Peter Peters hat sich lange Hoffnung auf das Amt des DFB-Präsidenten gemacht, doch inzwischen verweigern ihm sogar immer mehr Profiklubs die Unterstützung. Die Gründe liegen vor allem in seiner Vergangenheit. Hoffnung macht immerhin Franz Beckenbauer. Die Fußball-Kolumne.
In einer Woche herrscht endlich Klarheit. Auf den Tag genau zehn Monate, nachdem Fritz Keller seinen Rücktritt ankündigte, wird der DFB wieder einen Präsidenten haben.
Obwohl in dieser Zeit die beiden Vize-Präsidenten Rainer Koch (Amateure) und bis vor kurzem Peter Peters (Profis) kommissarisch an der Spitze standen, taumelte der größte Sportverband der Welt von einer Krise in die nächste - auch weil die langjährigen Topfunktionäre in aller Öffentlichkeit gegeneinander statt miteinander agierten.
Beinahe sinnbildlich für die desolate Lage steht die erneute Hausdurchsuchung in der DFB-Zentrale durch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue am Donnerstag - bereits die dritte Razzia in der Otto-Fleck-Schneise seit Oktober 2020.
Während sich der bayerische Landesverbandsboss Koch nun als Konsequenz der massiven Kritik an den chaotischen Zuständen der vergangenen Monate und seinem Anteil daran zumindest aus dem geschäftsführenden Präsidialausschuss zurückziehen wird und nur noch als einfaches Präsidiumsmitglied kandidiert, sieht sich Peters zu Höherem berufen.
spoxDFB-Präsidentenwahl: "Keine Chance" für Peter Peters
Der von seinem Landesverband Westfalen vorgeschlagene und von der DFL unterstützte Ex-Schalker kämpft gegen den vom Amateurlager nominierten Bernd Neuendorf auf dem Bundestag in Bonn um die DFB-Präsidentschaft. Allerdings gilt er als klarer Außenseiter gegen den Präsidenten des Landesverbands Mittelrhein. "Peters hat keine Chance", sagen Insider einmütig.
Daher fragt sich mancher, wieso der 59-Jährige das Risiko eingeht, am Ende als Verlierer dazustehen. "Eigentlich zieht er in keinen Kampf, den er nicht gewinnen kann", sagt einer, der jahrelang bei Schalke mit ihm zusammengearbeitet hat.
So schrieb sportschau.de vor einem Jahr, als Peters als deutscher Vertreter in den FIFA-Rat gewählt worden war: "Der Funktionär aus der Eifel, der das Ruhrgebiet liebt, ist mehrheitsfähig, weil er ein Gespür dafür hat, immer bei der Mehrheit zu sein."
Peter Peters: Fast keine Unterstützung aus dem Amateurlager
Doch danach sieht es aktuell nicht mehr aus. Das Lager der Amateurvertreter, das rund zwei Drittel der 261 stimmberechtigten Teilnehmer stellt, steht weitgehend geschlossen hinter seinem Favoriten Neuendorf. Unterstützung kann der in Dortmund lebende Peters neben den Westfalen von den beiden hessischen Delegierten Silke Sinning und Ralf Viktora erwarten, die Peters als neue Vizepräsidentin Amateure bzw. als Schatzmeister in sein Team berufen hat.
Andere Landesverbände, die zeitweise als Wackelkandidaten galten, sind dagegen wieder von Peters abgerückt. So berichtete der ehemalige DFB-Vizepräsident und Ex-Präsident des niedersächsischen Verbandes, Karl Rothmund, dass sein Nachfolger in beiden Ämtern, Günter Distelrath, eine angebliche Unterstützung Peters klar dementiert habe.
Er selber halte ohnehin nichts von dem Kandidaten der Profis, sagte Rothmund der Bild: "Er hat bei Schalke nicht gerade sein Meisterstück abgeliefert. Aber viel entscheidender für mich ist, dass er den Amateurfußball überhaupt nicht kennt."
gettyPeter Peters: Auch Gegenwind bei den Profis
Doch auch die Vertreter der 36 DFL-Klubs hat der frühere S04-Finanzvorstand, bei dessen Abgang 2020 der Verein mehr als 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten aufwies, keineswegs komplett hinter sich. Gerade im Lager der Zweitligisten soll es große Widerstände geben, angeblich noch immer beeinflusst von Andreas Rettig, der als damaliger Geschäftsführer des FC St. Pauli als Peters-Gegenspieler galt.
"Ich habe es ihm auch schon selbst gesagt. Ich weiß nicht, was ihn auszeichnen soll, dieses wichtige Amt zu bekleiden", erklärte Rettig schon vor Monaten: "Er hat als Finanzvorstand von Schalke 04 den Klub desaströs hinterlassen und ist in seiner Amtszeit bei der DFL nicht durch besonders kluge Ideen aufgefallen."
Sogar DFL-Präsidiumsmitglied Wehrle stimmt gegen Peters
Aber auch in der Bundesliga gibt es inzwischen trotz der klaren Positionierung der neuen DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen ("Peter Peters ist der Kandidat aus der Liga") Absatzbewegungen. Seine Ablehnung öffentlich gemacht hat bereits der 1. FC Köln. "Ich kenne Peter Peters länger und sehe ihn kritisch. Wir haben daher eine klare Sichtweise und wollen Herrn Neuendorf in dem Amt des DFB-Präsidenten begrüßen", sagte Präsident Werner Wolf dem Fanportal Geissblog.
Eine bemerkenswerte Entscheidung, denn eine der zwei Gegenstimmen der FC-Delegierten wird vom scheidenden Geschäftsführer Alexander Wehrle kommen. Der künftige Vorstandboss des VfB Stuttgart sitzt seit 2019 auch im Präsidium der DFL, deren Kandidat Peters ja vorgeblich sein soll. Daher gehen Insider derzeit davon aus, dass Peters am Ende nicht mal die Hälfte der Stimmen aus dem Profilager erhalten wird.
Dabei hatte sich Peters nach der Ankündigung seiner Kampfkandidatur Ende November tatsächlich Hoffnungen gemacht, die Mehrheitsverhältnisse für sich drehen zu können. Damals schien es möglich, dass der gewiefte Strippenzieher genug Amateurvertreter auf seine Seite ziehen könnte, gerade aufgrund der für den DFB ungewohnten Anonymität der geheimen Abstimmung. "Ich kenne den Peter, der kriegt das mit seiner Art am Ende immer irgendwie hin", meinte zu dem Zeitpunkt ein früherer Schalker Vorstand.
Neuanfang mit Peters, weil Neuendorf Koch-Marionette ist?
Zumal der Kandidat in einigen Medien Rückendeckung bekam, für die das am längsten amtierende Präsidiumsmitglied (seit 2007) eher für einen Neuanfang stand als der Quereinsteiger Neuendorf, früher Sprecher der SPD und Staatsekretär in NRW. Das dahinter liegende Narrativ ist, dass der ebenfalls in der Regierungspartei beheimatete DFB-Vize Rainer Koch das viel größere Problem sei als Peters und er mit einem Präsidenten Neuendorf weiter sein zu Recht stark kritisiertes Treiben in der Verbandsspitze fortsetzen werde.
"Das System Koch muss weg", kommentierte die Süddeutsche Zeitung die jüngste Razzia beim DFB: "Der Favorit, Bernd Neuendorf, galt bisher als Befürworter Kochs. Der ehemalige SPD-Politiker hielt auch öffentlich die Verdachtslage gegen seinen Parteigenossen für zu dünn. Tut er das immer noch, disqualifiziert er sich für ein Amt, das ihm ohnehin, laut jüngster Umfrage der Hochschule Ansbach unter fast 12.000 Teilnehmern, nur elf Prozent der Fußballinteressierten zutrauen."
Allerdings kam Peters in derselben Erhebung auch nur auf zwei Prozent mehr, wobei die Umfrage nicht repräsentativ war und daher kaum Aufschluss über die reale Stimmung unter den rund sieben Millionen DFB-Mitgliedern oder gar der Millionen Fußballfans hierzulande gibt.
Kritik an Peters: Nachtreten statt Visionen und Konzepte
Zumal Peters letztlich in den vergangenen Wochen bei seiner Werbetour durch Landesverbände und Medien offenbar an sich selbst gescheitert ist. So soll er bei seinen Auftritten weder Visionen noch Konzepte präsentiert, sondern vor allem die aktuelle Verbandsführung schlecht gemacht haben - obwohl er dieser selbst bis zur Übergabe an seinen DFL-Nachfolger Hans-Joachim Watzke im Februar angehörte.
"Er stellt sich als Erneuerer da, dabei geht es ihm wie immer nur um Machterhalt", sagt einer, der ihn lange aus nächster Nähe erlebt hat. "Hinterzimmer kann er, aber eben nicht Vorderzimmer." Damit ist er in DFL und DFB beinahe heimlich, still und leise über die Jahre nach oben geklettert, ehe er 2019 das Amt des DFL-Aufsichtsratsvorsitzenden und 1. DFB-Vizepräsidenten von BVB-Präsident Reinhard Rauball übernommen hatte.
"Wirre und langatmige Vorträge, danach Totenstille"
Doch sein Rückzug beim Ligaverband und seine Bewerbung für die DFB-Spitze sei eher eine Flucht nach vorne gewesen, weil Peters nach seinem Aus bei Schalke im vergangenen Sommer auch sein Amt in der DFL hätte aufgeben müssen. Auch bei seiner damaligen Vorstellungsrede unter den Profiklubs habe er "wirre und langatmige Vorträge" gehalten, schrieb der Spiegel, "danach herrschte Totenstille". Als Peters daraufhin erklärte, er werte das Schweigen als Zustimmung, antwortete ein Teilnehmer demnach: "Da irrst Du Dich, Peter."
Auch sein letzter öffentlicher Auftritt im Aktuellen Sportstudio geriet wenig überzeugend. "Peter Peters wackelt", titelte die Frankfurter Rundschau danach: "Die Nervosität steckte Peter Peters bis hinunter in die Füße. Die schafften es beide nicht, stillzuhalten unter dem Barhocker im Fernsehstudio auf dem Mainzer Lerchenberg, auf den er von der ZDF-Redaktion platziert worden war."
Russlands Invasion in der Ukraine kommt für Peters zur Unzeit
Vor allem ein Thema kommt für ihn zur absoluten Unzeit: Die russische Invasion in der Ukraine. Denn seitdem wird bekanntlich jegliche Zusammenarbeit mit russischen Verbänden und Staatsunternehmen in Frage gestellt und häufig kurzfristig beendet, so geschehen sowohl bei der UEFA als auch bei Schalke 04 mit Hauptsponsor Gazprom. Schon vorher hatte Peters bei seinem TV-Auftritt eine rasche Beendigung der Zusammenarbeit dringend empfohlen. So mancher rieb sich ob der konsequenten Forderungen allerdings verwundert die Augen.
"An dieser Stelle wird das Eis jedoch dünn", schrieb etwa die Welt: "Denn Peters (...) ist mit dafür verantwortlich, dass Schalke den Werbevertrag mit dem Energieerzeuger abgeschlossen und mehrfach verlängert hatte. Das Mastermind hinter dem Deal war zwar der frühere Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, doch Peters steht mit in der Verantwortung."
Tatsächlich verteidigte der S04-Finanzchef den millionenschweren Deal mit Gazprom, auf den die hoch verschuldeten Königsblauen dringend angewiesen waren, sowohl während des russischen Einmarschs in Georgien 2008 als auch der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim 2014. Der staatlich geführte Energiekonzern sei ein "ganz normalen Hauptsponsor", sagte Peters und lobte die Russen als "guten und verlässlichen Partner". Darüber hinaus werde sich "der FC Schalke zu außenpolitischen Themen nicht äußern".
Peter Peters und Gazprom: "Zeichen der Zeit vielleicht nicht richtig erkannt"
"Natürlich fällt ihm das jetzt auf die Füße", erklärt ein Beobachter. Unwahrscheinlich, dass sein öffentlich ausgedrücktes Bedauern daran noch etwas ändern wird. "Wenn man Fehler macht, muss man die einräumen", sagte Peters im ZDF zerknirscht. "Im Nachhinein haben wir die Zeichen der Zeit vielleicht nicht richtig erkannt."
Möglicherweise aber gibt es trotzdem einen Weg für Peters, auch als Verlierer gewinnbringend aus der Präsidentenwahl herauszukommen. Denn Neuendorf hat angekündigt, dass er im Fall seiner Kür die beiden Posten des DFB in den Führungsgremien von UEFA (Koch, bis 2025 gewählt) und FIFA (Peters, bis 2024) unangetastet lassen will: "Bei einer Abberufung würden diese Plätze auch nicht automatisch wieder an Deutschland gehen. Es würde die Gefahr drohen, ausgerechnet vor der EM im eigenen Land international an Einfluss zu verlieren."
Peter Peters: 250.000 US-Dollar Nettogehalt bei der FIFA
Gute Aussichten für Peters: Sowohl was sein jährliches FIFA-Gehalt von 250.000 US-Dollar netto (!) betrifft, als auch seine Anwesenheit auf den Ehrentribünen bei den bevorstehenden Großereignissen, etwa der WM in Katar und der Heim-EM in zwei Jahren.
Vielleicht kommt es sogar noch besser: Da Vertreter in UEFA und FIFA eigentlich auch ein Amt im nationalen Verband innehaben müssen, könnte der DFB Peters als Präsidiumsmitglied kooptieren. Vorbild dafür wäre Franz Beckenbauer, der wegen seinen Posten in beiden Dachorganisationen von 2007 bis 2010 als Vizepräsident für internationale Angelegenheiten firmierte. Zusammen mit ihm im DFB-Präsidium saß seinerzeit übrigens der frisch als DFL-Vertreter berufene Peters.
Mit dem "Kaiser" auf einer Stufe, das würde dem ausgebildeten Journalisten vermutlich gefallen. Wobei so mancher Kritiker die Parallelen wohl ganz woanders suchen und finden würde: Nach seinem Ausscheiden bei DFB, UEFA und FIFA wurde Beckenbauer 2012 "Global Ambassador" des Verbandes russischer Gasproduzenten. "Gazprom kauft Beckenbauer ein", titelte der Focus damals.