Markus Babbels Blick war leer. In den letzten Wochen sind die erklärenden Worte des Stuttgarter Trainers ja schon zur unliebsamen Routine geworden.
Babbel hüllte die prekäre Situation seines Klubs in leere Worthülsen, aber seine Augen verrieten immer Entschlossenheit und Mut.
Nach dem trostlosen 1:1 gegen den VfL Bochum scheint das Feuer in Babbel erloschen. Alle getroffenen Maßnahmen des Trainers blieben ebenso wirkungslos, wie die VfB-Stürmer vor dem gegnerischen Tor.
Zwei Lager in der Führungsebene
Jede Woche bringt einen neuen Tiefschlag - und trotzdem reagiert der Verein nicht, wie Vereine immer reagieren, wenn die Mannschaft in einer veritablen Krise steckt.
Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Führungsriege komplett den Überblick verloren hat und in zwei Lager geteilt ist: In die Babbel-Befürworter um Aufsichtsratschef Dieter Hundt und die angeblichen Gegner, zu denen Präsident Erwin Staudt und auch Finanzchef Ulrich Ruf zu zählen sind.
Der Verein befindet sich auf einem fatalen Schlingerkurs, weil niemand sich im Stande sieht, das Heft des Handelns konsequent in die Hand zu nehmen. Der Zeitpunkt, sich von Babbel zu trennen, wurde mehrfach verpasst.
Der Verdacht der Vetternwirtschaft hält sich hartnäckig, auch wenn Sportvorstand Horst Heldt mittlerweile weiter von seinem Kumpel und Hausnachbarn Babbel abrückt.
Surreale Lage
Eine Entlassung vor dem Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Urziceni macht eigentlich kaum Sinn. Schließlich ist es die letzte Chance, einer absolut katastrophalen Halbserie zumindest noch einen Hauch positiven Anstrich zu verpassen.
Der Druck am Mittwoch gegen die Rumänen wird enorm sein und wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die Mannschaft in dieser Saison mit Drucksituationen umgegangen ist, schwant einem Böses.
Der VfB Stuttgart und seine verantwortlichen Personen geben derzeit ein jämmerliches Bild ab und stecken in einer derart verfahrenen Lage, die fast schon surreal wirkt.
Fan-Aufstand nach dem Bochum-Spiel
Mittlerweile ist es so weit gekommen, dass Teile der Fans sich vom Team abwenden - und das, nachdem die Fans in den schweren letzten Wochen den demonstrativen Schulterschluss vollzogen hatten.
Nach dem Spiel gegen Bochum blockierten rund 2000 Fans die Ausgänge der Mercedes-Benz-Arena und ließen ihrem Unmut und den Gefühlen freien Lauf. Ein völlig ungewohntes und auch kaum für möglich gehaltenes Szenario für den VfB Stuttgart
Berittene Polizei musste einschreiten, es kam zu kleineren Randalen und auch Festnahmen. Die nächste Stufe der Eskalation ist erreicht. Was am Mittwoch bei einem Ausscheiden aus der Champions League los sein könnte, will sich im Moment niemand ausmalen.
Rücktritt von Babbel und Heldt möglich?
Der Zorn der Fans ist dabei gegen alle Verantwortlichen gerichtet, nicht nur gegen Babbel. Auch Präsident Staudt, der mehr zögert als durchzugreifen, steht schwer in der Kritik, ebenso wie die Mannschaft.
Momentan ist alles möglich - auch ein Rücktritt der Schicksalsgemeinschaft Babbel/Heldt. Er werde nicht aus der Emotion heraus Entscheidungen treffen, sagte Babbel. "Ich muss das alles erst sacken lassen. Dafür nehme ich mir Zeit."
Selbst innerhalb des Teams sollen sich längst Gruppen gebildet haben, Neid und Argwohn Einzug gehalten haben. Die Entmachtung Thomas Hitzlspergers als Kapitän war ein Zeichen. Die Inthronisierung von Matthieu Delpierre, der alles andere als ein Anführer ist, nur wenige Stunden später die nächste nicht nachvollziehbare Entscheidung.
Ein halbes Jahr nach dem furiosen Einzug in die Champions League liegt der Verein in Trümmern.
Heldt nimmt entscheidende Rolle ein
Eine entscheidende Rolle nimmt dabei Heldt und dessen Position innerhalb des Vereins ein. Im April, als Felix Magath beim FC Schalke unterschrieben hatte und Heldt angeblich nach Gelsenkirchen locken wollte, steuerte der Klub damit entgegen, dass Heldt vom Sportdirektor zum Vorstand Sport befördert wurde.
Jetzt erweist sich der ehemals clevere Schachzug als Bumerang, weil Heldt als Vorstandsmitglied schwer von seinen Ämtern zu entheben wäre. Es sei denn, er entließe sich selbst, wie im Laufe des Samstagabends auch schon kolportiert wurde.
Erklärung am Sonntag
Der VfB Stuttgart ist ein Gefangener seiner selbst und wandelt auf historischen Pfaden: Seit neun Heimspielen sind die Schwaben ohne Sieg. Das gab es zuletzt vor 42 Jahren.
Die Vorstandschaft saß am Samstagabend noch lange zusammen und diskutierte die Lage. Eine offizielle Erklärung werde es aber erst am Sonntag geben. Das morgendliche Training wurde abgesagt.
Die Situation erinnert fatal an die des Hamburger SV und Thomas Doll vor knapp drei Jahren.
Auch der HSV hielt lange an seinem Coach fest, erst nach dem 19. Spieltag musste Doll gehen. Nur zwei Partien nach der Winterpause.
Der Rest der Geschichte ist bekannt - Huub Stevens rettet Hamburg vor dem Abstieg und führte das Team sogar noch in den UEFA-Cup.