Jürgen Klopp benötigt drei Versuche, er bringt die entscheidenden Worte kaum heraus. Er beginnt einen Satz, "Ja, also, okay..", er stockt, lächelt, beginnt von vorn. Ein tiefer Atemzug - dann erlöst er sich. "Das ist der richtige Moment für eine Veränderung bei Borussia Dortmund. Dafür muss ein großer Kopf weg - und das ist meiner", sagt er, und im Presseraum der Arena prasseln die vielen Blitzlichter.
Jürgen Klopp hat den BVB aus dem tiefsten Abstiegskampf in höchste Höhen geführt. Er hat dem Verein den Stolz zurückgegeben, so sagen es die Fans, eine Ära geprägt. Der spektakuläre Überfall-Fußball des BVB trägt sein Brandzeichen.
Doch im verflixten siebten Jahr ist der Motivationskünstler unter Dauerstrom der Meinung, nicht mehr der Richtige zu sein. Daher bat er um Auflösung seines bis 2018 laufenden Vertrags zum Saisonende - der Verein erfüllt diesen Wunsch schweren Herzens. Als Nachfolger wird Thomas Tuchel gehandelt.
Veränderung steht bevor
"Es hat gedauert, bis ich es aussprechen konnte", berichtet Klopp am Mittwoch nach einem Schluck aus seiner schwarzen BVB-Kaffeetasse, seine Souveränität steht dabei in krassem Gegensatz zu den Leichenbittermienen von Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc. "Ich war mir nicht sicher, aber ich konnte die Frage, ob ich noch der perfekte Trainer für den BVB bin, nicht mehr eindeutig mit Ja beantworten. Die Veränderung wird allen guttun."
Der Vorstandsvorsitzende Watzke, sichtlich berührt, blass und den Tränen nahe, kann das offensichtlich noch nicht glauben. "Du kannst sicher sein, dass Dir nach diesen fantastischen Erfolgen, dieser unfassbar guten Zusammenarbeit der ewige Dank aller Borussen zuteil wird", sagt er. Es folgt eine innige Umarmung mit dem Erfolgstrainer.
Nach sieben Jahren ohne Klopp
Borussia Dortmund ohne Jürgen Klopp - nach sieben Jahren ist es nicht einfach, sich das vorzustellen. Sein Vorgänger war tatsächlich Thomas Doll, das klingt noch weiter entfernt, als es tatsächlich ist. "Der Verein war großartig, als ich kam, und er ist heute noch großartiger", sagt Klopp über sein Werk. "Es geht etwas zu Ende, von dem ich mir als Mensch gewünscht hätte, dass es nicht so ist. Ich werde jeden Einzelnen unglaublich vermissen."
Vermissen werden sie in Dortmund auch Klopp, der zwei Meistertitel und den Pokal holte, der mit dem BVB 2013 im Champions-League-Finale stand. Der mit dem Klub über die Jahre verschmolzen ist. Nicht fern ist der 23. Mai, das letzte Saisonheimspiel gegen Werder Bremen - eine Zäsur, denn Klopp ist fraglos eine der wichtigsten Figuren der Vereinsgeschichte.
In der laufenden Saison schien es jedoch, als habe er sich abgenutzt. Die Mannschaft pflegte nicht mehr den begeisternden Stil der Vorjahre, oder sie rannte der alten Idee erfolglos hinterher. Leistungsträger schwächelten, Neueinkäufe waren Fehlschläge.
"Ich werde nicht müde"
Der BVB implodierte, er stürzte in der Hinrunde in den Abstiegskampf. Klopp wirkte entzaubert, angegriffen, bisweilen ratlos. Es wurde deutlich, wie viel Kraft diese sieben Jahre ihn gekostet haben. Stets trieb er seine Spieler mit allerhöchstem Einsatz an deren Leistungslimit, und, so schien es, darüber hinaus. Auch er selbst übertrat Grenzen, rastete wiederholt aus. Sonst hätte ihn die Anspannung wohl zerrissen.
Doch ausgebrannt? Das ist Jürgen Klopp nicht, er sah auch nicht danach aus. "Ich werde nicht müde. Ich habe nichts in der Hinterhand, aber auch kein Sabbatical geplant. Nichts ist geplant, kalkuliert, taktiert", versichert der 47-Jährige. Dann verabschiedet er sich zum Training.
Am Samstag geht es schließlich gegen den SC Paderborn, und der BVB steht ja auch noch im Pokal-Halbfinale bei Bayern München. Eine Titelchance. "Ich habe hier noch den letzten Traum", sagt Klopp: "Noch einmal mit dem großen Lastwagen um den Borsigplatz fahren."
Weitere Stimmen zum Klopp-Abgang:
Oliver Bierhoff (Manager der DFB-Elf): "Wenn er zu einem anderen Verein geht, wird das wohl einer aus einem anderen Land sein. Ich bin ein bisschen traurig, dass er aufhört. Er ist eine große Persönlichkeit, hat exzellente Arbeit geleistet und wäre für die Bundesliga sicher ein Verlust: Aber ich habe auch 13 Jahre im Ausland gespielt, das war eine tolle Erfahrung, und das ist es auch für Trainer. Wenn er diese machen kann, wäre das sicher gut für ihn."
Christoph Metzelder bei Sky: "Ich glaube, dass nicht nur alle Experten überrascht sind. Auch alle Fans und alle Spieler haben damit nicht gerechnet. Sie wussten von nichts. Das zeigt so ein bisschen auch, dass es eine Entwicklung war, die sich zwar möglicherweise angedeutet hat, aber jetzt eben so dynamisch wurde, weil es einfach eine neue Konstellation bezüglich der Nachfolge-Regelung gegeben hat. Weil man in Gesprächen mit Mats Hummels und Ilkay Gündogan ist, die einfach Eckpfeiler dieser Mannschaft sind und wissen wollen, wie der sportliche Weg von Borussia Dortmund weitergeht. Jetzt ist einfach die Frage, in welche Richtung man mit Borussia Dortmund weitergehen möchte. Ich glaube, dass dieser Dortmunder Weg immer derjenige war, junge Spieler neu zu entwickeln und eine hungrige Mannschaft aufzustellen. Das würde schon zum Profil Thomas Tuchel passen."
Patrick Owomoyela bei Sky: "Das war natürlich eine riesige Überraschung und ein Riesenschock. Ich hätte nicht gedacht, dass es dann doch so schnell geht. Allerdings habe ich ja auch immer gesagt, irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem er sich selbst hinterfragt und vielleicht auch entscheidet, dass es gut war bis hier hin und ab jetzt doch bitte jemand anderes weitermachen soll. Das ist natürlich auch für die Mannschaft erst einmal ein Schock. Man muss abwarten, wie sie das aufnimmt und wie sie das vor allem ins Sportliche umsetzt. Das kann auf der einen Seite natürlich belasten. Auf der anderen Seite kann das natürlich auch emotionalisieren und Energien freisetzen."
Jürgen Klopp im Steckbrief