Es gibt die verschiedensten Anekdoten vom Training unter Felix Magath. Solche, die sich um Medizinbälle drehen, um ewig lange Treppen oder Waldwege, manche sogar um Wasserflaschen. Über Sinn und Unsinn seiner Methoden lässt sich viel diskutieren, doch eins steht fest: Magaths Training ist knallhart.
Das erfuhr auch Bjarne Thoelke. "Da musstest du jedes Training gnadenlos bis an die Leistungsgrenze gehen", erzählte er im Nachhinein. Ihn erwischte es besonders schwer: 2011 durfte der Youngster die Vorbereitung mit den VfL-Profis absolvieren und zog sich prompt einen Ermüdungsbruch im Fuß zu.
So dauerte es noch weitere drei Monate, bis das VfL-Talent im Oktober 2011 seinen Profivertrag unterschreiben konnte. "Bjarne Thoelke ist ein Nachwuchstalent mit Bundesliga-Perspektive. Er hat das Zeug, auf seiner Position in die Mannschaft hineinzuwachsen", prophezeite ihm Magath damals.
Doch die Zeit dazu bekam er nicht. Thoelke machte vier Spiele von Beginn an, doch währenddessen kam der VfL der Abstiegszone immer näher. Magath reagierte, tauschte seine Startelf immer wieder aus. Lange Bewährungszeiten hatte keiner. Fortan stand Thoelke nie wieder auf dem Platz, kickte nur noch für die Amateure und verabschiedete sich zum Saisonende nach Dresden.
Wolfsburgs neue Identifikationsfigur?
Doch Thoelke war seinerzeit nicht nur ein vielversprechendes Talent. Thoelke hatte das, wonach sich viele beim VfL seit Jahren sehnten: Potenzial zur Identifikationsfigur. Ein Potenzial, das in seinem Fall nie zur Geltung kommen konnte. Dabei hat es Seltenheit in Wolfsburg, nicht erst seit Magaths exzessiver Einkaufspolitik.
Thoelke stammte aus der Region, hatte sich durch Wolfsburgs Jugend bis in die erste Mannschaft hochgearbeitet. Doch der letzte wichtige Schritt zum festen Bestandteil des Profiteams blieb ihm verwehrt. Und damit auch die Chance, vielleicht eines Tages zu einem Gesicht des Vereins werden zu können.
Gut zwei Jahre nach Thoelkes Profidebüt hat der VfL plötzlich wieder einen Youngster mit genau diesem Potenzial. Maximilian Arnold, noch von Magath mit einem Profivertrag ausgestattet, debütierte vergangene Saison unter Dieter Hecking und sorgte jüngst mit zwei sehenswerten Toren gegen Augsburg und Werder für einen kleinen Hype um seine Person.
"Ich habe Gänsehaut bekommen", erzählte Arnold, der bei seiner Auswechslung von den Fans mit Sprechchören gefeiert wurde. Arnold, die neue Wolfsburger Identifikationsfigur?
"Arnold tut dem VfL gut"
Der 19-Jährige hat nahezu alle Voraussetzungen, um diese Rolle auszufüllen. Mit 15 Jahren wechselte er in die VfL-Jugend, wurde später mit der U 19 Meister. Sein Talent ist unbestritten, bei Mitspielern und Fans ist er besonders beliebt. Und: Er steht im Fokus - im Gegensatz zu Youngster Robin Knoche, der zwar ebenfalls schon lange für den VfL kickt, als unauffälliger Verteidiger aber kaum im Mittelpunkt steht.
Manager Klaus Allofs weiß um das besondere Potenzial, das in Arnold steckt: "Maximilian ist bodenständig und beliebt. Er steht als ein Junge aus der eigenen Jugend für einen wichtigen Teil unserer Philosophie", so Allofs, der es auf den Punkt bringt: "Maximilian Arnold tut dem VfL gut."
Arnold ist ein wichtiges Puzzlestück des neuen Wolfsburger Selbstverständnisses. Weg vom wild zusammengewürfelten Riesenkader, gespickt mit Alt-Stars und No-Names aus allen Ecken dieser Welt, hin zu nachhaltiger Transferpolitik und regional orientierter Jugendarbeit. Diese Philosophie propagieren Allofs und Hecking und arbeiten seit Amtsantritt im Winter an ihrer Verwirklichung. Dank Arnold hat diese Philosophie nun endlich ein Gesicht.
Comeback nach Horror-Start
Dabei erwischte der Youngster einen wahrhaft grauenvollen Start in seine zweite Profisaison. Spontan rutschte er am ersten Spieltag für den erkrankten Ivan Perisic in die Startelf - und musste gnadenlos Lehrgeld bezahlen. Für sein ungestümes Einsteigen gegen Karim Haggui flog er nach nur 32 Minuten mit glatt Rot vom Platz.
Nach der Sperre fand sich der 19-Jährige auf der Bank wieder. Erst durch die Verletzungen von Vieirinha und wenige Wochen später Ja-Cheol Koo erhielt er wieder eine neue Chance. Doch statt auf seiner üblichen Position am linken Flügel ließ ihn der Trainer im Zentrum ran. Regisseur Diego musste nach rechts ausweichen.
Heckings Plan ging auf: In Augsburg traf Arnold auf Diego-Vorlage sehenswert zum 1:1-Ausgleich, gegen Bremen erzielte er auf spektakuläre Weise das wichtige 1:0. Und ganz Wolfsburg schwärmte vom neuen VfL-Juwel.
"Maxi ist ein großartiger Spieler. Es ist fantastisch, mit ihm zu spielen", freute sich Diego über seinen neuen Nebenmann. "Der Junge hat so viel Potenzial", lobte ihn Naldo. Und Keeper Benaglio meinte: "Maxi ist ein richtig guter Junge. Es freut uns alle."
Allofs und Hecking bremsen Erwartungshaltung
Die sportliche Führung hingegen übte sich in Zurückhaltung. Es ist der klassische Reflex, der immer dann zieht, wenn eines der wichtigsten Talente plötzlich im Fokus steht. Allofs und Hecking traten mit aller Kraft auf die Euphoriebremse.
"Es ist nicht so, dass er jetzt immer spielen muss. Er soll sich in Ruhe entwickeln", stellte Allofs klar. Und Trainer Hecking kündigte an, man werde ihn auch "mal herausnehmen, wenn er körperlich in einem Tief ist". Arnold müsse "im Training noch mehr zeigen, um in der Mannschaft zu bleiben".
Sowohl die mediale als auch die eigene Erwartungshaltung des Spielers an sich selbst soll bewusst gedämpft werden. An keiner von beiden soll das Projekt Arnold scheitern. Dafür ist er als neue Identifikationsfigur für den VfL zu wertvoll.
Maximilian Arnold im Steckbrief