"Studentenleben ist andere Welt"

Von Interview: Micha Schneider
Timo Heinze stand auf dem Sprung zu den Profis beim FC Bayern München
© getty
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SPOX: Sie sprachen in Ihrem Buch auch von einem "Kopfproblem", das Sie hatten und dass Sie sich selbst zu viel Druck gemacht hätten, nach der Verbannung auf die Bank die Wende zu schaffen. Waren Sie schon immer ein Grübler?

Heinze: Schon. Aber in Erfolgszeiten hat mir das Reflektieren auch sehr gut getan, da gibt es bei anderen die Gefahr, abzuheben. Ich konnte das ganz gut einordnen. Im Misserfolg war es aber hinderlich, dass dieses Grübeln kam. Ich habe Sachen zu sehr gegeneinander abgewogen und mich an vielen Dingen zu sehr festgehalten. Die Kunst ist es, das, was einem nichts bringt, aus dem eigenen Fokus zu rücken. Das habe ich in jungen Jahren nicht geschafft und würde ich heute wohl anders angehen. Ich bewundere aber auch heute noch die Wenigen, denen auch groß Nackenschläge kaum etwas auszumachen scheinen.

SPOX: Bereits in den Jugendteams wird gnadenlos ausgesiebt. Viele fallen kurz vor Schluss noch durchs Raster, nachdem sie die komplette Jugend Ihrem Traum geopfert haben. Inwieweit würde ein Sportpsychologe auch schon in den Jugendmannschaften helfen?

Heinze: Er würde sehr helfen. Das Angebot sollte einfach da sein, im Erwachsenenbereich auf Leistungsniveau sowieso. Natürlich sollte das niemandem aufgezwungen werden, aber in der Jugend kann man schon präventiv arbeiten. Die Jungs haben mit Schule und den Anforderungen im Verein einiges um die Ohren und oft sehen sie in dem Alter auch noch nicht, dass es auch ein Leben ohne Fußball gibt. Es wäre aber auch wichtig für diejenigen, die es schaffen. Heute ist es ja nicht unüblich, schon als 18-Jähriger in der Bundesliga zu spielen. Darauf muss man auch erst mal mental vorbereitet sein.

SPOX: Sie selbst haben nach Ihrer Karriere Sportmanagement und Kommunikation an der Deutschen Sporthochschule Köln studiert und studieren jetzt noch Psychologie. Wollen Sie Ihre Erfahrungen weitergeben?

Heinze: Ich bin erst so wirklich drauf gekommen, als ich mir mein Buch nochmal vor Augen geführt habe, in dem es ständig um irgendwelche psychologischen und mentalen Themen ging. (lacht) Da habe ich gemerkt, dass mich das wohl einfach interessiert und fasziniert. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich Sportpsychologe werden möchte, weil das ein sehr spannendes und wichtiges Feld mit enormem Potenzial darstellt. Mir geht es nicht darum, meine eigenen Fehler von früher damit rückgängig zu machen aber sicher kann ich einiges weitergeben, da ich selbst Ähnliches erlebt habe.

SPOX: Sehen Sie das Fußballbusiness seit Ihrem Studium denn mit anderen Augen?

Heinze: Das auf jeden Fall. Ich selbst war zwar kein extrem bekannter Fußballprofi, aber in dieser Welt haben bekanntlich einige Dinge nicht viel mit der Realität zu tun. Der Verdienst, der Status als Promi oder die öffentlichen Aufmerksamkeit: Da ist ein normales Leben als Student, bei dem man schauen muss, wo das Geld herkommt, schon eine andere Welt. Es kommt auch sicher nicht von ungefähr, dass sich viele Ex-Profis so schwer damit tun, wieder ein geregeltes, "normales" Leben zu führen.

SPOX: Ihr ehemaliger Teamkamerad Mats Hummels genießt so ein "Promileben", musste zuletzt allerdings auch viel öffentliche Kritik einstecken. Kümmern Sie sich als angehender Sportpsychologe dann auch um solche Fälle?

Heinze: Die Medien werden natürlich immer wichtiger. Und solch eine herbe Kritik ist natürlich eine der Schattenseiten, mit denen Profis umgehen müssen. Zu Mats: Er ist clever genug, das einzuordnen. Ich treffe ihn noch ein, zweimal im Jahr und gehe dann mit ihm und seinem Bruder Jonas einen Kaffee trinken oder die obligatorische Runde Badminton spielen. Da reden wir dann aber natürlich über andere Dinge, als darüber, wie er sich in den Medien zu verhalten hat. (lacht)

SPOX: Sie selbst lässt der Fußball aber scheinbar auch noch nicht ganz los. Sie bestritten in der Saison 2011 nochmal elf Spiele in Ihrer studentischen Heimat Köln für Fortuna in der Regionalliga. Hat es einfach wieder gejuckt in den Füßen?

Heinze: Ich wollte einfach nochmal den Spaß am Fußball wiederfinden und das war auch definitiv der Fall. Ich bin zwar nicht mal ansatzweise an meine alte Leistungsstärke herangekommen, aber allein deswegen hat sich das Jahr gelohnt. Länger hätte es aber keinen Sinn gemacht. Mein Studium hatte Priorität, wir haben sechs, sieben Mal pro Woche trainiert und ich bin nur zwischen Hörsaal und Fußballplatz gependelt. Das war dann doch nicht ganz das Studentenleben, das ich wollte (lacht).

SPOX: Ein bisschen weniger zeitaufwändig ist Ihre neue Leidenschaft Futsal. Sie spielen mittlerweile Ihre fünfte Saison. Aktuell laufen Sie als Kapitän der Futsal Panthers Köln in der WFLV-Liga auf und kämpfen als Tabellenführer um die westdeutsche Meisterschaft. Wie stehen denn die Chancen?

Heinze: Ich hoffe nicht schlecht. Aktuell läuft es richtig gut, aber das wird noch eine enge Kiste und vor der Saison galten wir nicht unbedingt als Topfavorit. Futsal ist einfach geil. Ich bin richtig verliebt in diesen Sport und könnte das halbe Interview lang die Vorzüge aufzählen. Als Jugendspieler habe ich im Winter oft in der Halle gespielt, aber mit Futsalregeln macht es einfach viel mehr Spaß. Ich würde mir sehr wünschen, dass der Sport auch in Deutschland immer mehr an Popularität gewinnt.

SPOX: Es sieht aktuell danach aus. In diesem Jahr wird es erstmals auch eine offizielle deutsche Futsal-Nationalmannschaft geben und das erste Länderspiel stattfinden. Heißt es dann doch bald wieder "Heinze für Deutschland"?

Heinze: Da würde sich auf jeden Fall ein Kreis schließen und es wäre für mich persönlich eine riesen Geschichte, nochmal das Nationaltrikot zu tragen, auch wenn man das mit den Jugendländerspielen im Fußball natürlich nicht vergleichen kann, das sind zwei Paar Stiefel. Beim allerersten Länderspiel überhaupt dabei zu sein, wäre wirklich ein Traum. Ich mache mir auch durchaus Hoffnungen, aber die Konkurrenz ist wirklich stark und ein Futsal-Kader recht klein. Letzten Endes entscheidet das natürlich der zukünftige Bundestrainer, um jetzt auch mal eine Fußballer-Floskel bemühen zu dürfen (lacht).

Seite 1: Heinze über das Feeling Allianz-Arena, und Gänsehaut-Momente bei Facebook

Seite 2: Heinze über Sportpsychologie und den Traum vom Futsal-Nationalteam

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