Während er als Kind zum Bayern-Anhänger erzogen wurde, drückt er heute Arminia Bielefeld die Daumen und hegt dank des Videospiels "Fußballmanager" Sympathien für Nottingham Forest.
Im Interview mit SPOX und GOAL erklärt Hotz, wieso man sich mit Witzen über den Fußball zurückhalten sollte. Zudem verrät er, was ihm an der Debatte um Joshua Kimmichs Impfstatus sauer aufstieß, warum "Die Mannschaft" nicht die Schuld am Imageproblem des DFB trägt und weshalb ein individueller Boykott der WM in Katar nicht zielführend ist.
Herr Hotz, wie viele Vereine darf ein Mensch haben?
Sebastian Hotz: Ich glaube, dass eine starke Vereinsfixierung ein bisschen langweilig ist. Ich würde sagen, zwölf Vereine sind die Grenze.
Um mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gleichzuziehen, der neben dem FC Bayern auch Arminia Bielefeld und Tennis Borussia die Daumen drückt, fehlt Ihnen noch ein Klub. Besorgen Sie sich in Ihrer neuen Heimat Berlin bald einen Drittverein?
Hotz: Nein, ich finde die Berliner Vereine alle ein bisschen peinlich. Bei Hertha BSC muss man das nicht erklären und bei Union finde ich dieses Kultklub-Gehabe unendlich unangenehm. Auch in den unteren Ligen gibt es keinen Verein, der sich wirklich aufdrängt. Außerdem finde ich, dass Kevin Kühnert blöde Vereine gewählt hat. Bielefeld passt, aber wieso dann noch Bayern München? Ich konnte das verstehen, als die SPD noch bei 13 Prozent rumgekrebst ist und er Erfolgserlebnisse gebraucht hat, aber jetzt kann er doch darauf verzichten.
Als Kind haben Sie selbst in Bayern-Bettwäsche geschlafen, in ihrer Jugend wurde Ihnen der Rekordmeister peinlich. Wieso?
Hotz: Rückblickend würde ich die Veröffentlichung des Bastian-Schweinsteiger-Buchs von Martin Suter nennen, das habe ich damals vorhergesehen. Ansonsten waren die ausschlaggebenden Punkte Teenager-Hormone und dass ich so wenig mit meinem Vater assoziiert werden wollte, wie es geht. Wenn man dann zumindest beim Fußball stänkern kann, ist das ein ganz guter Weg, ohne dass es die Familie auseinandertreibt. Dazu kommen das Wegziehen, eine gewisse geistige Reife und auch ein bisschen Bock auf Leiden. Was ist es denn wert, Fußball zu schauen, wenn die Schmerzen entweder gar nicht existieren oder in einer Stärke wie etwa bei der Final-Niederlage in der Champions League? Ein durchgehender Schmerz ist da einfacher zu ertragen, finde ich.
Durch Ihr Studium in Bielefeld wurden Sie zum Arminia-Fan. Wann war der Moment, in dem Sie merkten, dass Sie Ihr Herz an den DSC verloren haben?
Hotz: Der erste Erweckungsmoment war, als feststand, dass ich nach Bielefeld ziehen würde. Der zweite, als ich das erste Mal auf der Alm ins Stadion gegangen bin. Das war unwahrscheinlich aufregender, als mit meiner Oma und meinem Vater auf der Couch vor dem Fernseher zu sitzen. Es war für mich auch unvorstellbar, dass echte Fußballer einfach in meinem EDEKA einkaufen gehen und Fabian Klos da rumläuft. Das sind Halbgötter, für mich gibt es keine größeren Promis als selbst den unbekanntesten Zweitligaspieler.
Union-Präsident Dirk Zingler erklärte zuletzt, Fußball bedeute bei den Köpenickern "Bier, Bratwurst, 90 Minuten Fußball". Passt vegane Wurst da nicht rein?
Hotz: Natürlich passt das. Fußball sollte so barrierefrei wie möglich stattfinden. Ich checke das nicht, auch Union Berlin geht es beim Catering nur darum, Geld einzunehmen - wieso sollten die denn keine vegane Bratwurst anbieten? Das ist so peinlich, unterm Senf sind wir doch alle gleich. Da will jemand auf Teufel komm raus ein Stammtischnicken für so ein Pseudo-Statement bekommen und damit tut man sogar den Stammtischen unrecht. Ich glaube, selbst in den finstersten Fußballkneipen hat man diesbezüglich eine bessere Meinung als der Präsident von Union Berlin.
Ekelt Sie das typische Fußball-Publikum manchmal an?
Hotz: Fußball ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Natürlich gibt es diese machohafte Art im Fußball ein bisschen offensiver. Deshalb den Fußballfan in eine Ecke zu stellen, macht natürlich aus einer komödiantischen Sicht Sinn, weil es ein mega-einfacher Gag ist, aber das muss nicht sein und das wäre auch falsch. Fußballfangruppen, gerade in unteren Ligen, sind eine sehr niedrigschwellige, aber präsente Art, antifaschistische Parolen unter die Leute zu bringen. Das wird ihnen - gerade von Twitter-Arschlöchern wie mir - viel zu selten angerechnet.
El Hotzo über sein Kindheitsidol Oliver Kahn
Sie spielten in Ihrer aktiven Zeit eine Zeit lang im Tor, Ihr Idol war Oliver Kahn. Wie sehen Sie ihn heute?
Hotz: Ich finde es ein wenig seltsam, dass er so seriös ist. Als er seine Karriere beendet hat, war er nicht der gesettelte ältere Herr, der er jetzt ist. Heute fügt er sich in seiner Farblosigkeit und Machtpolitik eins zu eins in den Bayern-Vorstand ein und das finde ich irritierend. Hätte mir 2006 jemand gesagt, dass Oliver Kahn einmal der Vernünftigere im Duell mit Jens Lehmann sein wird, hätte ich das nicht geglaubt.
Vermissen Sie heute sogenannte "echte Typen" wie Kahn?
Hotz: Nein, das ist eine leidige Diskussion, weil darüber vermutlich schon diskutiert wurde, als Mario Basler noch gespielt hat. Dass es immer weniger Typen gibt, die mit einem blutigen Turban auflaufen und sich mit Aluminiumstollen den Oberschenkel aufschlitzen lassen, ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die zu begrüßen ist. Auch diese Typen-Debatte bei Borussia Dortmund halte ich für sinnbefreit. Was soll es denn bringen, wenn sie jetzt noch einen van Bommel in der Mannschaft haben, der seine Mitspieler auf dem Platz anschreit? Echte Typen werden im Nachhinein auch immer hochstilisiert. Während seiner aktiven Zeit hat man Bastian Schweinsteiger gerade in jungen Jahren als diesen Schönling betrachtet, der sich nur um seine Frisur kümmert. Jetzt ist er auf einmal ein wahrer Leader, weil er im WM-Finale einen Cut im Gesicht hatte. Diese Diskussion wird nur von alten Fußball-Legenden geführt, damit man bloß nicht vergisst, wie toll sie waren.
Hinter den Accounts der Profis stehen oft PR-Agenturen, die Posts sind meist eine Ansammlung von Floskeln. Wessen Auftritt sehen Sie sich als Social-Media-Profi dennoch gerne an?
Hotz: Ich habe bemerkt, dass Leon Goretzka viel macht und man sieht einfach, dass er hinter der PR-Fassade halt auch einfach nur ein 26-jähriger ist. Kürzlich war er zum Beispiel im Schwimmbad und hat geplantscht. Dieser Übergang von perfekt designter Story-Kachel zu einem Video mit der Caption "Plantschen" - da muss es irgendwas dazwischen geben. Ansonsten gibt es heute nicht mehr so viele coole Accounts. Fündig wird man da vor allem noch bei irgendwelchen Altstars ohne Social Media-Management, die auch gerne mal nachts in Rage irgendwelche SportBild-Redakteure beleidigen. Grüße an Stefan Effenberg an dieser Stelle. Meistens sind die Accounts über Fußball aber interessanter als die der Fußballer selbst, zum Beispiel @belaliga auf Instagram.
Auf Twitter sind nicht nur Internet-Clowns wie Sie zu finden, auch Transferexperten haben die Plattform für sich entdeckt und mit eigenen Catchphrases eine riesige Community aufgebaut. Wie beobachten Sie die Entwicklung rund um "Mr. True", Fabrizio Romano und Co.?
Hotz: Ich finde das richtig gut, weil es den Mittelsmann rausschneidet. Für Fußballredaktionen ist es vermutlich schlimm, dass man jetzt auch direkten Zugriff auf die wirklich letzte Transfernews hat. Ich bin großer Fan davon und finde auch die Selbstdarstellung gut - warum sind es eigentlich immer italienische Sportjournalisten? Ich möchte jedenfalls, dass das noch schlimmer wird und aus Unterhaltungszwecken wünsche ich mir eine dritte Transferperiode.
Romano verkündete zuletzt sogar den Transfer von Ricardo Pepi zum FC Augsburg auf den offiziellen Klubkanälen. Halten Sie diese Nähe zu Vereinen und auch Beratern nicht für problematisch?
Hotz: Natürlich ist das problematisch, aber das wird man mit einem Verbot nicht einfach so kippen können. Es sind auch nicht immer die Berater das Problem, sondern oft auch Väter oder andere Familienangehörige, die diese Rolle übernehmen. Dass große Berater wie Mino Raiola einen Legendenstatus haben, ist auch kein neues Phänomen. Franz Beckenbauer hatte schon einen Agenten, der immer auf seinen Anteil von 20 Prozent gepocht und den Wechsel zu New York Cosmos eingetütet hat. Das lässt sich nicht verhindern und ich merke selbst, dass es ganz gut ist, ein Management zu haben, wenn man sich überhaupt nicht mit vertraglichen Angelegenheiten auskennt. Die unfassbaren Summen, die im Umlauf sind, locken jedoch sehr unseriöse Charaktere an. Gerade bei jungen Spielern aus Afrika oder Südamerika hat das oft etwas von Menschenhandel, woran zuallererst die Vereine schuld sind.