Die Transferposse um BVB-Star Jadon Sancho neigt sich dem Ende zu: Wie die Dortmunder per Adhoc-Meldung bekanntgaben, steht der Wechsel des 21-jährigen Offensivspielers zu Manchester United unmittelbar bevor.
Beide Klubs haben eine grundsätzliche Einigung erzielt, für den Engländer zahlen die Red Devils - vorbehaltlich des noch zu absolvierenden Medizinchecks - eine Ablöse in Höhe von 85 Millionen Euro. In Manchester soll Sancho nach Informationen von SPOX und Goaleinen Vertrag bis 2026 erhalten.
Was bedeutet dieser Schritt für Sancho, United und die Borussia? Der Sancho-Deal aus drei Perspektiven.
1. Sanchos Wechsel aus der Perspektive von Manchester United
Knapp zwei Jahre buhlte United um die Dienste Sanchos - und wurde nun belohnt. Sportlich erhalten die Red Devils mit der Verpflichtung des englische Nationalspielers noch mehr Offensivpower.
Trainer Ole Gunnar Solskjaer bekommt in Sacho einen zusätzlichen gelernten Rechtsaußen, der seiner Elf in der Vergangenheit gefehlt hatte. Neben Mason Greenwood, der lieber im Zentrum agiert, und dem 18-jährigen Amad Diallo, der schrittweise an die Mannschaft herangeführt wird, füllten in der vergangenen Saison Marcus Rashford (Linksaußen) und Anthony Martial (Stürmer) die Position aus.
Sancho verleiht Solskjaers Spiel zudem mehr Tiefe, Kreativität und Flexibilität, da er alle Offensivpositionen bekleiden kann.
Prestigeträchtige Nummer: Sancho-Deal auch aus PR-Sicht bedeutend
Auch wirtschaftlich zahlt sich Uniteds Langatmigkeit aus. Der englische Vizemeister drückte die Ablösesumme von den zunächst geforderten - aber auch aufgrund der Corona-Krise nicht umsetzbaren - 120 auf 85 Millionen Euro.
Sancho soll Medienberichten zufolge bei United die prestigeträchtige Rückennummer 7 erhalten und wäre damit der erste Engländer seit Michael Owen, der diese Nummer trägt. Zuvor hatten sie Legenden wie David Beckham, Cristiano Ronaldo, Eric Cantona oder George Best inne. Aktuell trägt allerdings Stürmer Edinson Cavani die "7", dieser steht noch bis 2022 unter Vertrag.
Sancho-Transfer: Rahmenbedingungen mit Risiko verbunden
Gleichzeitig birgt der Deal ob der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch gewisse Risiken. Die Gesamtablöse, die United auf einen Schlag zahlen soll, könnte nach Informationen der Bild durch Bonuszahlungen weiter ansteigen. Wie der kicker berichtet, sind diese an niedrige Bedingungen geknüpft.
Eine Komponente, die angesichts der Delta-Variante des Coronavirus auch zum Problem werden könnte, schließlich ist derzeit unklar, welche Auswirkungen die Mutation auf die angestrebte Fanrückkehr, den weiteren Saisonverlauf und die damit verbundene finanzielle Situation der Klubs hat.
Zudem bleibt abzuwarten, ob Sancho in der Premier League sofort ähnlich starke Leistungen abrufen kann wie in Dortmund. Die Erwartungen jedenfalls sind gigantisch.
Mit Alexis Sanchez, Memphis Depay und Angel Di Maria wurden in der Vergangenheit bereits verheißungsvolle Spieler verpflichtet - und ebenfalls mit der prestigeträchtigen Nummer 7 ausgestattet -, die es nicht schafften, die Erwartungen zu erfüllen.
2. Sanchos Wechsel aus der Perspektive des BVB
137 Pflichtspiele, 50 Tore und 64 Assists: Die Statistik aus Sanchos vier Jahren beim BVB spricht Bände. Der Abgang des Edeltechnikers ist sportlich ein herber Verlust.
Sancho ist ein Spieler, der in engen und wichtigen Duellen stets den Unterschied ausmacht. Das bewies er nicht zuletzt in der vergangenen Rückrunde, nachdem er zu Saisonbeginn zunächst mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen und erst am 14. Spieltag seinen ersten Treffer erzielt hatte. Der Rechtsfuß zählte neben Erling Haaland, mit dem er sehr gut harmonierte, zu den absoluten Säulen in der Dortmunder Offensive und war ein entscheidender Faktor für das Erreichen der Königsklasse sowie den DFB-Pokal-Triumph.
Bei der Mission, Branchenprimus FC Bayern München auf lange Sicht Paroli bieten zu wollen, verliert der BVB mit Sanchos Wechsel zudem an Prestige. Der Engländer ist der nächste namhafte Akteur, den Dortmund zum Star formte und jetzt ziehen lassen muss.
Sancho-Abschied bringt Geld für die Corona-Kasse
2019 hatte man Sanchos bis 2022 datierten Vertrag heimlich um ein weiteres Jahr verlängert. Vergangenen Sommer schob Sportdirektor Michael Zorc einem Wechsel noch einen Riegel vor, da die Forderungen der Dortmunder nicht erfüllt wurden. Gleichzeitig vereinbarte man mit Sancho ein "Gentlemen's agreement", wonach dieser unter bestimmten Bedingungen wechseln dürfe. Diese sind nun erfüllt, auch wenn der BVB nicht die anfangs geforderten 120 Millionen Euro erhält.
"Wir freuen uns nicht über das Geld, sondern sind traurig, dass er weg ist", betonte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke: "Wir hätten ihn gerne behalten, trotz Corona." Dabei können die Schwarz-Gelben die Transfereinnahmen trotz erfolgreicher CL-Quali gut gebrauchen. Rund 75 Millionen Euro beträgt der Verlust während der Pandemie. Laut Informationen der Bild wollen die Verantwortlichen einen Teil der Ablöse zur Kompensation einsetzen.
15 Prozent der Einnahmen fließen dabei an Manchester City. Bei Sanchos Wechsel 2017 hatten die beiden Klubs eine Weiterverkaufsbeteiligung vereinbart. Bei 85 Millionen Euro beläuft sich der Anteil auf 12,75 Millionen Euro.
gettyDie Suche nach dem Sancho-Nachfolger und der Faktor Zeit
Der restliche Teil der Einnahmen soll indes in einen Nachfolger investiert werden. Dass der BVB den Sancho-Abgang ausschließlich intern auffängt, scheint mit Blick auf die schwankenden Leistungen von Spielern wie Giovanni Reyna, Thorgan Hazard oder Julian Brandt unwahrscheinlich. Die Dortmunde Transferpolitik sieht - nicht zuletzt aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel - keine Mega-Transfers vor. Vielmehr setzt man im Ruhrpott auf junge Spieler mit Entwicklungspotenzial.
"Wir werden keinen Jadon Sancho bekommen, aber wir werden versuchen, kreative Lösungen zu finden", erklärte der neue BVB-Coach Marco Rose im Rahmen seiner offiziellen Vorstellung. Zuletzt wurde PSV-Angreifer Donyell Malen als Wunschlösung genannt. Wie die Bild berichtet, soll der 22-Jährige rund 25 Millionen Euro kosten. Finale Gespräche zwischen dem BVB und der Malen-Seite sollen demnach nach der Europameisterschaft stattfinden.
Malens Vertrag in Eindhoven läuft noch bis 2024, Cheftrainer Roger Schmidt deutete jüngst einen Abschied des niederländischen Nationalspielers an. Bei der EM, verbuchte Malen in vier Einsätzen zwei Assists, schied mit der Elftal jedoch im Achtelfinale gegen Tschechien aus. In der vergangenen Spielzeit gelangen ihm 27 Tore und zehn Vorlagen in 45 Pflichtspielen für die PSV.
3. United-Wechsel aus der Perspektive von Jadon Sancho
"Es war der exemplarische Wunsch von Jadon (zu United zu wechseln, d. Red.). Wir hätten ihn gerne behalten", erklärte Watzke. Auch für Sancho enden damit Diskussionen, die ihm zu Beginn der vergangenen Spielzeit womöglich zu schaffen machten.
Dass er trotz anhaltender Diskussionen und bestehendem Wunsch nach Veränderung stets fair geblieben ist, bestätigte Watzke: "Er hat sich immer vorbildlich verhalten. Es ist ein Unterschied, ob jemand, der vier Jahre hier ist diesen Wunsch äußert oder ob jemand versucht, mit Krawall vom Hof zu gehen."
Mit der Rückkehr nach England geht für Sancho ein persönlicher Traum in Erfüllung. Nachdem er sich bei City nicht für die Profis empfehlen konnte, soll er stets damit geliebäugelt haben, sich diesen Schritt in naher Zukunft zu verwirklichen.
Erwartungshaltung steigt: Sancho der neue Heilsbringer?
Ob der Wechsel nach Manchester tatsächlich einen sportlichen Aufstieg darstellt, ist derweil nicht völlig klar. Zwar hat Solskjaer bewiesen, dass er junge Spieler weiterentwickeln kann, doch United hatte ähnlich wie der BVB in den vergangenen Jahren Probleme, den Titel zu gewinnen.
Klar ist, dass die Fans und Verantwortlichen große Stücke auf Sancho setzen. Man hofft, die Lücke auf die Tabellenspitze zu schließen, die Erwartungen an einen Unterschiedsspieler wie Sancho sind dementsprechend hoch.
Jadon Sanchos Statistiken bei Borussia Dortmund
Pflichtspiele | Tore | Vorlagen | Gelbe Karten | Platzverweise |
137 | 50 | 64 | 6 | - |