Unter dem Pseudonym "El Hotzo" postet Sebastian Hotz satirische Beiträge auf Twitter sowie Instagram und baute sich damit eine Followerschaft von über eine Million Menschen auf. Daneben ist der 26-Jährige, der unter anderem als Autor für die TV-Sendung "ZDF Magazin Royale" arbeitet, jedoch auch leidenschaftlicher Fußballfan.
Während er als Kind zum Bayern-Anhänger erzogen wurde, drückt er heute Arminia Bielefeld die Daumen und hegt dank des Videospiels "Fußballmanager" Sympathien für Nottingham Forest.
Im Interview mit SPOX und GOAL erklärt Hotz, wieso man sich mit Witzen über den Fußball zurückhalten sollte. Zudem verrät er, was ihm an der Debatte um Joshua Kimmichs Impfstatus sauer aufstieß, warum "Die Mannschaft" nicht die Schuld am Imageproblem des DFB trägt und weshalb ein individueller Boykott der WM in Katar nicht zielführend ist.
Herr Hotz, wie viele Vereine darf ein Mensch haben?
Sebastian Hotz: Ich glaube, dass eine starke Vereinsfixierung ein bisschen langweilig ist. Ich würde sagen, zwölf Vereine sind die Grenze.
Um mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gleichzuziehen, der neben dem FC Bayern auch Arminia Bielefeld und Tennis Borussia die Daumen drückt, fehlt Ihnen noch ein Klub. Besorgen Sie sich in Ihrer neuen Heimat Berlin bald einen Drittverein?
Hotz: Nein, ich finde die Berliner Vereine alle ein bisschen peinlich. Bei Hertha BSC muss man das nicht erklären und bei Union finde ich dieses Kultklub-Gehabe unendlich unangenehm. Auch in den unteren Ligen gibt es keinen Verein, der sich wirklich aufdrängt. Außerdem finde ich, dass Kevin Kühnert blöde Vereine gewählt hat. Bielefeld passt, aber wieso dann noch Bayern München? Ich konnte das verstehen, als die SPD noch bei 13 Prozent rumgekrebst ist und er Erfolgserlebnisse gebraucht hat, aber jetzt kann er doch darauf verzichten.
Diana PfammatterAls Kind haben Sie selbst in Bayern-Bettwäsche geschlafen, in ihrer Jugend wurde Ihnen der Rekordmeister peinlich. Wieso?
Hotz: Rückblickend würde ich die Veröffentlichung des Bastian-Schweinsteiger-Buchs von Martin Suter nennen, das habe ich damals vorhergesehen. Ansonsten waren die ausschlaggebenden Punkte Teenager-Hormone und dass ich so wenig mit meinem Vater assoziiert werden wollte, wie es geht. Wenn man dann zumindest beim Fußball stänkern kann, ist das ein ganz guter Weg, ohne dass es die Familie auseinandertreibt. Dazu kommen das Wegziehen, eine gewisse geistige Reife und auch ein bisschen Bock auf Leiden. Was ist es denn wert, Fußball zu schauen, wenn die Schmerzen entweder gar nicht existieren oder in einer Stärke wie etwa bei der Final-Niederlage in der Champions League? Ein durchgehender Schmerz ist da einfacher zu ertragen, finde ich.
Durch Ihr Studium in Bielefeld wurden Sie zum Arminia-Fan. Wann war der Moment, in dem Sie merkten, dass Sie Ihr Herz an den DSC verloren haben?
Hotz: Der erste Erweckungsmoment war, als feststand, dass ich nach Bielefeld ziehen würde. Der zweite, als ich das erste Mal auf der Alm ins Stadion gegangen bin. Das war unwahrscheinlich aufregender, als mit meiner Oma und meinem Vater auf der Couch vor dem Fernseher zu sitzen. Es war für mich auch unvorstellbar, dass echte Fußballer einfach in meinem EDEKA einkaufen gehen und Fabian Klos da rumläuft. Das sind Halbgötter, für mich gibt es keine größeren Promis als selbst den unbekanntesten Zweitligaspieler.
Union-Präsident Dirk Zingler erklärte zuletzt, Fußball bedeute bei den Köpenickern "Bier, Bratwurst, 90 Minuten Fußball". Passt vegane Wurst da nicht rein?
Hotz: Natürlich passt das. Fußball sollte so barrierefrei wie möglich stattfinden. Ich checke das nicht, auch Union Berlin geht es beim Catering nur darum, Geld einzunehmen - wieso sollten die denn keine vegane Bratwurst anbieten? Das ist so peinlich, unterm Senf sind wir doch alle gleich. Da will jemand auf Teufel komm raus ein Stammtischnicken für so ein Pseudo-Statement bekommen und damit tut man sogar den Stammtischen unrecht. Ich glaube, selbst in den finstersten Fußballkneipen hat man diesbezüglich eine bessere Meinung als der Präsident von Union Berlin.
Ekelt Sie das typische Fußball-Publikum manchmal an?
Hotz: Fußball ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Natürlich gibt es diese machohafte Art im Fußball ein bisschen offensiver. Deshalb den Fußballfan in eine Ecke zu stellen, macht natürlich aus einer komödiantischen Sicht Sinn, weil es ein mega-einfacher Gag ist, aber das muss nicht sein und das wäre auch falsch. Fußballfangruppen, gerade in unteren Ligen, sind eine sehr niedrigschwellige, aber präsente Art, antifaschistische Parolen unter die Leute zu bringen. Das wird ihnen - gerade von Twitter-Arschlöchern wie mir - viel zu selten angerechnet.
El Hotzo über sein Kindheitsidol Oliver Kahn
Sie spielten in Ihrer aktiven Zeit eine Zeit lang im Tor, Ihr Idol war Oliver Kahn. Wie sehen Sie ihn heute?
Hotz: Ich finde es ein wenig seltsam, dass er so seriös ist. Als er seine Karriere beendet hat, war er nicht der gesettelte ältere Herr, der er jetzt ist. Heute fügt er sich in seiner Farblosigkeit und Machtpolitik eins zu eins in den Bayern-Vorstand ein und das finde ich irritierend. Hätte mir 2006 jemand gesagt, dass Oliver Kahn einmal der Vernünftigere im Duell mit Jens Lehmann sein wird, hätte ich das nicht geglaubt.
Vermissen Sie heute sogenannte "echte Typen" wie Kahn?
Hotz: Nein, das ist eine leidige Diskussion, weil darüber vermutlich schon diskutiert wurde, als Mario Basler noch gespielt hat. Dass es immer weniger Typen gibt, die mit einem blutigen Turban auflaufen und sich mit Aluminiumstollen den Oberschenkel aufschlitzen lassen, ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die zu begrüßen ist. Auch diese Typen-Debatte bei Borussia Dortmund halte ich für sinnbefreit. Was soll es denn bringen, wenn sie jetzt noch einen van Bommel in der Mannschaft haben, der seine Mitspieler auf dem Platz anschreit? Echte Typen werden im Nachhinein auch immer hochstilisiert. Während seiner aktiven Zeit hat man Bastian Schweinsteiger gerade in jungen Jahren als diesen Schönling betrachtet, der sich nur um seine Frisur kümmert. Jetzt ist er auf einmal ein wahrer Leader, weil er im WM-Finale einen Cut im Gesicht hatte. Diese Diskussion wird nur von alten Fußball-Legenden geführt, damit man bloß nicht vergisst, wie toll sie waren.
Diana PfammatterHinter den Accounts der Profis stehen oft PR-Agenturen, die Posts sind meist eine Ansammlung von Floskeln. Wessen Auftritt sehen Sie sich als Social-Media-Profi dennoch gerne an?
Hotz: Ich habe bemerkt, dass Leon Goretzka viel macht und man sieht einfach, dass er hinter der PR-Fassade halt auch einfach nur ein 26-jähriger ist. Kürzlich war er zum Beispiel im Schwimmbad und hat geplantscht. Dieser Übergang von perfekt designter Story-Kachel zu einem Video mit der Caption "Plantschen" - da muss es irgendwas dazwischen geben. Ansonsten gibt es heute nicht mehr so viele coole Accounts. Fündig wird man da vor allem noch bei irgendwelchen Altstars ohne Social Media-Management, die auch gerne mal nachts in Rage irgendwelche SportBild-Redakteure beleidigen. Grüße an Stefan Effenberg an dieser Stelle. Meistens sind die Accounts über Fußball aber interessanter als die der Fußballer selbst, zum Beispiel @belaliga auf Instagram.
Auf Twitter sind nicht nur Internet-Clowns wie Sie zu finden, auch Transferexperten haben die Plattform für sich entdeckt und mit eigenen Catchphrases eine riesige Community aufgebaut. Wie beobachten Sie die Entwicklung rund um "Mr. True", Fabrizio Romano und Co.?
Hotz: Ich finde das richtig gut, weil es den Mittelsmann rausschneidet. Für Fußballredaktionen ist es vermutlich schlimm, dass man jetzt auch direkten Zugriff auf die wirklich letzte Transfernews hat. Ich bin großer Fan davon und finde auch die Selbstdarstellung gut - warum sind es eigentlich immer italienische Sportjournalisten? Ich möchte jedenfalls, dass das noch schlimmer wird und aus Unterhaltungszwecken wünsche ich mir eine dritte Transferperiode.
Romano verkündete zuletzt sogar den Transfer von Ricardo Pepi zum FC Augsburg auf den offiziellen Klubkanälen. Halten Sie diese Nähe zu Vereinen und auch Beratern nicht für problematisch?
Hotz: Natürlich ist das problematisch, aber das wird man mit einem Verbot nicht einfach so kippen können. Es sind auch nicht immer die Berater das Problem, sondern oft auch Väter oder andere Familienangehörige, die diese Rolle übernehmen. Dass große Berater wie Mino Raiola einen Legendenstatus haben, ist auch kein neues Phänomen. Franz Beckenbauer hatte schon einen Agenten, der immer auf seinen Anteil von 20 Prozent gepocht und den Wechsel zu New York Cosmos eingetütet hat. Das lässt sich nicht verhindern und ich merke selbst, dass es ganz gut ist, ein Management zu haben, wenn man sich überhaupt nicht mit vertraglichen Angelegenheiten auskennt. Die unfassbaren Summen, die im Umlauf sind, locken jedoch sehr unseriöse Charaktere an. Gerade bei jungen Spielern aus Afrika oder Südamerika hat das oft etwas von Menschenhandel, woran zuallererst die Vereine schuld sind.
Sie bezeichnen die WM 2002 als Ihr fußballerisches Erweckungserlebnis und verfolgten auch das Sommermärchen 2006 ekstatisch. Heute ist Ihre Beziehung zur Nationalmannschaft abgekühlt und es gibt nicht wenige, denen es genauso geht. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Hotz: Ich hätte es aus Selbstdarstellungsgründen gerne wieder als exklusives Merkmal, dass ich die Nationalelf nicht leiden kann. Ich glaube, bei mir kam das früher, weil ich mich abheben wollte. Das lag auch an einer frühen linken Politisierung und ergab nicht unbedingt Sinn. Dass sich Fans aus anderen Gründen vom DFB-Team abwenden, ergibt sich vor allem aus dem sportlichen Misserfolg und der schrecklichen Kommunikation. Ich glaube nicht, dass "Die Mannschaft" ein riesiger Fehler war. Das ist ein Branding, das jetzt vorgeschoben wird, weil man irgendwem die Schuld am Misserfolg geben muss. Wäre die Nationalmannschaft nach 2016 erfolgreich geblieben, hätte sie heute kein Imageproblem.
Von Greenpeace-Aktivisten in der Allianz-Arena über Regenbogenflaggen auf den Tribünen bis hin zu Goretzkas Herzchen-Torjubel in Richtung der ungarischen Hooligans: Die letzte EM war nicht gerade arm an politischer Symbolkraft. Wieso denken Sie, dass solche Debatten gerade jetzt im Fußball ankommen?
Hotz: Sie hätten viel früher ankommen können und sollen. Wenn wir vom Fußball als Spiegel der Gesellschaft ausgehen, bleibt gar nichts anderes übrig, als sich mit solchen Themen auseinandersetzen. Homo- und Transfeindlichkeit sind in Deutschland nach wie vor fest verankert, sowohl gesetzlich als auch gesellschaftlich, da bildet der Fußball keine Ausnahme. Es hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, wenn sich Deutschland bei der EM als großer LGBTQ-Verfechter inszeniert und irgendeine Arena mit den Regenbogenflaggen anstrahlt und im selben Sommer im Bundestag das diskriminierende Transsexuellengesetz nicht abgeschafft wird. Symbolpolitik ist ohne entsprechende Taten nutzlos, aber es ist natürlich auch einfach, das aus der Ferne zu kritisieren.
Fußball ist für viele ein Weg, den Problemen des Alltags zu entfliehen. Ist das überhaupt möglich, ohne politische Missstände ein Stück weit auszublenden?
Hotz: Es ist nicht der Job des Fußballs, die Projektionsfläche für Ignoranz zu sein. Ich finde, es ist längst an der Zeit, dass grundlegende gesellschaftliche Veränderungen wie die Tatsache, dass es schwule Männer gibt, auch im Fußball ankommen. Vielleicht muss man an dieser Stelle die Union-Berlin-Präsidenten dieser Welt dafür verantwortlich machen, dass es immer noch so ist. Fußball kann das nicht ausblenden und sich daneben stellen, weil er ein integraler Bestandteil von Millionen von Leben ist.
El Hotzo: "Kimmich hat einen großen Schaden angerichtet"
Der Fußball ist politisch wie selten zuvor. Sind das für jemanden, der mit politischer Satire sein Geld verdient, nicht ideale Arbeitsbedingungen?
Hotz: Ich finde, dass man nicht spitzfindig werden sollte, wenn es um ein Massenphänomen wie Fußball geht. Letztlich spielen in der Bundesliga oder auch bei internationalen Turnieren mittelständische Unternehmen gegeneinander. Dass die nicht zu den progressivsten Vereinigungen der Welt zählen, ist klar. Es lädt natürlich zu Pointen ein, aber man sollte mit dem einzelnen Fan nicht zu hart ins Gericht gehen, wenn er eine Sache unterstützt, die moralisch nicht einwandfrei ist.
Machen sich auf Ihren Social-Media-Kanälen deshalb auch so selten über Fußball lustig?
Hotz: Ich habe da schon lautere Töne angeschlagen und dafür zurecht Kritik kassiert, weil dieser Comedy-Generalverdacht, dass alle Fußballfans besoffene Macker-Arschlöcher seien, Blödsinn ist. Man sollte bei einer Volkssportart wie dem Fußball ein bisschen die Schnauze halten, auch weil Fußball-Comedy in Deutschland ein sehr breit besetztes Feld ist. Da ist schon jeder Gag gemacht worden, bevor ich ihn machen könnte.
Goretza lobten Sie vorhin. Seinen Kollegen Joshua Kimmich, mit dem er die Kampagne "We kick Corona" initiiert hat, bezeichneten Sie hingegen in der Diskussion um seinen Impfstatus als "Fußball-Wendler".
Hotz: Ich finde es bei Kimmich wie auch bei Novak Djokovic bewundernswert, dass man wegen so einer eigenartigen Überzeugung seine Karriere aufs Spiel setzt. Bei beiden wird es keinen langfristigen Schaden anrichten, aber Michael Wendler hat sich seine gesamte vielversprechende Karriere im deutschen Privatfernsehen zerstört. Ein seltsamer Kreis an Menschen, vielleicht gibt es dafür mal ein Reality-Format.
Auf Kimmich lastete ein enormer öffentlicher Druck und nach seiner Corona-Infektion reagierten einige mit Schadenfreude. Wieso hielten Sie die Häme für gerechtfertigt?
Hotz: Wir alle gehen seit zwei Jahren durch eine wirklich beschissene Zeit und die Impfung ist das beste Schutzmittel gegen eine Infektion. Wahrscheinlich ist es völlig egal, ob Kimmich geimpft ist oder nicht. Was mir so sauer aufstieß, war, dass Kimmich die größtmögliche Plattform im deutschen Fernsehen genutzt hat, um seine komplett unreflektierte und wissenschaftlich unbegründete Meinung zur Impfung auszuposaunen. Für die Behauptung, es gäbe keine Langzeitstudien, gibt es schlichtweg keine wissenschaftliche Grundlage. Damit hat Kimmich Wind in die Segel der Querdenker gegeben und einen großen Schaden angerichtet, der im krassen Gegensatz zu seinem vorherigen Engagement mit "We kick Corona" steht. Dass er sich dann infiziert und gemerkt hat, dass Corona keine einfache Erkältung ist, ist auf den ersten Blick witzig, da es die direkte Konsequenz seines eigenen Handelns ist. Ich denke nicht, dass Schadenfreude da grundsätzlich unangebracht ist.
Nach seiner Infektion zeigte sich Kimmich einsichtig und erklärte, sich impfen lassen zu wollen. Könnte er damit auch Fans zum Umdenken angeregt haben?
Hotz: Glaube ich nicht, das hat doch kein Mensch mehr mitbekommen.
Im November startet die Weltmeisterschaft in Katar, für die Angaben von Amnesty International zufolge 15.000 Menschen ihr Leben ließen. Werden Sie sich die Spiele ansehen?
Hotz: Ich bin kein Fan von individuellem Verzicht als Antwort auf systematische Probleme. Katar ist nicht die erste WM, die unter kruden Umständen zustande gekommen ist und dabei sogar Menschenleben gekostet hat. Schon während der WM 1978 herrschte in Argentinien eine Militärdiktatur und es hat keinen interessiert. Jetzt ist es wieder so weit, dass das Turnier in einem Land stattfindet, in dem Menschenrechte nicht gerade viel zählen. Das wird einen bleiernen Geschmack verursachen, wenn die Spiele im TV laufen. Ich könnte jetzt öffentlich erklären, dass ich sie mir deshalb nicht ansehen werde, aber wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, werde ich es wahrscheinlich trotzdem tun. Ich glaube auch nicht, dass der Verzicht von selbst vier oder fünf Millionen Menschen etwas daran ändern würde, dass diese Weltmeisterschaften stattfinden und dass Katar eine riesige Rolle im Fußball spielt. Dafür muss eine systematische Veränderung her wie bei allen anderen Problemen auch. Die WM nicht anzuschauen, bringt genauso viel, wie für den Klimaschutz eine Bambuszahnbürste zu kaufen.
Die Boykottaufrufe richten sich nicht nur an die Fans, sondern auch an die Mannschaften. Amnesty International hält dies jedoch für kontraproduktiv und fordert, die internationale Aufmerksamkeit der WM zu nutzen, um Reformen anzustoßen. Halten Sie einen solchen Wandel für realistisch?
Hotz: Nein, letztlich werden die größten Stars des Weltfußballs in Katar spielen und damit leider auch Menschenrechtsverletzungen sowie den Tod tausender Menschen legitimieren. Ich glaube nicht, dass sich dadurch systematisch irgendwas ändern wird. Die WM 2018 hat auch keine progressiven Kräfte in Russland befeuert. Auch der Boykott von Mannschaften wird nicht stattfinden. Niemand wird auf das Geld verzichten und niemand wird den Karriererückschritt in Kauf nehmen, den eine WM-Absage bedeuten würde. Die Akteure in den kleineren Mannschaften und auf der Ersatzbank können dafür auch nicht wahnsinnig viel. Wenn Neymar und Mbappe morgen verkünden, dass sie nicht teilnehmen werden, dann wird sich etwas bewegen. Werden sie aber nicht.
Auch der FC Bayern verteidigt sein Katar-Engagement mit dem Credo Veränderung durch Begegnung. Finden Sie das glaubwürdig?
Hotz: Das ist Bullshit. Es geht einzig und allein ums Geld. Der FC Bayern ist eine AG, Geld zu verdienen ist ihre einzige Verpflichtung. An dieses Konstrukt einen moralischen Anspruch zu haben, ist Fußballromantik, die heute nicht mehr in unsere Zeit passt. Wenn Bayern mit dem Geld den nächsten Star verpflichtet, wird die Katar-Kritik schnell vergessen. Die Initiative aus der Fangemeinschaft gegen das Katar-Sponsoring ist großartig, aber sie wird letztlich nicht so viel Gewicht haben wie die zig Millionen, die in den FC Bayern gepumpt werden.
El Hotzo: "Die Super League wird langfristig kommen"
Ihre Satire ist vor allem Kapitalismuskritik. Gleichzeitig beschäftigten Sie sich weiterhin leidenschaftlich mit dem Profifußball, der sich in den vergangenen Jahrzehnten wie kaum eine andere Branche kommerzialisiert hat. Wie halten Sie dieses Dilemma aus?
Hotz: Es nicht möglich, Fußball zu konsumieren, ohne dass er kapitalistisch geprägt ist. Ich kann auch kein Handy kaufen, ohne dass es unter ausbeuterischen Zuständen gebaut wurde. Natürlich könnte ich völlig ohne Konsum in meiner leeren Wohnung sitzen, aber selbst die wird von irgendeinem halbkriminellen Berliner Wohnkonzern vermietet. Wenn ich schon Teil dieser Gesellschaft bin, kann ich sie einerseits lauthals kritisieren, aber andererseits auch ein bisschen Spaß haben. Diesen Widerspruch muss man aushalten.
Diana PfammatterWäre eine Super League, wie sie im vergangenen Jahr krachend scheiterte, die logische Konsequenz dieser Entwicklung?
Hotz: Die Super League wird langfristig kommen. Keiner der großen Vereine, auch nicht der FC Bayern, hat Interesse daran, an 24 von 34 Spieltagen gegen irgendwelche internationalen No-Name-Mannschaften zu spielen. Das ist kein interessantes Vermarktungskonzept.
Wenn Sie es sich mit dem Wissen von heute aussuchen könnten, würden Sie nochmal Fußballfan werden?
Hotz: Fußball ist saumäßig unterhaltsam und jeder andere Massensport hat ähnliche Strukturen. Erst vorgestern wurde mir bewusst, wie die Teams im Basketball heißen. Wenn dich Sport interessiert, musst du zwangsläufig mit den Geldgebern dahinter auskommen. Ich würde mir auf jeden Fall nochmal den Fußball aussuchen, weil ich durch ihn unheimlich viel in meinem Leben gewonnen habe. Nicht an Trophäen, aber an Freundschaften und schönen Nachmittagen. Mein Datumsgedächtnis funktioniert einzig und allein durch Fußballspiele. Ich weiß, dass ich mir das Innenband im Knie an dem Tag gerissen habe, als Bayern 2010 gegen Lyon im Halbfinale der Champions League gespielt hat. Fußball ist so ein integraler Bestandteil meines Lebens, dass ich ihn trotz all der kritischen Hinterfragung nicht loswerden will.