Bei Bayer Leverkusen herrscht wenige Tage vor Weihnachten großes Durcheinander. Nach der Ausbootung von Hanno Balitsch durch Trainer Robin Dutt droht der Streit der beiden zu eskalieren. Balitsch will sich Dutts schroffe Kritik nicht gefallen lassen. Indes fällt auch Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser mit irritierenden Aussagen auf - die unter anderem auch Michael Ballacks Zukunft entscheidend beeinflussen könnten.
Seitdem Hanno Balitsch von Bayer Leverkusen mitgeteilt wurde, dass Trainer Robin Dutt nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle und er sich einen neuen Verein suchen könne, geht es in Leverkusen drunter und drüber.
Seit Montag geht es zwischen beiden Parteien verbal hin und her, dabei ist bisher nicht einmal geklärt, warum Dutt seinen Spieler aussortiert hat. Eher das Gegenteil ist der Fall: Bei Bayer tobt der Krieg der Worte, und zu allem Überfluss läuft Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser auch noch Gefahr, seine Routiniers im Kader zu vergraulen.
Der Stein des Anstoßes(?): Am Montag wurde öffentlich, dass Bayer-Trainer Robin Dutt nicht mehr mit Hanno Balitsch plane, der Spieler könne sich einen neuen Verein suchen.
Der Trainer habe "Balitsch nicht mehr auf dem Bildschirm. Es hat in den letzten Tagen Gespräche gegeben, in denen es um die Zukunft von Balitsch bei Bayer ging. Eine Entscheidung ist aber nicht gefallen, das Wort Freistellung ist falsch", wie Leverkusens Kommunikationsdirektor Meinolf Sprink umgehend mitteilte.
De facto spielt Balitsch aber in Dutts Planungen definitiv keine Rolle mehr. Also bestätigte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser: "Der Trainer plant nicht mehr mit ihm. Genauso gut kann er aber auch bei uns bleiben, er hat schließlich noch Vertrag. Wir wollen aber nicht, dass Hanno bei uns versauert."
Über die Gründe dafür gab es viele Spekulationen, jetzt kristallisiert sich offenbar eine Auseinandersetzung Dutts mit Balitsch vor fast zwei Monaten als Ursprung des Streits heraus.
Nach der Heimniederlage gegen Schalke am 23. Oktober (0:1) hatte Balitsch, auf der Massagebank in den Katakomben liegend, etwas schnippisch gefragt: "Warum wird in Leverkusen eigentlich nicht mehr eingewechselt?" Bayer hatte die Partie - als einziges der 17 Vorrundenspiele - ohne einen einzigen Wechsel zu Ende gespielt.
spoxDutt, der zufällig in der Nähe stand, verstand dies als klaren Angriff auf seine Autorität. "Diesen Satz hat der Trainer mitbekommen und mich zur Rede gestellt. Direkt danach habe ich mich vor versammelter Mannschaft dafür entschuldigt. Ansonsten habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen", sagt Balitsch am Mittwoch dem "Express".
Tags drauf gab es nach dem Training noch eine cirka einstündige Aussprache zwischen beiden. Offenbar schien die Sache damit zumindest für den Spieler erledigt. Es sei die "einzige Geschichte" gewesen, die es zwischen ihm und dem Trainer gab, versicherte Balitsch.
Eine neue Dramaturgie: Unmittelbar nach dem Sieg über den FC Chelsea am 23. November und der damit verbundenen Qualifikation für das CL-Achtelfinale habe Dutt erneut das Gespräch mit Balitsch gesucht. "Der Trainer hat mir gesagt, dass er professionell mit mir umgehen möchte. Und er hat mir Einsätze in Aussicht gestellt", erinnert sich Balitsch.
Seit dem Vorfall nach dem Schalke-Spiel hat Balitsch, unter Jupp Heynckes vergangene Saison durchaus noch ein wichtiger Spieler und Mitglied des Mannschaftsrats, aber keine Sekunde mehr für Bayer auf dem Platz gestanden.
"Nun wurde mir am Montag mitgeteilt, dass ich nicht mal mehr mit ins Trainingslager fahren soll. Als ob ich die Gruppe stören würde! Dabei gab es keinen weiteren Vorfall, was mir Rudi Völler so bestätigt hat." Das ist insofern wichtig, da dem Klub deshalb die Grundlage fehlt, Balitsch arbeitsrechtlich zu suspendieren.
Holzhäuser formuliert es so: "Es gibt interne Gründe, warum er gehen kann. Hanno hat kein Verbrechen begangen, aber die Chemie zwischen ihm und dem Trainer stimmte halt nicht mehr." Ein Bauernopfer sei Balitsch aber auf keinen Fall.
Vielmehr entfachte Dutt mit einer - gelinde gesagt - unglücklichen Formulierung einen neuen Brandherd. "Wir haben das so entschieden. Über die Gründe, warum Hanno gehen kann, haben wir Stillschweigen vereinbart. Er will ja weiter Fußball spielen."
Das lässt enorm viel Spielraum für allerhand Spekulationen und rückt Balitsch in ein schlechtes Licht. "Unser Ansinnen war es, Hanno dies offen, ehrlich und zu einem frühen Zeitpunkt mitzuteilen", begründete er seine Entscheidung zwar - trotzdem hat sich der Trainer mit seiner undiplomatischen Aussage selbst ins Kreuzfeuer der Kritik manövriert.
"Ich bin darüber sehr verwundert, zumal Stillschweigen vereinbart wurde. Der Satz suggeriert ja, dass etwas vorgefallen sein muss. Das kann ich so nicht stehen lassen", konterte Balitsch die Ansicht seines (Noch-)Trainers.
Dutt in der Schusslinie: Die Hinrundenbilanz ist in der Bundesliga unterdurchschnittlich. Leverkusen steht bei lediglich 26 Punkten, das sind sieben weniger als noch letzte Saison nach der Hinrunde. Dazu kommt das blamable Aus im DFB-Pokal in Dresden, ein 3:4 nach einer 3:0-Führung. Bereits nach der herben Derby-Klatsche zu Hause gegen Köln im September (1:4) wandten sich Teile der Fans von Dutt ab und fordern seitdem seinen Rücktritt.
Nur das Weiterkommen in der Champions League in einer anspruchsvollen Gruppe mit Chelsea, Valencia und Genk überlagerte lange einige Probleme. "Man hat die gesamte Vorrunde über gesehen, dass irgendwas nicht stimmt. Das wurde dann durch kleinere Erfolgserlebnisse und zuletzt durch die Serie von sechs Spielen in Folge ohne Niederlage übertüncht", sagte Völler nach dem 0:3 am letzten Vorrundenspieltag zu Hause gegen Nürnberg über die internen Probleme.
Die sollen jetzt aber endlich konsequent angegangen und abgestellt werden, die Bosse sehen die kurz- und mittelfristigen Ziele in Gefahr. Demonstrativ wird Dutt deshalb der Rücken gestärkt.
"Robin Dutt genießt unser volles Vertrauen", sagte Völler - gab dem 46-jährigen aber gleich auch noch folgenden Rat mit auf den Weg: "Robin muss wieder dahinkommen, wo er am Anfang seiner Zeit bei uns war: Er muss wieder von seiner Arbeit überzeugt sein. Er muss sein Ding durchziehen getreu dem Motto: Ich will hier was bewegen. Aber am Ende des Tages sind in erster Linie die Spieler gefragt."
Auch dessen Kollege Holzhäuser hält am Trainer fest: "Ich bin mir sicher und weiß, dass keine der Führungskräfte Robin Dutt infrage gestellt hat. Das wird auch nicht passieren, weil er nicht zur Disposition steht. Wir gehen davon aus, dass wir im Trainingslager wieder einiges in die richtige Bahn bringen werden."
Selbst die direkte Qualifikation für die Champions League, derzeit sieben Punkte entfernt, sei noch in Reichweite. "Wir sind selbstbewusst genug, dass es mit unserer Qualität im Kader und der Rückkehr von Renato (Augusto, d.Red.) und Barnetta möglich ist, noch Platz drei anzugreifen", sagte Völler.
Der Trainer freut sich über die Rückendeckung: "Das zeigt, das wir alle voll hinter der Sache stehen."
Eine generell veränderte Ausrichtung: Vielleicht ist die Balitsch-Demission aber auch ein Vorbote für eine neue sportliche Ausrichtung der Mannschaft hin zu noch mehr Jugendstil.
Holzhäuser jedenfalls sorgte in dieser Woche für Aufsehen, als er mit Blick auf das anstehende Trainingslager in Lagos (Portugal) ankündigte: "Es geht dort nicht nur um die Vorbereitung auf die Rückrunde, sondern schon auf die kommende Saison. Es gibt eine mittelfristige Planung, statt auf einige der Platzhirsche eher auf die Jungen zu setzen!"
Keine besonders rosigen Aussichten für Spieler wie Manuel Friedrich, Simon Rolfes oder Michael Ballack, die entweder schon weit über 30 sind oder stramm drauf zugehen. Als "Drohgebärde" bezeichnet der "Kicker" Holzhäuser Aussagen.
Für Ballack, der sich über seine weitere Zukunft immer noch ausschweigt und dem zuletzt Wechselabsichten ins Ausland (USA, China) zugeschrieben wurden, ein klarer Fingerzeig.
Offenbar soll also Dutt die von Holzhäuser gewünschten Reformen im Trainingslager auf die Bahn bringen und gleichzeitig aber das von Völler formulierte Ziel Champions-League-Qualifikation realisieren. Eine große Aufgabe.
Zumal sich bisher bewahrheitet, was vereinzelte Kritiker schon vor der Saison befürchtet hatten: Mit Dutt ist nach dem gescheiterten Bruno Labbadia der nächste "Konzepttrainer" schnell in Schwierigkeiten geraten. Offenbar dient Bayer Leverkusen nicht besonders als Experimentierfeld für die junge Trainergeneration. Dabei wurde in der Trainerfindung ausdrücklich ein konträrer Entwurf zu Jupp Heynckes gesucht und in Dutt gefunden.
Wie schnell die Stimmung in Leverkusen nach nur einem verlorenen Spiel aus den letzten sechs Wochen aber jetzt schon wieder kippt, ist schon bemerkenswert...
Das ist Bayer Leverkusen