Verflixte sieben Jahre lang war Dietmar Beiersdorfer Sportchef beim Hamburger SV, nun hat er den Dauer-Machtkampf gegen den umtriebigen Klubboss Bernd Hoffmann verloren. Am Dienstag einigte man sich auf eine endgültige Trennung.
"Es gab aus meiner Sicht keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die man benötigt, um den Klub weiterzuentwickeln. Das habe ich dem Aufsichtsrat mitgeteilt. Und ihn um eine Entscheidung gebeten", sagte Beiersdorfer am Mittwoch zur "Bild": "Es war eine Situation, die in der Form nicht positiv und zukunftsträchtig für den HSV war."
Hoffmann soll den Sportchef unter anderem hintergangen haben, indem er mit Trainer Bruno Labbadia Gespräche über die Kaderplanung führte - ohne Beiersdorfer.
Außerdem war der Klubchef angeblich unzufrieden mit der von Beiersdorfer verantworteten Scouting- und Nachwuchsabteilung - und teilte das intern auch sehr offensiv mit.
Mit dem Sportchef geht auch die Fußball-Kompetenz
Mit dem Abschied des Sportdirektors stärkt Hoffmann nun also seine Hausmacht, allerdings riskiert er auch eine tiefer gehende Spaltung des Vereins.
Angeblich wollen die Mitarbeiter der sportlichen Abteilungen ihm nun die Gefolgschaft verweigern. Auch bei den Fans genießt Beiersdorfer deutlich mehr Wertschätzung als sein Kontrahent.
Vor allem aber verliert der HSV damit über Nacht die zentrale Figur in der sportlichen Führung - und die größte fußballerische Kompetenz im Vorstand: Hoffmann gilt als Mann der Zahlen; Katja Kraus, ebenfalls Mitglied des Vorstands, ist in erster Linie für Marketing- und PR-Belange zuständig. In den Augen der HSV-Fans haben beide vom Fußball wenig bis gar keine Ahnung.
Wer sucht nun nach Verstärkungen?
Doch eben der Vorstand soll nun bis auf Weiteres die neue Spielzeit planen - und auch die nötigen Transfers abwickeln. Hoffmann wollte mehr Mitsprache in der Kaderplanung. Gut sechs Wochen vor Saisonstart muss der 46-Jährige nun beweisen, dass er es auch kann.
Die Aufgabe ist schwer genug: Noch immer hat der HSV erst 14 Erstliga-erprobte Feldspieler im Kader - und mit Labbadia einen neuen Trainer, der immer noch dabei ist, sich einzuarbeiten.
Wer sucht nun nach Verstärkungen? Wer verhandelt mit Vereinen und Beratern? Wer führt die Gespräche fort, die Beiersdorfer begonnen hat?
Fans standen hinter Beiersdorfer
Ein großer Teil der Fans traut Hoffmann diese Aufgabe nicht zu: "Beiersdorfer stand für unseren sportlichen Erfolg. Schwer erklärbar, dass er gehen muss", sagt Ralf Bednarek, der Chef der Fan-Vereinigung "Supporters", die immerhin 45.000 Mitglieder zählt. "Zum jetzigen Zeitpunkt den Manager rauszuwerfen, ist ein ganz großes Risiko", so Bednarek weiter.
Doch ein Nachfolger für den Sportdirektor, der Beiersdorfers Aufgaben nun übernehmen könnte, steht nicht Gewehr bei Fuß. Das jedenfalls versicherte der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker, als er am Dienstag kurz vor Mitternacht die Trennung öffentlich bekannt gab.
"Wer den Job übernehmen soll, wurde noch nicht diskutiert. Hätten wir schon einen Nachfolger, wäre das ja auch frevelhaft", sagte Becker. (HSV-Aufsichtsratsvorsitzender Horst Becker im Interview)
Kuntz, Helmer und Hoogma werden gehandelt
Gerüchte über potentielle Kandidaten kursieren natürlich trotzdem. Ein heißer Anwärter soll Stefan Kuntz, derzeit Vorstandvorsitzender beim 1. FC Kaiserlautern, sein.
Auf Nachfrage von SPOX sagte der 46-Jährige: "Ich habe hier meinen Job beim FCK. Und alles andere kommentiere ich nicht." Die dazugehörige Floskel lautet: Ein Dementi hört sich anders an.
Gehandelt werden auch die Namen von Ex-Nationalspieler Thomas Helmer, Thomas von Heesen und vor allem Nico-Jan Hoogma. Der ehemalige HSV-Profi arbeitet zur Zeit als Manager bei Heracles Almelo in der niederländischen Eredivisie. Selbst der zuletzt auf Schalke gescheiterte Andreas Müller ist in Hamburger Medien ein Thema.
Übernimmt Labbadia Doppelfunktion?
Denkbar ist auch, dass Bruno Labbadia zunächst einen Teil der Aufgaben des Sportdirektors übernimmt. Der Zuwachs an Kompetenzen passte zumindest ins Profil und wohl auch ins Selbstverständnis des Trainers. Außerdem hält Hoffmann angeblich große Stücke auf den 43-Jährigen.
Allerdings hat Labbadia in dieser Funktion keinerlei Erfahrung - und wohl auch nicht die nötigen Kontakte: Seine bisherigen Trainerstationen Darmstadt, Fürth und Leverkusen dienen nicht eben als Bewerbung für einen Klub mit internationalen Ansprüchen.
Barbarez als heißer Kandidat
Entsprechend taucht immer wieder der Name Sergej Barbarez auf. Der 37-Jährige ist Mitglied im Hamburger Aufsichtsrat.
Als nach der Trennung von Martin Jol zum ersten Mal Gerüchte auftauchten, nach denen auch damals schon Beiersdorfer als Sportchef zur Disposition stand, wurde er bereits als möglicher Nachfolger gehandelt.
Barbarez genießt bei den Hamburger Fans nach wie vor eine Art Kult-Status. Außerdem gilt er intern als großer Befürworter von Hoffmann. Vor allem aber ist er die einzig verbliebene ausgemachte Fußballkompetenz in den Führungsgremien des HSV.