Phil Taylor geht in seine letzte Darts-WM im Alexandra Palace in London (Ab Donnerstag live auf DAZN) - als 16-facher Weltmeister logischerweise als Mitfavorit. Im Interview spricht The Power über die Nachteile auf der Tour, Wünsche für die letzte WM und die Zeit nach der Karriere.
SPOX: Herr Taylor, Sie gehen in die letzten Tage als professioneller Darts-Spieler. Verdrängen Sie den Gedanken daran noch, um sich auf die letzte große Aufgabe zu konzentrieren oder überwiegt die Vorfreude aufs Karriereende?
Phil Taylor: Natürlich denke ich darüber nach, jeden Tag. Den Gedanken kann ich gar nicht verdrängen. Allerdings stimmt es nicht ganz, dass ich als Profi aufhöre. Ich werde immer noch ein professioneller Darts-Spieler sein, aber ich werde andere Aufgaben haben. Ich werde nach meinem offiziellen Karriereende noch genauso hart arbeiten wie jetzt.
SPOX: Wie genau muss man sich das vorstellen?
Taylor: Es wird eine andere Art von Arbeit. Ich werde viel Promotion machen, weiterhin viel reisen. Es geht um persönliche Auftritte, After Dinners, Exhibitions, wohltätige Arbeit, Sponsoren-Arbeit, Autogrammstunden und Meet and Greets - es wird eine ganz andere Erfahrung. Aber für mich ist bei all dem vor allem eines wichtig: Es gibt keinen Druck.
SPOX: Könnten Sie sich auch vorstellen, wie etwa Wayne Mardle oder Rod Harrington als Experte für das Fernsehen zu arbeiten?
Taylor: Nein, ich sehe mich nicht als TV-Experte. Davon gehe ich nicht aus. (schmunzelt)
spoxSPOX: Was werden Sie ab dem kommenden Jahr am meisten vermissen?
Taylor: Ich werde es kein bisschen vermissen. Mir geht es sehr gut. Viele Sportler sagen zu mir, dass ich es vermissen werde. Aber das werde ich nicht. Ich habe 30 Jahre lang gespielt. Das ist genug.
SPOX: In diesen 30 Jahren haben Sie unzählige bedeutende Momente erlebt - viele Titel, große Siege, bittere Niederlagen. Gibt es etwas, was Sie im Rückblick bereuen?
Taylor: (überlegt) Ich habe zu viel für den Sport geopfert. Ich habe immer 100 Prozent gegeben und dabei einiges auf der Strecke gelassen. Das war es wert, aber irgendwann kannst du das nicht mehr. Vor allem bereue ich jedoch die bitteren Niederlagen.
SPOX: Haben Sie spezielle Matches im Sinn?
Taylor: Zuerst denke ich da an die Weltmeisterschaft im letzten Jahr. Ich hätte das Match gegen Barney nie verlieren dürfen. Nicht in einer Million Jahren hätte ich dieses Spiel verlieren dürfen, aber ich habe es verloren. Beim WM-Finale 2003 gegen John Part habe ich auch das Gefühl, dass ich es niemals hätte verlieren dürfen.
SPOX: Ein klarer Fokus auf der WM...
Taylor: Ja, klar. Es ist das größte Turnier der Welt. Die Niederlagen dort waren immer die, bei denen es besonders hart war, sie zu verdauen.
SPOX: Im nächsten Jahr werden Sie erstmals nicht mehr mit dabei sein, wenn im Ally Pally die Darts fliegen. Sehen Sie in den kommenden Jahren nach Ihrem Karriereende eine noch deutlichere Dominanz von Michael van Gerwen als zuletzt?
Taylor: Nein, sehe ich nicht. Es haben schon jetzt einige neue Gesichter den Durchbruch geschafft. Und ich denke, bei Michael werden die vielen Reisen, die viele Zeit, die er weg von seiner jungen Familie zu Hause ist, ihren Tribut fordern. Ich glaube, das fordert schon jetzt seinen Tribut. Außerdem hatte er schon in diesem Jahr Rückenprobleme aufgrund seiner Spielweise. Das wird schlimmer werden, je älter er wird. Er ist wahrscheinlich einer der besten Spieler, die ich je gesehen habe. Aber wird er für eine lange, lange Zeit auf diesem Niveau spielen? Nein. Und ich denke, das will er auch nicht.
SPOX: Wen sehen Sie als seine größten Konkurrenten in den nächsten Jahren?
Taylor: Ich weiß es nicht. Es gibt einen jungen Burschen aus Australien, den ich sehr schätze: Corey Cadby. Er hat das Zeug dazu, ein weiterer Michael zu werden. Aber wer sonst so oben mitspielen wird? Wir werden sehen.
SPOX: Wenn Sie Stand jetzt die zehn Premier-League-Teilnehmer für das kommende Jahr bestimmen könnten, welche wären das?
Taylor: Es ist immer schwierig, weil sich die Dinge mit der WM auch ändern können. Aber natürlich sind die üblichen Verdächtigen dabei: Peter Wright, Michael van Gerwen, Gary Anderson. Ich bin nicht sicher, ob es James Wade in diesem Jahr schaffen wird, da bin ich ganz ehrlich. Auch bei Adrian Lewis weiß ich es nicht sicher. Barney wird wahrscheinlich dabei sein, aber auch für ihn wird es eng. Ich denke, es wird auch Zeit für ein paar neue Gesichter in der Premier League. Eine Halle mit 10.000 Menschen zu füllen, ist nicht so einfach. Wenn ich aufhöre, wird es schwierig für die PDC. Das glaube ich wirklich.
SPOX: Die Welt erlebt seit Jahren einen riesigen Darts-Boom. An welchem Punkt in Ihrer Karriere haben Sie gemerkt, dass es der Sport jetzt schafft, diesen Schritt zum Massenphänomen zu machen?
Taylor: Als meine Preisgelder explodiert sind. (lacht) Ich bin glücklich mit der Entwicklung. Ich kann einen Strich unter meine Karriere machen und nun meinen eigenen Weg gehen. Ich freue mich sehr auf das nächste Jahr und darauf, andere Dinge zu machen.
SPOX: Und zwar?
Taylor: Wir machen Urlaub in Australien und Neuseeland im nächsten Jahr. Ich habe die Chance, dort Tennis und Cricket zu schauen. Ich kann mich endlich Dingen widmen, für die ich bislang einfach nie die Zeit hatte.
SPOX: Genau das war in den letzten Jahren für Sie auch die größte Schattenseite auf der Tour.
Taylor: Auf jeden Fall. Der Kalender ist zu voll. Es sind zu viele Turniere. Sieben Tage, jede einzelne Woche. Das konnte ich in meinem Alter einfach nicht mehr leisten. Das Reisen, die späten Nächte, die frühen Morgen, Flugzeuge, Flugzeuge, Flugzeuge, Hotels, Hotels, Hotels. Das Leben zieht an einem vorbei. Aber ich bin 57 Jahre alt. Ich kann das nicht mehr. Barry Hearn denkt, ich bin 27 und soll weitermachen. (lacht) Aber Nein, meine Entscheidung stand lange fest.
SPOX: In diesem Jahr ist die World Series of Darts durch das Event in Düsseldorf erstmals nach Deutschland gekommen. Im nächsten Jahr wird die Premier League mit einem Spieltag in Berlin nach Deutschland kommen. Wie bewerten Sie die Entwicklung Deutschlands als Darts-Standort?
Taylor: Deutschland ist fantastisch. Aber jetzt müssen sich auch einige Ihrer Spieler weiterentwickeln. Ich denke, Max Hopp muss den nächsten Schritt machen. Er ist ein junger, dynamischer, talentierter Spieler und ein netter Mensch. Vielleicht etwas zu nett, um ehrlich zu sein. Wenn du mit Max trainierst, ist er ein viel besserer Spieler als auf der Bühne. Das wird er Ihnen auch selbst bestätigen. Er muss dieses Spiel nun auch auf die Bühne bringen. Und ich denke, das wird mit steigender Erfahrung auch kommen. Er gehört zu den Spielern, die ich für die Premier League nominieren würde. Warum nicht?
SPOX: Wie kann er daran arbeiten, diesen Schritt zu machen?
Taylor: Er hat auf jeden Fall das Zeug dazu, sich weiterzuentwickeln. Er hat das Talent. Nun muss er seinen Kopf in den Griff bekommen. Wenn er das schafft, kommt alles andere von selbst.
SPOX: Mit der WM im Ally Pally steht nun Ihr letztes großes Turnier an. Spüren Sie mehr Druck als in den letzten Jahren oder weniger?
Taylor: Es ist weniger Druck, auf jeden Fall weniger. Ich gehe in das Turnier und will es einfach nur genießen. Wenn ich es gewinne, ist es wunderbar. Wenn ich es nicht gewinne, ist es auch nicht so schlimm. Wenn ich in der ersten Runde ausscheide, macht es keinen großen Unterschied. Ich spüre überhaupt keinen Druck.
SPOX: Aber es hätte schon etwas von einem Sportmärchen...
Taylor: Keine Frage. Natürlich würde ich es lieben, die WM noch einmal zu gewinnen. Ein letztes Mal. Und ich würde es lieben, von der Bühne zu gehen, während Coldplay "I used to rule the world" singen (aus dem Song "Viva la vida", Anm. d. Red.), zu winken und Bye Bye zu sagen. Das wäre wunderbar.
SPOX: Wer wäre Ihr persönlicher Wunschgegner in Ihrem letzten WM-Finale?
Taylor: Im Finale? Barney! Das wäre brillant. Ihm ein letztes Mal als Sieger die Hand zu geben und zu sagen: "Well done".