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Fußballtraining


Gründer: vanGaalsNase | Mitglieder: 27 | Beiträge: 1
21.06.2012 um 10:00 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Trainingsmodell
Nachdem die differenzielle Lernmethode in Verbindung mit dem impliziten Lernen als Basis für modernes Training im Fußball dargelegt wurde, sollen nun die praktischen Anwendungsmöglichkeiten erörtert werden. Einen tiefen Einblick dafür offenbart Louis van Gaal in seinem autobiographischem Werk "Biographie & Vision" im Teilband "Vision".

Das van Gaal’sche Trainingskonzept

Louis van Gaal unterteilt seine Übungen in vier Themenkomplexe, die aufeinander aufbauen und ineinander übergehen. Dabei geht es darum, anhand technischer Grundlagen, basierend auf den spieltaktischen Vorgaben und Zielen, allgemeine Handlungsweisen und konkrete Spielzüge für ein mannschaftliches Konzept zu erarbeiten. Als erste Grundlage nutzt van Gaal Pass- und Ballspielformen. Sie haben das Ziel, die Spieler in den technischen Grundelementen, wie dem einfachen Passen, Zweikampfführung und der Beidbeinigkeit, auszubilden.

Darauf folgen allgemeinere Übungen. Sie sollen abstrakte Spielformen darstellen, um die speziellen technischen Grundlagen direkt anzuwenden. Positionsspiel-formen bilden nach Pass- und Ballspielformen den nächsten Komplex. Dabei soll das Passspiel zum Ballhalten und Raumgewinn in engen Räumen unter Gegnerdruck erfolgen. Die Räume, die man zur Verfügung hat, sollen optimal (aus)genutzt werden. Um gewisse Lauf- und Passwege für Spielzüge einzuüben, werden Systemübungen durchgeführt. Sie sollen konkrete Spielsituationen simulieren, die es mittels Pässen, Dribblings und/oder Zweikämpfen zu lösen gilt. Als letztes folgen allgemein-abstrakte Spielformen, die unter Mannschaftsspiele geführt werden. Hier sollen sämtliche Aspekte des Fußballs spielnah geübt werden.

Diese Reihenfolge, in der man vom speziellen zum allgemeinen übergeht, basiert auf dem impliziten Lernen des Bottom-up-Prozesses. Die konkret-speziellen Pass- und Ballspielformen führen über die Positionsspiele und Systemübungen zu den abstrakt-allgemeinen Mannschaftsspielen. Eine zunächst theoretische Ausbildung, um den Spielern schon vorab deutlich zu machen, wie ihre Handlungen für die jeweiligen Situationen aussehen müssen, folgt dem expliziten Top-down. Keine der beiden Methoden ist per se falsch oder richtig bzw. besser als die andere. Jede Methode führt "in Abhängigkeit der Situation zu vorhersagbaren Entscheidungsqualitäten".* Studien stellten jedoch heraus, dass sich der implizite Bottom-up-Prozess insbesondere für Anfänger und Amateure eignet, während der explizite Top-down-Prozess eher bei Fortgeschrittenen und Profis zu Erfolg führt (aaO).

Da Positionsspiele, Systemübungen und Mannschaftsspiele stets unter Gegnerdruck erfolgen, beruhen sie grundsätzlich auf der differenziellen Lernmethode in Verbin-dung mit dem impliziten Lernen und wirken sich demnach stark auf die technisch-taktische Förderung der Spieler aus, weshalb zwischen ihnen auch fließende Übergänge bestehen.

1. Pass- und Ballspielformen
Diese Übungsformen stellen Passfolgen ohne Gegnerdruck dar. Dabei können spezielle taktische Mittel des Passspiels, wie das Kreuzen oder Hinterlaufen, integriert werden. Für diese Übungen sollten die Grundformen in Drei- oder Vierecken erfolgen.

2. Positionsspielformen
Positionsspielformen sind in technisch-taktischer Hinsicht die Grundlage für ein ausgeprägtes Passspiel. In Überzahlsituationen soll der eigene Ballbesitz unter Gegnerdruck gesichert werden.

3. Systemübungen
Während Pass-/Ballspielformen und Positionsspiele die speziellen Grundlagen für das eigene Spiel mit Ball vermitteln sollen, werden in den Systemübungen allgemeine Handlungen in Form von Spielzügen einstudiert. Dabei kommen das Passspiel, Dribblings, Hinterlaufen und Kreuzen situativ zum Einsatz.

4. Mannschaftsspiele
Den letzten und zentralen Komplex bilden die Mannschaftsspiele. Zwei Mannschaf-ten mit jeweils gleicher Spieleranzahl spielen gegeneinander und wenden entsprech-end die speziellen Grundlagen von Defensive und Offensive in allgemeiner Spielform an. Dabei können gewisse Regelvorgaben gemacht werden, die bestimme Schwankungen erzeugen sollen, wodurch die Spieler gemäß differenzieller Lernmethode und impliziten Lernen weiterhin in technischer und taktischer Hinsicht geschult werden.

Übungen in Spielform erfolgen grundsätzlich unter Einhaltung der Abseitsregel, um stets Pressing zu ermöglichen. Allerdings stellt nicht der vorletzte Spieler die Abseitslinie sondern der letzte. Abseits gilt regelmäßig ab der Mittellinie. Außerdem wird fast ausschließlich ohne festen Torhüter agiert. Aus den Gründen einer auf Technik und Taktik ausgerichteten Ausbildung, sollen die Spieler nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufs Tor schießen. Der Fokus liegt schließlich auf dem Erlernen von technisch-taktischen Handlungen, die das Endziel des Fußballs ermöglichen sollen. Der Weg ist also das Ziel!

Für Spielformen sind kleine Spielgruppen (höchstens 5-gegen-5) zu bevorzugen. Dabei sind viele Ballkontakte für alle Spieler gewährleistet und man hat alle Spieler im Blick, um entsprechend coachen zu können. Welche Zielsetzung man mit den einzelnen Übungsformen verfolgt, hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa den Fähigkeiten der Spieler oder die angestrebte Strategie der Mannschaft. In sämtlichen Spielformen muss auf eine positionsspezifische Ausbildung geachtet werden, die den typischen Anforderungen der jeweiligen Position auch gerecht wird. Wer also im Wettkampf im Zentrum spielt, sollte im Training nicht auf Außen agieren. Die allge-meinen Grundlagen von Offensive und Defensive müssen aber positionsunabhängig von allen Spielern beherrscht werden. Das gilt auch für den Torhüter.


* Tielemann, Nele; Modifikation motorischer Lernprozesse durch Instruktionen; S. 125
Aufrufe: 10295 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 3 | Erstellt:21.06.2012
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