Jens Keller setzte sich in die letzte Reihe und hörte interessiert zu. Vorne erklärte Junioren-Trainer Norbert Elgert das Erfolgsrezept der Jugendarbeit von Schalke 04. "Ich wollte mal sehen, wie es von der anderen Seite her aussieht", sagte der Chefcoach der Königsblauen schmunzelnd.
Nicht nur, weil sich vor dem Halbfinale in der UEFA Youth League plötzlich alle für den Schalker Diamantenschleifer Elgert und die so erfolgreiche "Knappenschmiede" interessierten - Keller erlebt derzeit beim Gelsenkirchener Traditionsverein die ruhigste Phase seiner Trainerzeit.
Seit er die Schalker trotz großer Verletzungssorgen in der Rückrunde vom siebten auf den dritten Platz geführt und immer wieder neue Talente eingebaut hat, ist die Kritik am 43-Jährigen verstummt.
Sicher im Sattel
Was noch vor vier Monaten undenkbar war, ist königsblaue Realität: Niemand stellt Keller mehr infrage. Sogar als Mittelfeldstar Kevin-Prince Boateng beim 1:1 bei Werder Bremen am vergangenen Samstag auf dem Platz kurzerhand selbst die Aufstellung umstellte, blieb der große Aufschrei aus.
"Sehr beeindruckend" fand der Trainer den vermeintlichen Eingriff in seine Zuständigkeit, "man sieht, dass wir Spieler haben, die mitdenken."
Noch in der verkorksten Hinrunde wäre Boatengs Taktik-Initiative ein Angriff auf die Autorität des Trainers und ein mittelschwerer Skandal auf Schalke gewesen. Jetzt übernimmt ein Führungsspieler Verantwortung, und der Coach freut sich über einen "intelligenten Angestellten"
Klare Entscheidungen bringen Ruhe
Keller, der noch im Dezember vor dem Rauswurf stand, hat viel gelernt in seinen 16 Monaten als Schalker Chefcoach. Eine klare Hierarchie mit Boateng als Boss, die Entscheidung für Ralf Fährmann als Nummer eins im Tor und der Mut, in der größten Personalnot die Talente ins kalte Wasser zu werfen, haben den Umschwung bewirkt.
Dass außerdem Torjäger Klaas-Jan Huntelaar nach langer Verletzungspause zurückkam und wieder trifft wie in besten Zeiten, half natürlich auch.
"Wir haben einen überagenden Trainer"
Mit den Erfolgen ist auch das Selbstbewusstsein des Schwaben gestiegen. Als er im Vereinsmagazin Schalker Kreisel nach einer Erklärung für den Aufschwung gefragt wurde, antwortete er lachend: "Wir haben einen überragenden Trainer." Keller, einst im Boulevard das "Gesicht der Krise", ist deutlich lockerer geworden.
Bei der Pressekonferenz der Schalker "Knappenschmiede" vor dem Endturnier in der Jugend-Champions-League scherzte er mit den Journalisten über den Zusammenhang der Verpflegung im Medienraum mit der Berichterstattung.
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Ohrfeige für den Sohn
Es ist noch nicht lange her, da war ihm nicht zum Lachen zu Mute. Sein 13-jähriger Sohn war angegriffen worden. "Er hat von einem 19-Jährigen und einem 23-Jährigen eine gefeuert gekriegt", berichtete Keller, "das Zitat war: Du bist doch der kleine P...er vom Keller."
Der Wind hat sich gedreht. Wenn Armin Veh am Freitag mit Eintracht Frankfurt in die Arena kommt (20.30 Uhr im LIVE-TICKER), wird er medial nicht als Keller-Nachfolger empfangen.
Dabei hatte der scheidende Eintracht-Coach in den vergangenen Monaten nicht nur einmal angeblich schon sicher auf der Schalker Trainerbank gesessen.
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