Nachdem die letzte Träne getrocknet und der Schlussakkord von "You'll never walk alone" verklungen war, schlüpfte Christian Streich rasch in die Rolle des nachdenklichen Mahners. Trotz der Gala seiner Mannschaft beim emotionsgeladenen Abschied vom Dreisamstadion blickt der altgediente Erfolgstrainer des SC Freiburg nicht sorgenfrei in die Zukunft des Fußball-Bundesligisten.
"Entscheidend wird sein, wenn wir rüber gehen ins neue Stadion, ob wir die Demut mitnehmen können", sagte Streich im Anschluss an das 3:0 (3:0) gegen den FC Augsburg: "Ob die Zuschauer und wir, ob wir dann weiter zusammenstehen und diesen Spirit leben, auch wenn schwere Zeiten kommen - und die werden kommen. Das wird die große Aufgabe für uns alle sein. Das ist alles entscheidend - und das beschäftigt mich."
Die Freiburger verlassen ihr bisheriges Stadion nach 67 Jahren und 360 Bundesligaspielen. Die direkt am Eingang zum Schwarzwald gelegene Arena war einzigartig in der Eliteklasse. Der SC brauchte eine Sondergenehmigung für den Spielbetrieb, da der Platz kürzer als erlaubt ist und fast einen Meter Gefälle aufweist.
Das neue Stadion mit einer Kapazität von knapp 35.000 Plätzen, für das Baukosten in Höhe von 76 Millionen Euro veranschlagt wurden, entstand seit November 2018 im Nordwesten der Stadt. Die Arena wird beim kommenden Heimspiel am 16. Oktober gegen RB Leipzig in Betrieb genommen.
Streich fürchtet sich vor übersteigerten Erwartungshaltung
Nach 25 Jahren im Verein weiß Streich nur zu gut, was für den "kleinen" Sport-Club am Beginn einer neuen Ära auf dem Spiel steht. Der 56-Jährige fürchtet sich vor allzu ehrgeizigen Plänen und einer übersteigerten Erwartungshaltung, die Einzug halten und die Grundlage des bisherigen Erfolgs gefährden könnten.
"Wenn wir es schaffen, den Zusammenhalt mit rüberzunehmen, steht der Verein vor einer guten Zukunft", äußerte Streich: "Einige Vereine haben das aber nicht geschafft - und die kicken teilweise nicht mehr in der ersten Liga oder waren lange Zeit nicht dabei."
Nach einem Absturz sieht es vorerst allerdings nicht aus - ganz im Gegenteil. Die Breisgauer spielten gegen den FCA wie aus einem Guss und stellten einen Klubrekord auf.
SC Freiburg erstmals nach sechs Spielen ungeschlagen
Erstmals in seiner Historie ist der SC nach sechs Spieltagen einer Saison ungeschlagen. Lukas Kübler (6.), Lucas Höler (25.) sowie Vincenzo Grifo per Handelfmeter (33.) trafen für die Freiburger, die auf den fünften Tabellenplatz kletterten.
Doch obwohl die Leistung der eingespielten Mannschaft, die klare Handschrift des Trainers, der gut besetzte Kader und die starke Form der Leistungsträger eine gute Saison verheißen, zeigte sich Streich gewohnt zurückhaltend. "Sie hören von mir ja immer das Gleiche. Ich weiß, wo wir hingehören", sagte der Coach: "Es gibt gute Phasen - und es werden andere Phasen kommen."
Immerhin Kapitän Christian Günter schaute nach seinem 300. Pflichtspiel im SC-Trikot etwas optimistischer nach vorne: "Jetzt gehen wir rüber ins neue Stadion - um dort wieder Geschichte zu schreiben."