Der geliebte Diktator

Jan Höfling
30. April 201705:40
Ulli Wegner hat das Boxen nachhaltig geprägtgetty
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Am 26. April feiert Ulli Wegner seinen 75. Geburtstag. Der Flüchtlingsjunge aus Stettin hat ein bewegtes Leben hinter sich, am Ziel ist er deshalb noch lange nicht. Wegner brennt mit hochrotem Kopf für seine Leidenschaft, seine kratzige Stimme hallt auch mit einem dreiviertel Jahrhundert auf dem Buckel noch durch Boxhallen in ganz Deutschland. Dass er für seine Schützlinge und Freunde weit mehr als ein gewöhnlicher Mensch ist, weiß inzwischen jeder, - dass das Boxen allerdings gar nicht seine größte Leidenschaft ist, nur die wenigsten.

Jeder Schritt auf der kleinen Treppe, die von der blauen Ringecke hinab auf den Hallenboden führt, fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Jeder Schritt schmerzt in der Seele. Der Griff um das weiße Handtuch in der rechten Hand wird fester. Tränen schießen Ulli Wegner in die Augen. Er wirft einen letzten Blick in den Ring, dann bekommt er von der zwölften Runde kaum mehr etwas mit. Eine Ära ist zu Ende.

Stettin, Anfang 1945. Auf dem Hof eines kleinen Häuschens werden früh am Morgen hektisch die wichtigsten Habseligkeiten auf die Ladefläche eines alten Lastwagens verladen. Platz ist nur für das Nötigste, die Zeit drängt.

Zwei russische Offiziere helfen dem Ehepaar aus Deutschland, das nebenbei verzweifelt versucht, seine aufgewühlten Kinder so gut es geht zu beruhigen. Der Familie steht die blanke Angst in das Gesicht geschrieben. Angst vor Vergeltung, vor weiteren Gräueltaten, die das Geschehe unweigerlich mit sich bringen würde.

Alles was sich Karl und Hedwig Wegner in ihrem Lebens aufgebaut hatten, war wertlos. Das einzige, was noch zählte, war der Versuch, in Sicherheit zu gelangen. Der Krieg näherte sich dem Ende, längst hatte die russische Armee die Gegenwehr der Wehrmacht gebrochen und die Stadt an der Mündung der Oder zurückerobert. Nachrückende polnische Verbände sorgten für Schrecken. Flucht war die letzte Hoffnung.

Entbehrungen des Krieges

Von einer unbeschwerten Kindheit konnte Hans-Ullrich Wegner, der zehn Jahre nach Bruder Fritz und 20 Jahre nach Schwester Martha am 26. April 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg das Licht der Welt erblickt hatte, nur träumen. "Wir hatten immer zu essen. Nie im Überfluss, aber Vater und Mutti haben rund um die Uhr geschuftet, damit wir Kinder nicht hungern mussten", erinnert sich Wegner in seiner Biographie Mein Leben in 13 Runden an die Nachkriegszeit. Kleine Glücksmomente waren unheimlich wertvoll.

Vielleicht legt Wegner deshalb keinen Wert auf Luxus. Er ist auch all die Jahre, die der Krieg hinter ihm liegt, ein Mann, der die schrecklichen Erlebnisse, über die in seinem Elternhaus nie gesprochen werden durfte, und die erdrückende Stimmung der Nachkriegszeit nicht vergessen hat.

Nach der Flucht nach Büssow, das rund 30 Kilometer westlich von Stettin liegt, sowie den Umzug nach Penkun war das Leben der Familie Wegner, die eine Landwirtschaft zugeteilt bekam, von Entbehrungen und harter Arbeit geprägt.

Anpacken musste Ulli, so wurde der jüngste Wegner-Spross von klein auf genannt, früh. Die Grenzen aus Pflicht und Kindsein verschwammen. "Kühe hüten mit sechs Jahren ist keine Idylle aus irgendeinem Heimatfilm. Es ist pure, nackte Angst - davor, etwas falsch zu machen. Angebrüllt, bestraft, geschlagen zu werden", blickt Wegner auf die Tätigkeit zurück, die zwei Mark pro Woche in die Familienkasse spülte.

Verfehlungen wurden von seinem Vater knallhart bestraft. "Wenn wir nicht bestraft wurden, war es das größte Lob, zu dem er fähig war", schildert Wegner. Einen Groll hegt er dennoch nicht. Der frühere Soldat war von zwei Kriegen gezeichnet. Es war seine Art, die Kinder zu einem bessern Leben treiben zu wollen.

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Der schulische Saisonarbeiter und ein großer Traum

Eine Strafe traf Wegner allerdings besonders hart: Fußballverbot. Denn anders als viele erwarten würden, war der Fußball nicht nur die erste große Liebe des Nesthäkchens, sondern er rangiert auch heute noch immer knapp vor dem Boxen. Jede freie Minute verbrachte Wegner, der sich selbst mit einem Augenzwinkern als "schulischen Saisonarbeiter" bezeichnet, auf dem Bolzplatz beim "Knödeln".

Wenn er sich nach einer Bestrafung aus dem Haus geschlichen und von seiner Mutter die Fußballschuhe, seine "Töppen", durch das Fenster gereicht bekommen hatte, stand über allem der Traum, irgendwann Profi zu werden.

"Während der Unterricht lief, konnte ich nicht zuhören - ich musste den Nachmittag organisieren. Fußballmannschaften aufstellen. Spiele ausdenken. Ganz scharf nachdenken, bei wem eventuell die Eltern nicht da waren. Schule war was für Streber. Für Leseratten. Für Muttersöhnchen", berichtet Wegner, der bis heute den Stich verspürt, dass es nicht gereicht hat, Profi zu werden. Obwohl er vom Spielertyp einem Matthias Sammer sehr ähnlich gewesen sei.

Erlebnisse wie das Gastspiel von Manchester United, den berühmten Busby Babes, die Monate später in München Opfer einer Flugzeugkatastrophe mit vielen Todesopfern wurden, im Berliner Olympiastadion 1957, faszinierten ihn.

Die Schule übte weit weniger Faszination auf ihn aus. Nach der achten Klasse war Schluss. Dass dies weniger an den geistigen Kapazitäten des Lausbuben, der um keinen Streich verlegen war, sondern viel mehr an fehlenden schulischen Ambitionen lag, beweisen unter anderem sein späteres Studium an der Außenstelle der DHfK sowie die Art, sich durch das Leben zu bewegen.

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Wegner und das Ziel, etwas Besonderes zu sein

Antriebslos war er nie, suchte aber den für ihn richtigen Weg. "Ich hatte kein Interesse an dem, was die Lehrer da vorne erzählten", erklärt Wegner. "Ich wollte immer etwas Besonderes sein. Ja, das wollte ich. Das war mein Antrieb schon in jungen Jahren. Aber ich wollte mir das Besondere erkämpfen, wollte irgendwie, irgendwo auf irgendeine Art und Weise den Weg finden, dass mich Menschen loben würden."

Er entschied sich für die nahe liegende Option einer Ausbildung. Statt weiter die Schulbank zu drücken, entschloss er sich mit 14 Jahren das Elternhaus zu verlassen und eine Lehre im 80 Kilometer entfernten Anklam zu beginnen. Drei Jahre später war er gelernter Traktoren- und Landmaschinenschlosser.

In dieser Zeit habe er dann auch "so langsam, aber ganz langsam, einen Blick fürs Leben bekommen". Selbst ohne die 1961 errichtete Berliner Mauer gingen die Meinungen über die DDR in seiner Familie auseinander. Freie Entfaltung? Unmöglich. Es galt sich mit dem System zu arrangieren so gut es ging.

Rückblickend sieht Wegner die Zeit deshalb als ein "Klarkommen mit einem Unrechtsstaat", stellt aber ebenso heraus, dass eine Flucht in den Westen kein Thema war und er auch niemand gewesen sei, der auf den Straßen demonstriert habe: "Bei dem, was ich nach der Wiedervereinigung erreicht habe, dort, im goldenen Westen, war ich stolz auf meine fachliche Ausbildung in der DDR. Auf die Menschen, die mich gefördert haben, die etwas in mir gesehen und ihre Kompetenz an mich weitergegeben haben. Stolz und dankbar." Der spätere Mauerfall Im November 1989 sei dennoch ein großer Tag für ihn gewesen.

Unverhoffte Liebe

Zunächst zählten sowieso andere Dinge. Für Wegner stand der Wehrdienstes an. Der damals 19-Jährige entschied sich, nach Rostock zur Marine zu gehen.

Der Hauptgrund waren nicht die laut Wegner "schönen Uniformen", sondern der Umstand, dass der DDR-Zweitligist ASK Vorwärts Rostock nach Spielern suchte. Insgesamt versuchten 48 Akteure ihr Glück, Wegner schaffte es bis unter die letzten fünf. Und das, obwohl er nur in der Juniorenliga bei Traktor Anklam und in der Bezirksklasse bei Aufbau Anklam gegen das runde Leder getreten hatte.

Um sich bis zum endgültigen Ausscheiden der zu ersetzenden Spieler fit zu halten und den Kritikpunkt seiner Trainer, er sei athletisch nicht weit genug, zu beseitigen, fand Wegner nach wenigen Wochen den Weg in die Boxhalle des ASK.

"Ich hatte mitbekommen, dass diese Sportler zu den fittesten überhaupt gehörten, wollte einfach mitmachen", fasst er die Beweggründe zusammen. Während er beim Fußball der harte Arbeiter war und auch in anderen Sportarten von seiner Hingabe profitierte, sollte der Späteinsteiger in den folgenden Wochen etwas erleben, das er so noch nie gespürt hatte: Er hatte einfach großes Talent.

Der ehrliche Sport, das Duell Mann gegen Mann und die harte Arbeit vor den Wettkämpfen ergriffen Besitz von seiner Seele. Wegner musste sich nicht mehr auf Mitspieler verlassen, Ausreden gehörten der Vergangenheit an. Eine Niederlage hatte er nur sich selbst zuzuschreiben. Es folgten 176 Amateurkämpfe und als Höhepunkt eine gewonnene DDR-Mannschaftsmeisterschaft im Jahr 1970 mit der BSG Wismut Gera, für die Wegner inzwischen die Boxhandschuhe schnürte. Nebenbei versuchte er sich, auch weil er wohl sein sportliches Limit schon vor Augen hatte, auf der anderen Seite der Seile.

Ein Leben als "Sportler, Trainer, Arbeiter, Schwarzarbeiter und in der Abendschule" war aber selbst für den engagierten Wegner zu viel für einen 24 Stunden Tag. Er entschied sich, Trainer zu werden. Unter den Fittichen von Hans Spazierer, dessen Assistenztrainer Wegner bereits mit 27 geworden war, reifte ein Getriebener heran, der den deutschen Boxsport prägen sollte, wie es so nur wenige vermochten.

Zusammen mit Fritz Sdunek, der mit 67 Jahren einem Herzinfarkt erlag und dessen Todesnachricht Wegner am Esstisch sitzend so hart traf, dass ihm "schwarz vor Augen wurde", sowie Manfred Wolke prägte er Generationen. Die Trainer der DDR-Schule, die den Sport in Deutschland groß gemacht haben, verband dabei stets Konkurrenz und Freundschaft gleichermaßen.

Freud und Leid liegen eng beisammen

Wegner, der wohl auch bedingt durch sein Elternhaus stets ein Freund klarer Worte ist und seit jeher über eine beißende Ironie verfügt, musste auf seinem Weg nach oben aber auch Rückschläge hinnehmen. Den größten Treffer hatte er in Berlin als Spitzenkader-Trainer zu verdauen. Er verscherzte es sich mit TSC-Leiter Bernd Knispel 1985, die Folge war eine dreijährige Suspendierung.

Auch privat war in den vergangenen Jahren nicht alles nach Plan verlaufen. Von seiner ersten Frau Monika, die Wegner in Erfurt kennen und lieben gelernt hatte und mit der er zwei in Gera geborene Töchter, Anett und Susanne, hat, war er bereits geschieden. Eine "persönliche Niederlage" für ihn.

Statt eines Familienurlaubs war deshalb Party auf Rügen angesagt. "Wir hatten nichts anderes als den kilometerlangen Strand, Wasser, Braunwerden und Disko im Sinn", erzählt Wegner, der sich laut eigener Aussage "ganz gut bewegen kann zur Musik", auch wenn er keine Tanzschule besucht habe. Knapp 32 Jahre später dürfte er bei den Gedanken an den Ausflug aus dem Schmunzeln nicht herauskommen.

Was er aus dem Urlaub mit nach Hause nehmen sollte, waren nicht nur jede Menge Erinnerungen an durchtanzte Abende und das Meeresrauschen in seinen Ohren, sondern die Liebe seines Lebens: Margret.

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Eisbrecher auf Wegner-Art

"Entschuldigen Sie bitte, ich würde gerne mit Ihnen tanzen", Wegner legte eine Kunstpause ein, "aber nur, wenn Sie die Schuhe ausziehen. Sonst liege ich mit meinem Kopf in Ihrer Brust." Es waren die ersten Worte, die die Oberstufenlehrerin für Mathematik und Chemie vom damals 43-Jährigen zu hören bekam.

Wegners Glück war es, dass die ebenfalls bereits Geschiedene auf der Schlagfertigkeitsskala wohl mindestens auf Augenhöhe mit dem Mann, der da vor ihr stand, anzusiedeln ist. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass beide noch immer glücklich verheiratet sind und zusammen in Berlin-Tegel in einem kleinen Bungalow wohnen. Auch Wegners Hingabe zum Boxen war für die Liebe nie ein Hindernis.

Nach 122 Medaillen im Junioren- und Seniorenbereich bei den Amateuren sowie 25 bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften erreichte die Besessenheit im Oktober 1996 nach dem Wechsel zum Sauerland-Stall und somit zu den Profis die nächste Stufe.

Wegners Job zwingt ihn seit jeher dazu, wochen- oder gar monatelang auf Volllast zu arbeiten. Er ist viel unterwegs, muss seine Boxer bei Laune halten, ohne die Zügel schleifen zu lassen. Sie antreiben, aber nicht verbrennen. Immer wieder sorgen Nebenschauplätze für Probleme. Das Umfeld verdreht einem Boxer den Kopf, es gibt Streitigkeiten um Börsen oder einfach nur Heimweh bei Nachwuchstalenten.

Diktator und Ziehvater

In diesen Momenten ist er Menschenflüsterer. Es sind Phasen, die an seinen Kräften zehren. Anmerken lassen darf er sich nichts. Bei Wegner herrscht eine klare Hierarchie. "Im Leistungssport ist kein Platz für Demokratie", erklärt der Mann, der in der Trainingshalle mit seiner kratzigen Stimme einen Ton anschlagen kann, der im Vergleich zu seinen berühmten Ansprachen in der Ringecke wie "Einschlaflieder für dreijährige Mädchen" wirkt. Disziplin, Pünktlichkeit und unbedingter Wille sind oberste Maxime.

Einen Herzinfarkt, der nur dank des Sauerland-Physiotherapeuten Walter Knieps, der die Symptome beim Hobby-Kick der Mitarbeiter schnell erkannt hatte, glimpflich ablief, hat er bereits hinter sich.

Die Sportler spüren die unbändige Hingabe ganz genau. "Er ist für mich ein ganz besonderer Mensch: Trainer, Ersatzvater, Berater, Diktator", sagte Arthur Abraham. "Ich liebe ihn von ganzem Herzen."

Abraham ist ein wahrer Meister darin, seinen Trainer seit nunmehr 15 Jahren entweder extrem stolz zu machen oder durch seinen Schlendrian zur Weißglut zu treiben. Immer wieder stand die Zusammenarbeit, die vor allem durch den Blutkampf von Wetzlar gegen Edison Miranda, der für Wegner sogar eine Anzeige wegen Körperverletzung nach sich zog, für Aufsehen gesorgt hatte, vor dem Aus. Immer wieder rauften sie sich zusammen.

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Wegner ist für seine Boxer mehr als nur ein Trainer. Er ist eine Art Vaterfigur, hasst es, wenn seine Schützlinge ihre Möglichkeiten nicht ausreizen.

"Ein Trainer ohne Kämpfer ist nichts", stellt Wegner klar. Der Sport vermöge es, "Menschen zu formen". Er wolle seine Boxer deshalb nicht nur als Sportler voranbringen, sondern auch als Menschen. Fehlschläge wie etwa bei Marco Huck, zu dem Wegner zwar noch immer ein väterliches Verhältnis pflegt, ihn aber vor schwerwiegenden Fehlentscheidungen nicht schützen konnte, sind besonders harte Schläge für das Seelenleben des 75-Jährigen.

Mitten ins Herz

Eine Beziehung, die allerdings noch über allen anderen steht, ist die zu Sven Ottke. Wegner hatte den Spandauer Jungen mit dem Spitznamen Phantom bereits bei den Amateuren unter seiner Obhut, überredete ihn nach seinem Wechsel ins Profi-Lager dazu, es ihm gleich zu tun. Was folgte, war Kunst.

Das totale Vertrauen. Bedingungslos. Erfolgreich.

Als ihm Ottke, der sich als einziger Weltmeister aus Deutschland ohne eine Niederlage und mit den Gürteln der WBA und IBF im Supermittelgewicht um die Hüften vom Profiboxen verabschieden konnte, dann wie verabredet erst vor der letzten Runde seines Kampfes gegen Armand Krajnc als Antwort auf Wegners Ansprache "Drei Minuten noch, du toller Junge", mit den Worten "Ja, und dann muss Schluss sein" das Karriereende offenbarte, war Wegners Reaktion unvergesslich. Jeder Schritt auf der kleinen Treppe fiel ihm sichtlich schwer. Tränen schossen ihm in die Augen. Es waren Tränen des Dankes.

"Es war vorbei. Aus und vorbei. Und jede Gefühlswelle, die mich überrollte, zeigte mir, wie viel mir die Jahre mit Svennie bedeutet hatten. Ich spürte tiefste Wehmut, riesige Dankbarkeit, einen Schuss Erleichterung und grenzenlose Euphorie, das alles mit ihm geschafft zu haben", erinnert sich Wegner, der sein verweintes Gesicht in den letzten drei Minuten des Kampfes tief in einem weißen Handtuch vergraben hatte. Die Szene in Magdeburg steht sinnbildlich für die begrenzte Zeit eines Trainers mit seinem Schützling - und bei ihm für noch so viel mehr.

Und dennoch war es nur eines von unzähligen Kapiteln in der Geschichte des mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Penkuner-Kuhjungen, der mit Eike Walther, Ronald Poye, Thomas Ulrich, Markus Beyer und so vielen weiteren Amateuren und Profis Großes für den Boxsport in Deutschland geleistet hat. Mit Jack Culcay oder hochgehandelten Talenten wie Leon Bunn, Emir Ahmatovic soll es weiter gehen. Auch Kubrat Pulev will Wegner zum Weltmeister machen.

Warum der Mann, der schon lange Kultstatus unter Boxfans genießt, sich all das überhaupt noch antut? Warum er noch immer mit hochrotem Kopf in der Ecke steht? Ganz einfach: Weil es das ist, was er liebt. Weil er als manischer Grübler noch kein bisschen müde ist und noch immer mitten in der Nacht im Hobby-Keller sitzt oder seine Frau im Ehebett hochschrecken lässt, um zum 500. Mal den nächsten Gegner von einem "seiner Jungs" zu analysieren. Weil er Ulli Wegner ist.

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