Außerdem erklärt Kosicke, was Klopp als Trainer so besonders macht und wieso sogar politische Parteien und Dax-Konzerne an seine Tür klopfen. Aus dem Gespräch wird aber auch klar, wieso der Liverpool-Trainer eben nicht allgegenwärtig ist, sondern sich auch mit Bier und Paddle-Tennis zufriedengibt - wie ein stinknormaler Mensch.
Herr Kosicke, Sie sind seit einigen Jahren der Berater von Jürgen Klopp. Wie kam es dazu?
Marc Kosicke: Ich war lange bei adidas, später bei Nike. Irgendwann kam Jürgen mit seinem damaligen Anwalt zu uns ins Büro. Nach einigen Verhandlungen ist er dann Markenbotschafter von Nike geworden, 2003 war das. 2007 habe ich dann entschieden, mich selbstständig zu machen. Allerdings hatte ich Jürgen dabei gar nicht so sehr im Auge. Ich weiß noch, wie ich mich von ihm verabschiedet und gesagt habe: 'Ich werde jetzt auch so ein schmieriger Berater.' Dann meinte er: 'Wie? Ich brauche einen, du hast mir bei Nike ja nie Geld gegeben. Da wird's Zeit, dass du mir das wieder reinholst.' So haben wir uns relativ schnell zur Zusammenarbeit entschlossen. (lacht)
Als Jürgen Klopps Frau Kosicke unter Druck setzte
Inzwischen betreuen Sie zahlreiche Trainer wie beispielsweise Florian Kohfeldt, Sandro Schwarz oder Julian Nagelsmann. Gewissermaßen haben Sie diese Nische damit selbst erfunden.
Kosicke: Ich habe mich auf jeden Fall bewusst darauf fokussiert, da ich immer dachte: Diejenigen, die im Fußball die größte Verantwortung tragen, bekommen am wenigsten externe Unterstützung. Jeder Spieler hat einen Berater oder ein Management, wohingegen die Trainer da recht einsam unterwegs sind - insbesondere bei Misserfolg. Ich fand es damals spannend, mit erwachsenen Menschen, die teilweise genauso wie ich Väter sind, zusammenzuarbeiten. Für viele Vereine war das anfangs neu, aber mittlerweile hat sich das ganz gut etabliert.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Kosicke: Ich habe keinen Alltag im herkömmlichen Sinne, das nervt dann teilweise meine Frau. Keine Woche ist gleich und sie kann sich nie auf etwas einstellen. Am Anfang bestand die Arbeit vor allem aus Klinkenputzen. Die erste Entscheidung, die Jürgen und ich getroffen haben, war, bei Mainz 05 aufzuhören. Die zweite Entscheidung war, den Expertenjob beim ZDF zu beenden. Das hat Jürgens Frau Ulla gar nicht gefallen. Ich werde nie vergessen, wie sie mit einem Pizzakarton in der Hand dastand und meinte: 'Kosicke, du hast jetzt aber verdammten Druck. Du hast gerade die beiden Einnahmequellen unserer Familie gekillt.' (lacht) Jürgen hatte zu dem Zeitpunkt ja noch nichts Neues.
Wie sind Sie damals weiter vorgegangen?
Kosicke: Es ging in erster Linie darum, den Entscheidern im Fußball näher zu bringen, dass Jürgen nicht nur ein emotionaler Motivator, sondern auch ein akribischer Arbeiter und unglaublich guter Trainer ist. Das ging bei seiner Popularität ein bisschen unter. Letztlich lagen dann einige gute Angebote für ihn auf dem Tisch, er hatte nach Mainz quasi die freie Wahl. Dass er sich für Dortmund entschieden hat, war nicht ganz dumm.
Marc Kosicke über Anfragen für Jürgen Klopp: Dax-Konzerne, Parteien und Co.
Heutzutage gilt Klopp als Trainer von Weltformat. Wie gehen Sie mit den zahlreichen Medienanfragen an ihn um?
Kosicke: Das ist auf mehrere Schultern verteilt. Mediendirektor Matt McCann ist für alle Anfragen zuständig, die den FC Liverpool betreffen. Um deutsche Anfragen kümmert sich aus alter Verbundenheit immer noch der ehemalige BVB-Pressesprecher Josef Schneck. Josef hat immer noch seine alte BVB-Email-Adresse, da wird meist erstmal blöd geguckt, wenn man eine Anfrage an den Trainer von Liverpool zu jemandem schicken muss, dessen Adresse auf bvb.de endet. (lacht) Seit Jürgen in Liverpool ist, sind die Presseanfragen aber nicht mehr zu handhaben. Es gibt auch ohne Ende Marketinganfragen oder welche für gesellschaftlich relevante Zwecke oder Talkshows. Selbst politische Parteien wollen etwas von ihm. Wenn Jürgen wollte, wäre er allgegenwärtig. Er fokussiert sich aber schon sehr auf seinen Job als Trainer.
Auch aus der Wirtschaft kommen viele Anfragen. Was genau fasziniert denn die Bosse dort an jemandem, der aus dem Sport kommt?
Kosicke: Das Thema Führung ist eines, das jeden Manager bei Dax-Konzernen oder mittelständischen Unternehmen umtreibt. Die Menschen verändern sich, früher wurde das Thema Führung vielleicht ein bisschen diktatorischer gehandhabt als heute. Mittlerweile fragt man sich, wie man es schafft, ein gutes Klima in einem Team zu kreieren, das maximal leistungsfördernd ist. Jürgen ist diesbezüglich für viele ein Vorbild. Er führt eine Mannschaft, die aus verschiedensten Nationalitäten und soziokulturellen Hintergründen besteht und noch sehr jung ist. Auf der anderen Seite transportiert er ein gewisses Image des Klubs nach außen.
Wie meinen Sie das konkret?
Kosicke: Jürgen interessiert nicht nur der Sieg am nächsten Samstag. Ihm geht es auch darum, wie der Klub wahrgenommen wird und dass jeder ein gutes Arbeitsumfeld vorfindet. Die Freude an der täglichen Arbeit ist dafür die Grundvoraussetzung. Er sagt immer: Wenn wir schon hier sind, dann geben wir auch 100 Prozent. Daher glaube ich, dass es dieser Mix ist. Ohne daran kaputt zu gehen, dass seine Arbeit täglich öffentlich bewertet wird. Das hat ja ein CEO von einem Dax-Vorstand nicht, der wird nach Quartalszahlen beurteilt. Dass aber jeden Tag über dich geschrieben wird, wie du arbeitest, wie du aussiehst und er das dann trotzdem so gut hinbekommt, gerade das reizt die Führungspersönlichkeiten aus den Unternehmen an ihm.
Marc Kosicke erzählt von Vertragsverhandlungen mit Liverpool
Es heißt, dass Klopp bei den Verhandlungen mit Liverpool in New York aus dem Raum ging und Sie zurückließ, als es ums Gehalt ging. Wie lief das genau ab?
Kosicke: Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Wenn es ums Gehalt geht, sind Trainer eigentlich nie dabei. Die Stimmung zwischen Trainer und Verein sollte gut sein und bleiben. Deshalb ist es sinnvoll, wenn man einen Puffer hat. Für die Amerikaner war es sehr ungewöhnlich, dass Jürgen sagte: 'Achso, jetzt geht's ums Geld - dann gehe ich mal im Central Park spazieren.' Er hat sich an dem Tag bestimmt zehn Kappen gekauft, weil er unerkannt bleiben musste und die Verhandlungen ein bisschen länger dauerten. Es kamen dann immer wieder SMS von ihm, wie es denn aussähe, wann das mal ein Ende nehme und so weiter. Jetlag hatten wir ja auch noch. Am Ende sind alle im Raum aufgestanden und jeder dachte: Wir haben gewonnen. Die einen hatten den Trainer, den sie wollten und wir wurden dafür angemessen bezahlt.