Im Interview spricht der 20-Jährige über seine Zeit in Leverkusen, den Unterschied zwischen Jürgen Klinsmann und Jupp Heynckes und erklärt, wie man als "Jahrhunderttalent" zurecht kommt.
SPOX: Herr Kroos, wussten Sie, dass Sie aus sportjournalistischer Sicht schon Geschichte geschrieben haben?
Toni Kroos: Nein, wieso?
SPOX: Der "Kicker" kürte Sie am 17., 18. und 19. Spieltag der abgelaufenen Saison dreimal in Folge zum Mann des Tages. Das gab es zuvor noch nie.
Kroos: Achso, ja, das war mir bekannt. Ich wusste allerdings auch nicht, dass es so etwas noch nie gab. Das habe ich dann irgendwo gelesen.
SPOX: Klingt nicht so, als ob Ihnen das viel bedeutet.
Kroos: Wenn man sieht, wie viele Profis jeden Spieltag auflaufen und man dann dreimal in Serie zum Besten gekürt wird, freut man sich auf jeden Fall darüber. Ich hänge das aber nicht zu hoch.
SPOX: Leverkusen spielte eine sensationelle Vorrunde, stürzte dann aber wie im Vorjahr ab. Sie waren beide Male dabei: Was ist passiert?
Kroos: Es war dieses Jahr ganz anders als im letzten Jahr. Diese Saison waren wir in der Rückrunde in ein paar Spielen vom Kopf her als Mannschaft nicht ganz da und haben dadurch den Abstand nach oben immer größer werden lassen. Ansonsten haben wir in den restlichen Partien zumeist vollends überzeugt.
SPOX: Im Sommer geht es zurück zu den Bayern. Wenn Sie unbedingt in Leverkusen hätten bleiben wollen, hätten Sie bei den Bayern eine Chance gehabt?
Kroos: Das weiß ich nicht. Der vertragliche Standpunkt war von Anfang an klar. Nach den Gesprächen mit den Bayern zuletzt stand dann sofort fest, dass es zurück nach München geht.
SPOX: Sie haben sich kürzlich mit den Verantwortlichen des FC Bayern getroffen, um Ihre Perspektiven für die kommende Spielzeit auszuloten. Was hat Ihnen Louis van Gaal denn genau gesagt?
Kroos: Da werde ich Ihnen leider nichts verraten können.
SPOX: Van Gaal sagte aber im Vorfeld, dass Sie bei ihm nicht auf der linken Außenseite spielen werden, da er Sie auf der 10er-Position sieht und Sie genau deshalb zurück kommen sollen. In Leverkusen spielten Sie zumeist auf der linken Seite. Wo sehen Sie sich am liebsten?
Kroos: Wo ich am Ende spiele - auch wenn das eine Floskel ist - entscheidet der Trainer. Ich spiele sowohl links als auch zentral gerne. Ich habe beides schon gespielt und werde daher auch mit beiden Positionen zurecht kommen.
SPOX: Ihre Forderung ist, dass Sie auf eine gewisse Anzahl von Spielen kommen wollen, um einen Knick in Ihrer Karriere zu vermeiden. So etwas ist bei den Bayern jedoch nicht zu garantieren. Ist Ihnen diese Gefahr bewusst?
Kroos: Das ist derzeit schwer zu sagen. Ich werde in München von der ersten Minute an Gas geben und versuchen, meine Leistung aus dieser Saison zu bestätigen. Mehr kann ich nicht machen. Wie es dann für mich am Ende läuft, kann ich momentan natürlich noch nicht sagen.
SPOX: Welche Umstellungen erwarten Sie, wenn Sie aus dem relativ beschaulichen Leverkusen wieder in die Medienstadt München zurückkehren?
Kroos: Mein Vorteil ist, dass ich München schon gut kenne. Medial ist dort die Präsenz größer, auch die Erwartungshaltung ist eine andere. Mir hat es aber auch in Leverkusen sehr gut gefallen.
SPOX: Wenn man von Ihnen spricht, fällt häufig das Wort "Jahrhunderttalent". Wie gehen Sie persönlich damit um?
Kroos: Das wird alles von außen an mich herangetragen. Ich nenne mich ja selbst nicht so. Ich glaube, dass man den Begriff des Jahrhunderttalents sowieso nie bestätigen kann. Das ist für mich ein viel zu großer Begriff. "Talent" an sich ist schon eine sehr große Wertschätzung.
SPOX: Als sogenanntes "Jahrhunderttalent" ist auch die Wellenbewegung zwischen extremem Hype und schneller negativer Kritik sehr groß. Nervt das?
Kroos: Nein, ganz und gar nicht. Ich bewerte das für mich persönlich ganz anders, als es die Öffentlichkeit tut. Heutzutage ist die Fallhöhe bei den Medien eben sehr groß. Wenn man gelernt hat, richtig damit umzugehen, macht es einem nichts mehr aus. Egal ob ich gut oder schlecht spiele, ich bewerte meine Spiele für mich selbst realistisch genug.
SPOX: Sie haben sich in Leverkusen enorm weiterentwickelt. War Ihnen gleich klar, dass Sie immer besser werden, so lange Sie das Vertrauen vom Trainer genießen und regelmäßig zum Einsatz kommen?
Kroos: Eigentlich schon. Es ist meiner Ansicht nach nur logisch, dass man für eine Weiterentwicklung auch so oft wie möglich auf dem Platz stehen und spielen muss. Das ist die absolute Grundvoraussetzung. Wenn man eine gewisse Qualität mitbringt, kann man sich als junger Spieler nur über die Spielpraxis weiterentwickeln. Das finde ich normal und das hat sich bei mir ja jetzt auch bestätigt.
SPOX: In welchen Bereichen haben Sie Ihrer Meinung nach den größten Schritt nach vorne gemacht?
Kroos: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich habe beispielsweise im physischen Bereich viele Extraschichten eingelegt. Ich bin jedoch der Meinung, dass ich mich komplett als Spieler verbessert habe, da ich eben genug Spielpraxis bekommen habe.
SPOX: Haben oder hatten Sie sportliche Vorbilder im europäischen Fußball?
Kroos: Früher war mein Vorbild Johan Micoud, als er in Bremen gespielt hat. Er hat mir aufgrund seiner Art und Weise, das Spiel zu lenken, unheimlich gefallen. Sonst habe ich derzeit kein spezielles Vorbild.
SPOX: Sie haben zuletzt zwei völlig unterschiedliche Trainer erlebt: den als Vereinstrainer unerfahrenen Jürgen Klinsmann und "Oldie" Jupp Heynckes. Wie groß waren die Unterschiede?
Kroos: Es war schon ein Unterschied. Bei Jupp Heynckes merkt man eben, dass er ein alter Hase und schon sehr lange im Geschäft ist. Er löst viele Dinge mit einer gewissen Ruhe und hat einen sehr guten Zugang zu den Spielern. Er weiß durch seine Erfahrung in vielen Bereichen, wie er in bestimmten Situationen reagieren muss.
SPOX: Im Gegensatz zu Heynckes sind Sie unter Klinsmann kaum zum Zuge gekommen.
Kroos: Es kommt immer auf die Philosophie des Trainers an. Da ist es egal, ob er jung oder etwas älter ist. Klinsmann hat sich eben in vielen Situationen gegen mich, Heynckes für mich entschieden.
SPOX: Ihr Ex-Coach Bruno Labbadia wurde in Hamburg aus denselben Gründen entlassen, wie ein Jahr zuvor in Leverkusen. Wie können solche Gräben zwischen Team und Trainer denn überhaupt entstehen?
Kroos: Das ist meist sehr unterschiedlich. Es gibt - wie im normalen Leben auch - einfach ab und zu Kombinationen zwischen Spielern und Trainern, wo es eben nicht so wirklich passt. Wenn man merkt, dass man gleich zu Anfang nicht auf einer Wellenlänge liegt, dann ist das bei einer Mannschaftssportart auf Dauer eher problematisch.
SPOX: Bald beginnt die WM. Die rechte Mittelfeldseite ist im Nationalteam unter anderem noch offen. Derzeit sind Thomas Müller und Sie die Favoriten für diese Position. Im Verein spielten Sie dort jedoch nicht so oft. Wäre das nicht eine große Umstellung, mal kurz eine WM auf einer Position zu spielen, die man die Saison über kaum bekleidet hat?
Kroos: Es sind zwei verschiedene Seiten, also muss man sich auch etwas umstellen. Das kommt auch immer auf den Spielertyp an. Man muss sich als Spieler oft anpassen und flexibel sein, vor allem was Positionen anbelangt.
SPOX: Wie haben Sie denn das WM-Aus Ihres Noch-Teamkollegen Rene Adler aufgenommen?
Kroos: Das ist eine sehr tragische Sache für ihn. Die WM war eines seiner großen Ziele. Er hatte die ganze Saison darauf hingearbeitet und jetzt das. Das ist schon sehr traurig.
Toni Kroos im Steckbrief