Die Zeit von Horst Becker als Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Bundesligist Hamburger SV läuft nach der Ordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Januar 2011 ab.
Sportlich befindet sich der Hamburger SV auf Talfahrt, hinter den Kulissen des Fußball-Bundesligisten türmen sich die Problemberge: Aufsichtsrats-Chef Horst Becker wird den Hanseaten nach der Ordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Januar 2011 nicht mehr als Vorsitzender des Kontrollgremiums zur Verfügung stehen.
Zu sehr haben den 70-Jährigen die Unruhen der vergangenen Monate zermürbt. Beckers Abgang wirkt fast exemplarisch für die Situation des HSV. Die Altlasten sind nicht abgearbeitet, die neuen Sorgen stehen schon vor der Tür.
"Man macht immer Fehler. Als Vorsitzender des Aufsichtsrats steht man dabei aber natürlich im Fokus", begründete Becker seinen Schritt: "Was ich mir vorwerfe, ist die zu langwierige Suche nach einem Sportdirektor. Da hätte ich die Probleme früher erkennen und auf eine schnellere Entscheidung drängen sollen."
Die über elf Monate andauernden Posse um die Besetzung des Manageramtes ist seit der Berufung Bastian Reinhardts im vergangenen Mai zwar beendet. Wirklich abgeschlossen scheint sie im und um den Verein jedoch nicht.
Hoffmann zu nah
Reinhardt erfüllt seine Aufgaben zwar engagiert und gewinnt zunehmend an Profil, den Ruf einer Notlösung konnte der 35-Jährige bisher aber kaum abschütteln. Zumal vor seiner Ernennung viele Monate lang Kandidaten wie Roman Grill, Nico-Jan Hoogma oder Oliver Kreuzer durch das Raster fielen.
Am Ende wurde die sportliche Kompetenz durch Reinhardt vielleicht erhöht, ein starker Gegenpart zu dem zunehmend in die Kritik geratenden Klubchef Bernd Hoffmann aber nicht verpflichtet.
Ohnehin wurde Aufsichtsrats-Boss Becker immer wieder seine vermeintliche Nähe zu Hoffmann angekreidet. So hatte sich zuletzt auch der ehemalige HSV-Präsident Jürgen Hunke in Position gebracht und gepoltert: "Eigentlich sollte der Aufsichtsrat ein Kontrollorgan des Vorstands sein. Bei uns wirkt es aber, als wäre er ein Hilfsorgan des Vorstands. Da sitzen mehrheitlich Leute drin, die alles abnicken."
Im kommenden Januar wird Hunke nun selbst wieder für einen der vier neu zu vergebenden Kontolleursplätze kandidieren. Die Worte des ehemaligen HSV-Chefs dürften Becker in seinem Entschluss weiter bestärkt haben.
Gescheitertes Investorenmodell
Zumal sich Hunkes Kritik auch gegen das vom Aufsichtsrat abgesegnete Investorenmodell mit dem Milliardär Klaus-Michael Kühne richteten. Der Mäzen hatte vor der Saison 12,5 Millionen Euro für Spielereinkäufe bereitgestellt und war im Gegenzug am Transferwert von sechs HSV-Profis beteiligt worden.
"Grundsätzlich war das kein Fehler. Man hätte das Projekt jedoch besser vorbereiten und den HSV-Mitgliedern besser vermitteln müssen", meint Becker, der dem Aufsichtsrat der Hamburger aber zwei weitere Jahre angehören will. Zudem betonte der Ex-Banker, dass sein Schritt nichts mit der momentanen sportlichen Sitaution des Klubs zu tun habe: "Dieser Entschluss stand für mich schon seit Mitte Juni fest."
Für Hoffmann dürfte der Verbleib Beckers im Kontrollgremium wichtig sein. Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden läuft am 31. Dezember 2011 aus. Nach der Wahl der vier neuen Kontrolleure im Januar soll über den Verbleib des Klubchefs entschieden werden. Becker war bisher stets auf Hoffmanns Seite.