"Er war tot", sagte Lucien Favre und schob nach: "Er brauchte eine Pause, weil er alle Spiele gemacht hat." Gesprochen hatte der Trainer von Borussia Dortmund nach dem 2:2 gegen den SC Freiburg über Jadon Sancho. Die englische Woche habe den Schweizer dazu gebracht, den Engländer erstmals in dieser Saison aus der Startelf zu rotieren.
Zwei Änderungen gegenüber dem 2:0-Erfolg bei Slavia Prag nahm Favre im Breisgau vor. Man hätte im Vorfeld mit einer etwas größeren Anzahl oder auch mit anderen Personalien rechnen können. Julian Brandt etwa, der in Tschechien eine ordentliche Leistung bot, erwartete man erneut von Beginn an.
Auch auf einen Bankplatz von Marco Reus hätte man tippen können, wie Sancho schließlich ebenfalls ein Vielspieler. Und einer, wenngleich zwar Kapitän der Mannschaft, der in dieser Saison noch nicht in Schwung gekommen ist. Eine kleine Verschnaufpause für Reus wäre ganz grundsätzlich betrachtet jedenfalls nicht die allerschlechteste Idee gewesen.
Manuel Akanji aktuell der formschwächste BVB-Spieler
Der BVB-Spieler mit den meisten Einsätzen in dieser Saison, nämlich zehn in zehn Pflichtspielen und allesamt über die kompletten 90 Minuten, ist jedoch ein anderer: Manuel Akanji. Selbst ein Bänder-Teilriss im linken Sprunggelenk, den er während der vergangenen Länderspielpause erlitt, bremste den Schweizer nicht aus.
Verdient hätte sich Akanji eine Pause allemal - neben dem regenerativen Effekt auch noch aus einem weiteren Grund: Der "ziemlich komplette" Abwehrspieler (Sportdirektor Michael Zorc) befindet sich in dieser Spielzeit ziemlich komplett neben der Spur. In der Dortmunder Truppe lassen sich einige Akteure finden, die aktuell unter ihrem gewohnten Niveau agieren, doch Akanji ist derzeit der formschwächste von allen.
Angefangen hat die Schwächephase des Innenverteidigers Anfang April, als beim desaströsen 0:5 gegen den FC Bayern die gesamte Mannschaft versagte. Dieses Spiel könnte auch ein Grund dafür sein, weshalb Favre Akanji gegenwärtig weiter vertraut und ihm keine Pause gönnt. Damals nämlich lieferte mit Dan-Axel Zagadou ein Konkurrent von Akanji eine unterirdische Leistung ab. Seitdem ist der Franzose beinahe komplett außen vor.
Für Favre liegt es wohl auch an der Auswahl
Nur noch 39 Einsatzminuten gab es für Zagadou nach München. Beim 2:2 gegen Frankfurt vor zwei Wochen wechselte Favre ihn für den angeschlagenen Mats Hummels erstmals in dieser Saison ein, um mit dessen Größe der Frankfurter Kopfballstärke zu begegnen. Als Hummels eine Woche später gegen Bremen ausfiel, schickte Favre aber Julian Weigl in die Abwehrmitte. Und das, obwohl Weigl die bisherige Spielzeit über wieder auf seiner angestammten Position im defensiven Mittelfeld agierte.
Es liegt für Favre offenbar also auch an der Auswahl. Schließlich muss es ja etwas heißen, wenn er einem offensichtlich formschwachen Spieler wie Akanji weiterhin den Vorzug gibt und statt einem gelernten, kopfballstarken Innenverteidiger von 1,96 Meter Größe auf einen Profi baut, der nicht besonders darauf erpicht ist, im Abwehrzentrum zu verteidigen.
Letzte theoretische Option wäre noch der im Januar für 15,5 Millionen Euro verpflichtete Argentinier Leonardo Balerdi, der bislang allerdings ausschließlich bei der U23 zum Einsatz kam. "Er trainiert mit uns und braucht Zeit", sagte Favre kürzlich über den 20-Jährigen. "Ich habe mit ihm darüber gesprochen. Es ist ein wenig anders in Europa als in Argentinien. Das Tempo ist höher. Die Distanz zwischen den Linien ist ganz anders. Er braucht einfach Zeit, aber das ist normal. Es war so geplant."
Akanji und Hummels spielen mehr neben- als miteinander
Die Wertschätzung, die Favre dem unbestritten talentierten Akanji derzeit zuteilwerden lässt, hätte dieser sich wohl auch schon vor der Saison gewünscht. Noch im Vorjahr machte Favre seinen Landsmann zum dritten Kapitän hinter Reus und Lukasz Piszczek. Vor der laufenden Saison ist Akanji nun freiwillig aus dem Mannschaftsrat zurückgetreten, weil Favre Hummels als dritten Spielführer nominierte. Dabei hätte Akanji im Mannschaftsrat weiter das Sprachrohr für die jüngeren Spieler sein sollen, doch das schmeckte dem 24-Jährigen offenbar nicht mehr.
Seitdem munkelt man, dass Akanji und Nebenmann Hummels nicht das beste Verhältnis miteinander pflegen. Blickt man während der Spiele auf beide Innenverteidiger, wird diese Mutmaßung eher unterstützt als entkräftet. Jedenfalls finden kaum einmal eine gemeinsame Kommunikation oder eine gegenseitige Motivierung statt. Beide spielen eher neben- als miteinander.
Dies fiele nicht derart ins Gewicht, würde Hummels nicht deutlich stabiler agieren. Akanjis Mängelliste in dieser Saison ist lang: zahlreiche Unkonzentriertheiten in Köln, grober Schnitzer vor dem 1:2 bei Union, bei Frankfurts 1:1 Torschütze Silva aus den Augen verloren, in Freiburg vor dem 1:1 zu zaghaft herausgerückt, dazu noch die schwache Klärung und das anschließende Eigentor in der Schlussminute.
Unterschiedliche Fehler in Akanjis Spiel zu beobachten
Was stutzig macht: In Akanjis Spiel lassen sich seit geraumer Zeit unterschiedliche Unzulänglichkeiten beobachten. Mal wirkt er regelrecht schläfrig, mal leichtsinnig, er antizipiert schwächer und produziert eben teils spielentscheidende Fehler. Dazwischen lieferte er zwar durchaus auch solide Partien ab, ein echter Sicherheitsfaktor war er aber schon länger nicht mehr.
"Das gehört dazu", beschwichtigte Favre die Formschwäche einiger seiner Spieler in der letzten Woche: "Manchmal sind die Spieler ab August schon in Topform, andere Spieler erst im Oktober."
Geht es nach dieser Einschätzung des Trainers, hat Akanji also die kommenden vier Partien in diesem Monat noch Zeit, um aus seinem Loch wieder herauszukommen. Ein Umschwung wäre dringend nötig.
Manuel Akanji: Seine gesamten Leistungsdaten beim BVB
Wettbewerb | Spiele | Tore |
Bundesliga | 43 | 1 |
DFB-Pokal | 2 | 0 |
Champions League | 7 | 0 |