Längst kein Foot-Soldier mehr

Von Max Schöngen
Salomon Kalou wird von nun an für die Hertha auf Torejagd gehen
© getty

Mit der Verpflichtung von Salomon Kalou ist der Hertha kurz vor Ende der Transferperiode ein Coup gelungen. Trotz der vielen Erfolge beim FC Chelsea spielte der Ivorer dort meist unter dem Radar, bevor er beim OSC Lille in eine neue Rolle schlüpfte. Bei der Hertha entfacht sein Kommen in jedem Fall neue Euphorie, auch die Erwartungen steigen.

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Noch in vielen Jahren wird man über den Triumph des FC Chelsea 2012 in der Champions League sprechen. Von Didier Drogba, von Petr Cech oder auch von Frank Lampard. Der Name Salomon Kalou wird dabei wohl eher weniger Erwähnung finden.

So mancher dürfte sich ohnehin nicht ganz sicher sein, ob der Ivorer in der Allianz Arena überhaupt auf dem Platz stand oder nicht. Ähnlich verhält es sich auch mit den beiden Halbfinal-Partien zuvor gegen Barcelona. Auch dort spielte er, ebenso wie im dramatischen Elfer-Krimi im Finale 2008 von Moskau.

Es sind die großen Namen, die nachhallen. Einer wie Kalou aber fällt dabei gerne mal durch das Sieb.

Der "Foot-Soldier"

Er selbst ist sich dessen bewusst, sein Name ist international bekannt, wird aber auch überschattet von größeren und klangvolleren. Seinen Anteil an den zahlreichen Erfolgen der Blues aber hatte der Ivorer stets und das ist ihm auch sehr wichtig: "Die Leute denken immer, ich habe nie gespielt oder hatte nur eine kleine Rolle in der Mannschaft, aber in den sechs Jahren bei Chelsea habe ich in den wichtigen Spielen immer gespielt. Ich war da, wenn der Klub mich brauchte", sagte er einmal, jedoch auch im völligen Bewusstsein seiner Rolle und seiner Wahrnehmung bei den Blues.

"Ich war eher ein Foot-Soldier und die Leute nehmen einen Foot-Soldier kaum wahr." Ein Foot-Soldier also, ein Laufbursche der nicht vorangehen muss und stets im Schatten anderer steht. In Kalous Fall immerhin einer, der bei den großen Schlachten seiner Mannschaft immer mitwirkte.

Sechs Trainer überdauert

In seinen sechs Jahren an der Themse hat Kalou einiges erlebt, Michael Ballack, Andriy Shevchenko oder Deco, die Liste der Namen die er erst kommen und dann wieder gehen sah, ist lang. In erster Linie aber überdauerte er auch ganze sechs Trainer-Engagements bei Chelsea, alle von ihnen mit unterschiedlichen Ideen, mit unterschiedlichen Wunschspielern.

Der Ivorer aber kam bei fast allen Trainern zum Einsatz, auch wenn ihm in aller Regelmäßigkeit neue Topstars vor die Nase gesetzt wurden. Seine Tempoläufe, seine Dribblings, seine Handlungsschnelligkeit aber auch die Tatsache, dass er so gut wie nie verletzt war, machten ihn zu einer stets wichtigen Option, meist jedoch nur von der Bank.

Ganze 109 Mal wurde er in seiner Zeit bei Chelsea eingewechselt und sorgte damit für einen Rekord bei den Blues, keine befriedigende Situation. Zu rebellieren aber kam nie in Frage, "der Klub ist größer als jeder Spieler", das hatte ihm Jose Mourinho bereits zu seinen Anfängen an der Stamford Bridge klargemacht.

Damals, 2006 war Kalou als 20-Jähriger an die Stamford Bridge gewechselt. Im Gepäck, die Empfehlung "Bester Nachwuchsspieler der Eredivisie 2005", blickt man auf die Talentschmieden aus Amsterdam, Rotterdam oder Eindhoven, dann vermag das durchaus etwas heißen. Kein Wunder also, dass Mourinho auf den Ivorer pochte und ihn schließlich auch bekam.

Im nationalen Interesse

Kurz vor seinem Wechsel war der Einbürgerungsversuch Kalous in Holland vor dem Obersten Gericht gescheitert. Ein Fall, der im ganzen Land für Aufsehen sorgte, sogar der damalige Bondscoach Marco van Basten trat als Zeuge auf. Keine Frage, Kalou galt damals als eines der größten Talente in Europa. Bei dieser Begabung könne man im nationalen Interesse nicht auf ihn verzichten, so van Basten, der Kalou gerne mit zur WM 2006 genommen hätte, der Versuch aber scheiterte.

Rund sechs Jahre und acht Titel später war die Zeit bei Chelsea abgelaufen, zur Saison 2012/2013 bekam er keinen neuen Vertrag mehr und musste sich anderweitig umsehen, es folgte der Wechsel nach Lille und einige große Veränderungen.

Neue Rolle in Lille

Weg von einer Metropole hinein in eine Provinz, von nun an in einer Mannschaft, in der er nicht mehr einer von vielen war, sondern eine zentrale Rolle einnahm. Nicht mehr nur von der Bank kommend, sondern vorgesehen als zentraler Baustein der Offensive.

Er nahm die neue Rolle an und wurde in Lille den Erwartungen gerecht, in 66 Ligapielen gelangen ihm in den folgenden beiden Jahren 30 Treffer und zehn Assists. In der Vorsaison hatte der Ivorer wesentlichen Anteil am dritten Platz in der Ligue 1, der die Teilnahme an den Playoffs für die Champions League bedeutet. Die Duelle mit dem FC Porto sollten seine ganz persönlichen Schicksalsspiele werden.

Bei der Finanzplanung des neuen Stadions hatte sich der Klub zuvor finanziell übernommen, aufgrund seines hohen Gehalts konnte ein Verbleib nur im Falle der Champions-League-Teilnahme gestemmt werden. Das war nicht der Fall, Lille schied aus und für die OSC-Verantwortlichen stand fest: Kalou muss weg, die Hertha griff zu.

"Es ist vollbracht!"

Mit einer Ablöse von vorerst 1,8 Millionen Euro, exklusive etwaiger zusätzlicher Prämien, ist die Ablöse gering, drei Millionen Euro an Jahresgehalt bedeuten jedoch auch die Spitze der Herthaner Gehaltsliste.

"Es ist vollbracht!" Der stolze Tweet von Hertha-Manager Michael Preetz versetzte die Anhängerschaft der Hertha am Sonntag in helle Aufregung. Der Wechsel nach Berlin war für viele eine Überraschung, immerhin hatten neben Borussia Mönchengladbach auch Klubs aus England und der Türkei die Fühler ausgestreckt. Kalou aber entschied sich für die Alte Dame.

Die Stadt Berlin, die Bundesliga aber auch die Perspektive gaben den Ausschlag, der finanzielle Aspekt stand weniger im Vordergrund wie er jüngst gegenüber der "Bild" beteuerte.

Mit Schieber im Angriff?

Durch die Verpflichtung des Ivorers kann Preetz auch das letzte personelle Fragezeichen im Kader durch ein Ausrufezeichen ersetzen. Die gesamte Sommerpause über befand man sich an der Spree nach den Weggängen von Adrian Ramos und der Nicht-Rückkehr von Pierre-Michel Lasogga auf der Suche nach einer weiteren Alternative im Angriff.

Dennoch verzichtete man auf einen überstürzten Transfer, auch ein Zeichen dafür, dass man durchaus Vertrauen in den bisherigen Kader hatte und das auch nicht ohne Grund. Immerhin wurde für die Offensive mit Valentin Stocker, Genki Haraguchi und Roy Beerens vielversprechendes Personal geholt, Julian Schieber scheint sich bei der Alten Dame aus seinem Tief der vergangenen Jahre freizuspielen.

Wie Luhukay jüngst nochmal betonte, muss Schieber im Sturmzentrum nicht um seinen Stammplatz bangen. In jedem Fall stehen dem Hertha-Trainer nun weitere wichtige Optionen zur Verfügung, ein Schritt mehr hin in Richtung Unberechenbarkeit und Flexibilität - Eigenschaften, die sich Luhukay seit seinem Amtsantritt zum Credo gemacht hat.

"Schnell, beweglich und unberechenbar"

Spätestens in seiner Zeit beim OSC Lille hat Kalou bewiesen, dass er sich nicht nur auf dem Flügel wohlfühlt, auch im Zentrum kann der Ivorer einiges ausrichten und auch in einer Variante mit zwei Spielern fühlt er sich wohl. In der vergangenen Saison bildete er zumeist zusammen mit Nolan Roux das Angriffsduo im Sturm, auf Kalou kam dabei zumeist die Rolle des Zentrumsstürmers zu, wohingegen sich Roux häufig fallen ließ.

In ein festes Muster ist der 29-Jährige ohnehin nicht zu zwängen, das erkannte auch Lilles Trainer Rene Girard und ließ dem Ivorer bisweilen Handlungsfreiheit, ähnlich sieht es auch sein neuer Chef Jos Luhukay: "Schnell, beweglich und unberechenbar - Salomon passt perfekt in das Profil, das wir gesucht haben"

Mit dem Ivorer wechselt nach langer Zeit auch wieder ein klangvoller Name in die Hauptstadt, Erinnerungen an namhafte Spieler wie Marcelinho oder Marco Pantelic werden geweckt, aber auch die Euphorie und die Erwartungen in der Hauptstadt dürften nicht kleiner werden.

Erwartungen, die vor allem durch die starke Hinrunde in der vergangenen Saison geschürt wurden, hinzu kam der Einstieg des Investors KKR, seitdem ist man in Berlin schuldenfrei.

Nicht mehr der Fußsoldat

Der starken Hinrunde folgte eine ernüchternde Rückserie, in der man schon nach kurzer Zeit keine Ambitionen mehr nach oben hegte. Grund genug für die Verantwortlichen der Hertha, neue Reizpunkte zu setzen, zumal mit dem Abgang von Adrian Ramos im Angriff ohnehin ein Umbruch anstand.

"Wenn wir als Hertha uns in der Bundesliga etablieren wollen, ist es wichtig, die Mannschaft Jahr für Jahr durchzuselektieren", unterstrich Preetz vor der Saison den Ansatz der Herthaner, spätestens seit dem Transfer von Kalou ist dies nun gelungen.

Im kommenden April, am 30. Spieltag, trifft die Hertha auf den FC Bayern. Kalou wird an den Ort seines größten Triumphes zurückkehren. Dann aber nicht mehr nur als Foot-Soldier.

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