Harold Kreis schaute sich suchend um. "Jesus? Wir haben keinen Jesus", sagte der Eishockey-Bundestrainer lachend, "wir haben eine ehrliche, hart arbeitende Mannschaft." Beim WM-Evergreen gegen die Schweiz sind diesmal sogar überirdische Kräfte am Werk - zumindest beim Gegner.
Denn mit seinem Starverteidiger Roman Josi, der laut heimischer Medien angeblich "über das Eis schreitet wie Jesus über das Wasser", ist der ewige Rivale noch prominenter besetzt als in den vergangenen Jahren, als er als Favorit immer wieder an den Deutschen scheiterte.
Am Donnerstag (16.20 Uhr) gibt es im WM-Viertelfinale in Ostrava die nächste Auflage. Und diesmal, so der Tenor in der Schweiz, ist der "Vorrunden-Weltmeister" mit all seiner NHL-Prominenz doch eigentlich auch vom nervenden Nachbarn nicht zu schlagen. Mehr Favorit war nie. "Wenn die das so sehen, nehme ich die Rolle gerne an", meinte Kreis schmunzelnd.
Eishockey-WM: "Das ist ja auch das Öl im Feuer"
Die jüngste Vergangenheit hat jedoch bewiesen: Wenn es um alles oder nichts geht, versagten den Schweizern stets die Nerven - beim 1:3 im letztjährigen Viertelfinale ebenso wie beim 2:3 nach Penaltyschießen 2021, oder beim 1:2 nach Verlängerung in der ersten K.o.-Runde bei Olympia 2018 und dem 0:1 im WM-Viertelfinale 2010. Immer stieß die deutsche Mannschaft unter die besten Vier vor, schnappte sich zweimal sogar Silber.
"Die Geschichten der letzten Jahre kann man ja nicht wegmachen", sagte Kapitän Moritz Müller, "das ist ja auch das Öl im Feuer." Ob sein Team noch ein bisschen mehr zündelt vor dem ohnehin hitzigen Duell, wollte der 37-Jährige (noch) nicht verraten. "Nee", antwortete er, breit grinsend, auf die Frage nach neuen "Mind Games".
Im Vorjahr hatten die späteren Vizeweltmeister als "Eindringling" in Riga "das Kriegsbeil ausgegraben", wie Müller später erzählte. Der Team-Physio stellte die Lautsprecherbox vor die Schweizer Kabine und legte türkische Musik auf - "in einer Lautstärke, da hat man bei den Schweizern nur die Tür knallen gehört". Für die Aktivierung vor dem Spiel hatten sich beide Teams denselben kleinen Park ausgesucht - die Deutschen spielten lautstark Fußball, die Schweizer spazierten still drumherum.
Eishockey-WM: "Es muss eklig sein für die"
Diesmal sind Müller und Co. nach WM-Torrekord in der Vorrunde, aber ohne ihren besten Verteidiger Moritz Seider das "Heimteam", das seit zwei Wochen in Ostrava wohnt und spielt - und die Schweizer reisen aus Prag an. "Es ist ein relativ großer Vorteil, dass wir hier in unserer Kabine bleiben, unser gewohntes Umfeld behalten und mit der Halle vertraut sind", meinte Torjäger John-Jason Peterka.
Gewohnt sind die Vizeweltmeister auch das "Softeis" in der Ostravar Arena, das schnelles, präzises Kombinationsspiel deutlich erschwert. "Für die Mannschaft, die viel die Scheibe hat, ist das frustrierend", sagte Nico Sturm und mutmaßte, dass dies eher die Schweizer sein werden. Dieses Gefühl müsse sein Team noch verstärken: "Es muss eklig sein für die."
Dann könnte wieder der Sprung unter die Top Vier gelingen - und die Reise nach Prag. "Da", sagte Dominik Kahun, "wollen wir alle hin, das ist das große Ziel." Auch Sturm hofft, dass die Saison nach langer, enttäuschender NHL-Spielzeit "noch vier Tage dauert, ich werde alles aus meinem Tank rausholen, was noch da ist".
Eishockey WM: Die Spiele am Donnerstag (23. Mai) auf einen Blick
Datum | Uhrzeit | Team 1 | Team 2 |
Do., 23. Mai | 16.20 Uhr | Kanada | Slowakei |
Do., 23. Mai | 16.20 Uhr | Schweiz | Deutschland |
Do., 23. Mai | 20.20 Uhr | Schweden | Finnland |
Do., 23. Mai | 20.20 Uhr | USA | Tschechien |