Coach Ralph Hasenhüttl fordert "unverzichtbare Investitionen", Sportdirektor Rangnick will "fünf oder sechs junge Dachse" - nach der außergewöhnlichen Debüt-Saison in der Bundesliga muss Vizemeister RB Leipzig seinen Kader im Sommer königsklassentauglich machen. SPOX wirft einen Blick auf die Mannschaft der Sachsen: Wie sieht das Personal aus? Wer muss gehen? Und wer könnte kommen?
Tor
Das Personal: Peter Gulacsi, Yvon Mvogo, Fabio Coltorti, Philipp Köhn
Offene Positionen: keine
Kandidaten: keine
Die Situation: Zwischen den Pfosten sind die Planungen der Bullen bereits abgeschlossen. Mit Peter Gulacsi, Yvon Mvogo und Fabio Coltorti steht das Dreiergespann auf der Linie. Der erst im Sommer nach Leipzig gewechselte Marius Müller wird den Verein auf Leihbasis - vielleicht sogar gen Salzburg - verlassen, der ablösefrei aus der Stuttgarter U19 kommende Philipp Köhn wird bei den Profis nur dann eine Rolle spielen, sollte sich einer aus dem Torwart-Trio verletzen.
Der 36-jährige Coltorti steht als Nummer drei fest und hat seinen Vertrag erst kürzlich um eine Spielzeit verlängert. Als Nummer eins geht wohl wieder "Platzhirsch" (Rangnick) Gulacsi ins Rennen, wobei die Bullen mit Torwart-Juwel Mvogo einen Schnapper eingekauft haben, der dem Ungarn den Platz im Tor streitig machen könnte.
"Er hat herausragende Qualitäten und hundertprozentig das Potenzial für ganz oben. Yvon hat internationales Niveau", schwärmte Mvogos Torwarttrainer bei den Young Boys Bern, Stefan Knutti, im SPOX-Interview: "Er ist fußballerisch sehr stark und spielt mit. Bei ihm stimmt das Gesamtpaket - gerade, wenn man bedenkt, dass er erst 22 ist."
Abwehr
Das Personal: Willi Orban, Dayot Upamecano, Marvin Compper, Marcel Halstenberg, Bernardo, Lukas Klostermann, Benno Schmitz
Offene Positionen: Innenverteidiger-Backup, Linksverteidiger-Backup
Kandidaten: Perr Schuurs, Issa Diop, Dan-Axel Zagadou, Matthijs de Ligt
Die Situation: Auch in der Innenverteidigung stellen die Bullen ein Triumvirat, an dem es wenig zu rütteln gibt: An Kapitän und Abwehrchef Willi Orban führt kein Weg vorbei, Nebenmann Marvin Compper hat seinen Vertrag erst um zwei Jahre verlängert.
Hinter dem im etablierten 4-4-2 normalerweise gesetzten Duo hat sich Zehn-Millionen-Winterneuzugang Dayot Upamecano nach einer wackligen Anfangszeit zu einem passablen Backup gemausert. Da auch Allrounder Stefan Ilsanker die letzte Reihe spielen kann, dürfte man in Leipzig auf dem Transfermarkt maximal an einen lernfähigen Youngster denken.
Auf der linken Abwehrseite gab Marcel Halstenberg als nominell einziger Linksverteidiger bis zum 27. Spieltag den Alleinunterhalter und verpasste keine Sekunde Spielzeit. Erst gen Ende der Saison wurde er von Allrounder Bernardo unterstützt, der in Abwesenheit von Lukas Klostermann, der nach nur einem Einsatz am 2. Spieltag die komplette Saison mit einem Kreuzbandriss fehlte, zuvor abwechselnd mit Benno Schmitz den Rechtsverteidiger gab.
Mit der Rückkehr von Klostermann, den Rangnick "schon als Neuzugang" rechnet, haben die Bullen einen Links- sowie drei Rechtsverteidiger im Kader. Letztere, vor allem Bernardo, können zwar auch als Backup für den links gesetzten Halstenberg einspringen, ein junger Neuzugang als Backup für den 25-Jährigen scheint aber keineswegs ausgeschlossen.
Zumal der an den FCI ausgeliehene Anthony Jung zwar "definitiv in der kommenden Saison bei RB Leipzig spielen" wird, wie dessen Berater ankündigte - es aber wohl nicht mehr ins Team schafft. "Ich gehe jetzt davon aus, dass es für unsere Leihspieler keinen so großen Sinn macht, wieder zu uns zurückzukommen", sagte Rangnick diesbezüglich. Auch Atinc Nukan steht noch bei den Bullen unter Vertrag, beim jungen Türken gibt es aber Zeichen von Leihklub Besiktas, den Innenverteidiger fest zu binden.
In Sachen eigener Transfers haben Rangnicks Aussagen, "fünf bis sechs junge Dachse" holen zu wollen, und vor allem dass an die 50 unbekannte Spieler in der Verlosung seien, die Gerüchtemühle entsprechend angeworfen. Einschränkung: "Wir werden, Stand heute, weiterhin keinen Spieler holen, der älter als 24 Jahre ist." Und wirklich gehaltvolle Meldungen sucht man bislang vergebens.
Der 17-jährige Innenverteidiger Perr Schuurs von Fortuna Sittard wurde genauso in die Verlosung geschrieben wie Issa Diop vom FC Toulouse, für den Leipzig Le10sport zufolge bereits ein abgelehntes Angebot abgegeben haben soll. Mit Dan-Axel Zagadou (PSG-Jugend) und Matthijs de Ligt (Ajax) sind angeblich zwei weitere U18-Spieler im Fokus, die Rangnicks Ankündigungen erfüllen würden, man müsse die Neuzugänge erst einmal googeln.
Mittelfeld
Das Personal: Stefan Ilsanker, Diego Demme, Naby Keita, Dominik Kaiser
Offene Positionen: Defensives Mittelfeld
Kandidaten: Sofyan Amrabat, Emmanuel Sowah, Konrad Laimer
Die Situation: Klare Ansagen gab's von Boss Rangnick nicht nur bezüglich der Zugänge, sondern vor allem auch mit Blick auf die Abgänge. Dort ist Rani Khedira einer von nur zwei Spielern, die den Verein verlassen dürfen - und im Fall des Weltmeister-Bruders auch werden. Nach nur 155 Spielminuten in zehn Spielen diese Saison wird der defensive Mittelfeldspieler den Bullen ablösefrei den Rücken kehren.
Ganz anders Rangnicks Ansage bezüglich der Stars der Hasenhüttl-Truppe wie Naby Keita: "Naby wird definitiv, wie alle anderen Spieler auch, die zum engeren Kreis der Stammspieler gehören, nächstes Jahr hier spielen. Das steht fest." Der Guineer rief angeblich schon während seiner überragenden Saison zahlreiche Interessenten auf die Plan, die aber alle abblitzen werden.
Auch der "absolute Allrounder" (Rangnick) Stefan Ilsanker, der erst im Winter bis 2020 verlängerte, und Neu-Nationalspieler Diego Demme sind fester Bestandteil der Bullen in der nächsten Saison. Sogar Ex-Kapitän Dominik Kaiser, dem in der vergangenen Spielzeit nur die Joker-Rolle blieb, soll seinen bis 2018 laufenden Vertrag erfüllen. Er werde laut Hasenhüttl "eher mehr Spiele machen als in dieser Saison, weil wir mehr Aufgaben haben werde". So gilt auch hier: Ein Einkauf für die Breite ist gut möglich, aber trotz Zusatzbelastung der Champions League kein Muss.
Heißen könnte der Neuzugang Sofyan Amrabat, der 20-Jährige spielt derzeit für Utrecht und soll bei den Leipzigern auf dem Zettel stehen. Aus Anderlecht könnte Emmanuel Sowah den Weg nach Sachsen finden, doch ist diese Spur etwas heißer: Mit Massimo Bruno ist derzeit ein Leipziger an den RSC verliehen, niederländischen Medienberichten zufolge könnten die beiden Spieler miteinander verrechnet werden. "Momentan wollen wir die Kaufoption ziehen. Er ist hier gerne und entwickelt sich gut", sagte Anderlecht-Manager Herman van Holsbeeck bereits im März. Sowah kann auf der rechten Seite sowohl in der Abwehr als auch im Mittelfeld eingesetzt werden. Auch Salzburg-Youngster Konrad Laimer wird als möglicher Kandidat gehandelt.
Sturm
Das Personal: Emil Forsberg, Marcel Sabitzer, Timo Werner, Oliver Burke, Yussuf Poulsen, Davie Selke
Offene Positionen: Mittelstürmer
Kandidaten: Amin Younes, Kasper Dolberg, Bertrand Traore, Jadon Sancho, Maximilian Philipp
Die Situation: Eine falsch interpretierte Aussage von Emil Forsberg sorgte kurz für Unruhe, mittlerweile ist aber klar, dass der mit 22 Assists beste Vorlagengeber binnen einer Saison der Ligageschichte (gleichauf mit Kevin De Bruyne und Zwetschge Misimiovic) bei den Bullen bleiben wird: "Ich kann mir aktuell keinen besseren Verein vorstellen. Im Fußball ist grundsätzlich vieles möglich, aber ich habe meinen Vertrag hier ja verlängert, weil ich mich in Leipzig sehr wohlfühle."
Gleiches gilt für Timo Werner, der mit seiner Schwalbe nicht nur für den Aufreger der Saison sorgte, sondern auch 21 Tore und sieben Assists (!) beisteuerte, sowie für Dauerbrenner Marcel Sabitzer, der satte 31 Mal in der Startelf stand.
Bleiben wird auch Oliver Burke, dem Hasenhüttl zwar jüngst "sehr, sehr große fußballerische Defizite" bei dessen Ankunft in Leipzig attestierte. Dennoch soll der Schotte, bislang zumeist als Joker im Einsatz, mithelfen, die kommenden Aufgaben in der Champions League zu meistern. Hasenhüttl: "Olis Zeit wird kommen." Auch Yussuf Poulsen, der vor allem im Saisonendspurt nach seinem Muskelbündelriss im Februar öfter ran durfte, kann sich auf steigenden Einsatzzeiten ob der Mehrfachbelastung einstellen.
Bleibt Davie Selke, der zweite potenzielle Abgang eines namhaften Spielers. Acht Millionen Euro, munkelt man, wollen die Bullen bei einem Weiterverkauf des Angreifers einnehmen, der als Stoßstürmer hinter Werner und Poulsen nicht wirklich zum Zug kommt. Manager Frank Baumann von Selkes Ex-Klub Werder Bremen hat offiziell sein Interesse hinterlegt, doch könnten die Norddeutschen dabei finanziell vor Problemen stehen. Auch Lazio und Florenz sollen im Poker um den 22-Jährigen mitmischen. In jedem Fall stehen die Zeichen auf Trennung.
Was durchaus auf einen Neuzugang hindeuten würde - und in Sachen Angreifer wurden die Sachsen schon mit gefühlt jedem U-Talent in Verbindung gebracht, das bei drei nicht auf dem Baum war. Das von der L'Equipe ins Leben gerufene Interesse an Matz' Ismaila Sarr wurde von Rangnick schon höchst selbst dementiert.
Auch Hoffenheims Nadiem Amiri ist laut eigener Aussagen aus dem Rennen, während die Sport Bild vom Interesse am Ajax-Trio Amin Younes, Kasper Dolberg und Bertrand Traore wissen will. Der 17-jährige Jadon Sancho aus Citys U18 wird in der Gerüchteküche genauso gehandelt wie Freiburgs Maximilian Philipp, dessen Berater zwar eine Einigung dementierte, aber grundsätzlich einen Wechsel weg vom Sport-Club nicht ausschloss.
Wobei es für die Bullen auch Nachschub aus dem eigenen Unterbau geben wird: Elias Abouchabaka, Nicolas Kühn (beide U17) und Federico Palacios Martinez (2. Mannschaft), der sogar schon Profi-Einsätze absolvierte, werden kommende Spielzeit wohl fest zur ersten Mannschaft aufrücken. Der an Bochum verliehene Nils Quaschner hat keine Zukunft bei den Bullen, der VfL besitzt eine Kaufoption.