Niederlage gegen den FC Porto erlebte er "zuhause vor dem Fernseher - im Stehen".
Fünf Jahre zuvor stand er auf dem Platz, als die Mannschaft 0:1 gegen Aston Villa das Landesmeister-Finale verlor. Seinen letzten Auftritt auf der europäischen Bühne schloss er 1991 mit einem Rückpass, den Raimond Auman ins Tor lenkte, bei Roter Stern Belgrad ab. Wenige Wochen später beendete er seine Kariere als Profispieler. Fünfmal stand er mit seinem Verein in einem Halbfinale des Landesmeistercups. Das ist nicht mal dem Titan gelungen.
Der große Wurf, der Helden mit Pott für die Ewigkeit gebärt, ist ihm nicht gelungen.
Eine weltmeisterliche Schattenkarriere
Dennoch ist "Auge" bis heute einer der erfolgreichsten Spieler des FC Bayern, was heute ein wenig unterschlagen wird. Seine Karriere steht heute zu unrecht im Schatten seines langjährigen Begleiters Lothar Matthäus oder dem von Oliver Kahn. Das mag daran liegen, daß als Spieler laute Töne seine Sache nicht waren. Er wirkte lieber auf dem Platz und hinter den Kulissen.
Als der junge Niederbayer 1975 knapp 18-Jährig von der Jugend des FC Vilshofen zum FC Bayern München wechselte, hatte die Mannschaft um Maier, Beckenbauer und Müller ihren Zenit bereits überschritten. 1976 gelang ihr der Europapokal-Hattrick, aber die Helden waren müde geworden. 1977 wurde Trainer Gyula Lorant auf den Nachwuchsmann aufmerksam und setzte den "Gurkenthaler", wie er ihn anfangs nannte, zuerst als Vorstopper ein, bevor er als Libero eine Ära einläutete. Der Aufbau einer neuen, schlagkräftigen Mannschaft benötigte Zeit; erst 1980 konnte er erstmals die Meisterschale in die Höhe recken.
1984, als Karl-Heinz Rummenigge für heute läppisch anmutende 11 Millionen D-Mark zu Inter Mailand wechselte, wurde er Kapitän einer jungen, nahezu namenlosen Mannschaft. Er strahlte dabei zwei Dinge aus: Gelassenheit, die man auch als Bierruhe bezeichnen kann, und Siegesgewissheit. Dabei überschritt er auch Grenzen, wie das Foul an Rudi Völler im Dezember 1985 zeigte, das ihn für ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Daneben glänzte er als Distanzschütze. Uli Stein kann ein Lied davon singen. Sein Tor gegen ihn aus quasi vom Anstoßpunkt im Pokalspiel bei Eintracht Frankfurt 1989 wurde nicht nur zum Tor des Jahrzehnts gewählt, sondern markierte auch den ersten Sieg im Waldstadion nach langen Jahren.
Wie ernst er seine Aufgabe als Kapitän nahm, zeigt sich daran, daß der Mannschaftsabend seit den ersten Treffen im heimischen Vaterstetten in der Bundesliga ein feststehender Begriff ist.
In diesen sieben Jahren wurde der inzwischen auch finanziell sanierte Verein wieder zur gefürchteten Mannschaft in der Bundesliga. Lediglich 1988 und 1991 holte der FC Bayern keinen Titel. Mit sieben Titeln war er der Rekordmeister des Rekordmeisters, bis er 2006 von Mehmet Scholl abgelöst wurde. Dazu gesellten sich noch drei Pokalsiege. 1990 krönte er seine Karriere mit der Weltmeisterschaft. Nach Franz Beckenbauer ist Augenthaler der Kapitän mit der zweitlängsten Amtszeit.
Standesgemäß verabschiedete sich "Auge" mit Weißbier und Zigarette von seinen Fans.
Bevor Ihr mit Lobhudeleien oder Benaglos um Euch werft, lest bitte erst den 2. Teil!
Aufrufe: 10426 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 5 | Erstellt:17.10.2012
ø 9.6
KOMMENTARE
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21.10.2012 | 15:53 Uhr
-1
schlibbedewitz :
Einer meiner ewigen Helden !!!! Danke !!!
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