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Florian Bogner
13. Juni 201120:51
Hertha BSC stieg nach nur einem Jahr in der zweiten Liga wieder auf - und jetzt?Getty
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Hertha BSC hat sich in einem "Friss-oder-stirb"-Jahr neu erfunden. Für die Bundesliga-Rückkehr wünschen sich die Architekten des Erfolgs Michael Preetz und Markus Babbel nun vor allem eins: Normalität. Dabei haben die Berliner die Hauptstadt wieder hinter sich - und beweisen auf dem Transfermarkt ungeahntes Geschick.

Jetzt, im Frühsommer, sehen die finsteren Backsteinbauten und das etwas karge Drumherum in der Berliner Hanns-Braun-Straße wieder freundlicher aus.

Die Sanierungsarbeiten sind nahezu abgeschlossen, die Bagger, die den Parkplatz rund ums Friesenhaus II in den letzten Monaten wie eine Baugrube aussehen ließen, sind weg.

Wo bis weit in den Frühling hinein noch der kalte Wind den Rasenplätzen das Grün aussaugte, stehen nun ein paar Gänseblümchen. Wie gesagt: es sieht wieder freundlicher aus. Abstrakt könnte man auch sagen: Die Schatten der zweiten Liga gehören der Vergangenheit an.

Hertha BSC ist seit dem 1. Juni wieder offiziell ein Erstligist - und hat sich in einem schwierigen Jahr Zweitligazugehörigkeit neu herausgeputzt.

Man könnte auch sagen: neu erfunden.

Beckenbauer und Sammer loben Babbel

Geschäftsführer Michael Preetz und Trainer Markus Babbel tragen daran den wohl größten Anteil. Preetz steht dabei öffentlich ein bisschen im Schatten von Babbel, dessen Zweitliga-Meisterstück von der Fachwelt hoch gelobt wurde.

"Babbel hat Hervorragendes geleistet. Man wird noch viel von ihm hören", prophezeite Franz Beckenbauer, ungeachtet der Tatsache, dass man Babbel schon als Stuttgart-Trainer kannte. Sein Eindruck: "Er hat das Bayern-Gen. Der stößt mal in die Klopp-Dynastie. Er war schon als Spieler ein ruhiger und intelligenter Bursche."

Ganz nebenbei brachte Beckenbauer seinen ehemaligen Schützling auch gleich als Nachfolger für Jupp Heynckes beim FCB ins Gespräch. In zwei, drei Jahren vielleicht.

Für DFB-Sportdirektor Matthias Sammer ist der ehemalige Nationalmannschaftskollege hingegen in erster Linie jemand, der erfolgsorientiert arbeitet. Man merke dem Coach an, dass er in Berlin etwas aufbauen wolle, "um irgendwann auch wieder international spielen zu können", sagte Sammer im Interview mit der "Welt".

Ist Babbels System bundesligatauglich?

Sammer mahnt aber auch: "Es ist wichtig, dass Hertha Stabilität erreicht, sowohl innerhalb des Vereins als auch im Umfeld. Zudem ist es von Bedeutung, dass Berlin in seinen Erwartungen realistisch bleibt."

In Liga zwei bot die Hertha erfrischenden Fußball mit vielen Offensivspielern auf dem Platz. Eine Spielidee, die in der Bundesliga allerdings auch schnell ins Auge gehen kann. Deswegen wird der Kader auch auf nahezu allen Schlüsselpositionen nachgebessert.

"Die Neuzugänge werden den Kader absolut verstärken. Ich habe immer gesagt, dass wir eine gute Mannschaft haben. Jetzt sind wir auch in der Breite noch besser aufgestellt", sagte Kapitän Andre Mijatovic im Interview mit der "B.Z.".

Im Tor wird der intern äußerst angesehene, auf dem Platz aber oft unsichere Mikael Aerts durch den talentierten Bayern-Torwart Thomas Kraft ersetzt. Für die Innenverteidigung hat sich mit Maik Franz (Eintracht Frankfurt) ein gestandener Bundesliga-Spieler angekündigt.

Auf der Sechs ist mit Andreas Ottl ein erfolgshungriger und technisch beschlagener Spieler verpflichtet worden. Wie Kraft muss Ottl allerdings erst noch unter Beweis stellen, dass er eine ganze Bundesliga-Saison über konstante Leistungen abliefern kann.

"Immer kämpfen, alles geben, nie zufrieden sein"

Das von Beckenbauer erwähnte Qualitätsprädikat "Bayern-Gen" wird in Berlin zudem durchaus auch skeptisch beäugt - zumal frühere Zugänge aus München wie Carsten Lakies (1997), Ali Daei (1999), Thomas Helmer (1999) und Niko Kovac (2003) kaum etwas rissen.

Ottl-Konkurrent Peter Niemeyer, einer der Überraschungen der Aufstiegssaison, verwendet deswegen lieber eine andere Formulierung. "Ich nenne es: das Herz am rechten Fleck haben", sagte er der "Berliner Morgenpost".

Niemeyer meinte damit: "Immer kämpfen, alles geben, nie zufrieden sein. So sollten wir alle denken, egal, ob wir vom FC Bayern oder anderen Vereinen zu Hertha gewechselt sind."

Das gilt auch für die neuverpflichtete Offensivhoffnung Tunay Torun, der beim Hamburger SV lange mit einem Kreuzbandriss ausgefallen war und danach nie mehr so richtig den Anschluss fand.

Die Sache mit der Kontinuität

Das wichtigste Kriterium der Personalien ist jedoch ihr Kostenpunkt: Alle Spieler kommen ablösefrei und wurden von Preetz und Babbel in persönlichen Gesprächen überzeugt. Der Geschäftsführer benutzte bei den Verhandlungen oft ein Wort: Kontinuität.

Dafür sprechen zahlreiche Vertragsverlängerungen im Friesenhaus II. Preetz selbst verlängerte unlängst bis 2014, der hochgelobte Nachwuchsstürmer Pierre-Michel Lasogga (13 Zweitliga-Tore) unterschrieb bis 2015, was bei der Mitgliederversammlung für Jubelstürme sorgte.

Seite 2: "Große Sehnsucht nach wirtschaftlicher Vernunft"

Nahezu alle Nachwuchstrainer, inklusive der Ex-Hertha-Profis Rene Tretschok (U 19), Andreas Thom (U 17) und Ante Covic (U 15), verlängerten ebenfalls. "Kontinuität ist gerade im Trainerstab eine der wichtigsten Komponenten für Hertha BSC", sagt Preetz.

Weil man in Berlin die Jugendarbeit trotz aller finanziellen Problemen stets gewissenhaft betrieb, erntet man nun die Früchte. "Das schafft nach innen und nach außen eine höhere Identität - und nicht zuletzt auch eine höhere Qualität. Denn die jungen Spieler sind heutzutage nicht nur charakterlich einwandfrei, sondern hervorragend ausgebildet und sehr gewissenhaft", sagt Sammer.

Malik Fathi ja, Marcos Senna nein

Offiziell ist die Kaderplanung so gut wie abgeschlossen. Inoffiziell ist Malik Fathi weiter in der Warteschleife. Der von Spartak Moskau zuletzt an den FSV Mainz 05 ausgeliehene Ex-Berliner würde gerne zurückkehren.

Die Ablösesumme von rund 1,5 Millionen Euro ist der Hertha aber zu hoch, auch wenn Babbel und Preetz Fathis Reife und Vielseitigkeit sehr schätzen.

Für die Offensive ist ein weiterer Neuzugang nur dann geplant, wenn Rob Friend einen neuen Verein findet.

Mit Änis Ben-Hatira ist ein weiterer talentierter Hamburger im Gespräch, die "B.Z." warf nun auch die Namen der schwedischen Jungnationalspieler Robin Söder und Nicklas Bärkroth in den Ring. "Wir sondieren den Markt, haben überall die Augen offen. Wir haben wenige Patronen, die aber müssen treffen", mahnt Preetz.

An Spaniens routinierten Europameister Marcos Senna, der den FC Villarreal wohl verlassen wird, ist man laut Preetz indes nicht interessiert, obwohl Meldungen die Runde machten. "Da ist nichts dran an dem Gerücht", sagte er. Senna passt auch so gar nicht ins Konzept, sportlich wie finanziell.

Preetz tritt auf die Euphorie-Bremse

Jung, dynamisch, erfolgreich - das sind die Attribute, auf denen die Arbeit von Preetz, dessen Tun öffentlich selten gewürdigt wird, basiert.

Vor allem, weil der 43-Jährige inzwischen gelernt hat, dass er gut daran tut, den Ball flach zu halten. Auch wenn man damit in Berlin nicht gerade Begeisterungsstürme erntet.

"Für Hertha BSC geht es in der kommenden Saison um nichts anderes, als die Klasse zu halten. Dies allein hat Priorität, irgendwelche anderen Träumereien bringen Hertha BSC nicht weiter", merkte Preetz schon inmitten der Aufstiegsfeierlichkeiten an.

Der Anspruch der früheren Jahre, ins internationale Geschäft durchstarten zu müssen, ist auf unbestimmt hinten angestellt. Bei Preetz heißt das: machbare und realistische Ziele setzen.

"Im Klub gibt es eine große Sehnsucht nach wirtschaftlicher Vernunft", sagte er dem Magazin "11 Freunde". Preetz und weitere Mitarbeiter verzichteten während der Zweitligazeit deswegen angeblich auch auf 40 Prozent ihres Gehalts.

Über 5000 neue Mitglieder in einem Jahr

Der Bundesliga-Etat von exakt 57,6 Millionen Euro - 24,8 Millionen davon für Personalaufwendungen - ist angesichts von 30 Millionen Euro Schulden dennoch ambitioniert. In der 2. Liga war man mit 45 Millionen Euro ausgekommen.

Die Acht-Millionen-Euro-Gabe eines unbekannten Investors sind dabei schon im Zweitliga-Etat verrechnet worden. 30 Millionen Euro Schulden - "das passt zu Berlin", scherzte Oberbürgermeister Klaus Wowereit kürzlich.

Dass der neue Etat laut dem Finanzchef Ingo Schiller dennoch "konservativ geplant" ist, liegt zum einen an einer erfolgreichen Fan-Anleihe, die der Hertha nochmals 3,5 Millionen Euro in die Kassen spülte.

Schiller bezeichnete die Anleihe als "ein starkes Stück Hertha" und als "Wertanlage, die die feste emotionale Bindung zwischen den Fans und Hertha BSC unterstreicht". In dieses Bild passt die Meldung, dass die Hertha dieser Tage sein 25.000 Mitglied gewinnen konnte - vor einem Jahr waren es noch unter 20.000 gewesen.

Wovon Neapel, Hannover und Valencia träumen

Dazu lockt die "neue" Hertha auch wieder die Berliner ins Olympiastadion. 77.116 Besucher beim 2:1 gegen den FC Augsburg bedeuteten Zweitliga-Rekord, der Schnitt von 46.678 Zuschauern pro Zweitliga-Partie bedeutete einen respektablen 18. Platz in Europa - vor Vereinen wie Neapel, Hannover oder Valencia.

"Es ist etwas passiert in diesem Jahr", stellte auch Wowereit verwundert fest. "Es ist eine besondere Affinität zu unserer Hertha entstanden." Im Zuge der Aufstiegseuphorie entdeckte Wowereit auch sogleich seinen Erfolgshunger: "Die Einladung für den Balkon steht. Es waren schon andere deutsche Meister in anderen Sportarten hier."

Die sportlichen Ziele für die Saison 2011/12 sind intern jedoch extrem niedrig angesetzt. Im DFB-Pokal ist "nur" das Überstehen der 1. Runde eingeplant, in der Liga will man mit mindestens 42 Punkten abschließen.

"Es ist zu sehen, dass die Berliner groß denken", sagt Sammer das große Ganze überblickend. "Allerdings glaube ich, dass der Klub im ersten Jahr nach dem Aufstieg erst einmal alles dafür tun sollte, sich in der Liga von den hinteren Rängen fernzuhalten."

Schließlich sind die Bagger eben erst vom Grundstück an der Hanns-Braun-Straße gerollt.

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