Während viele Fußball-Fans in Deutschland noch verwundert ihre Augen rieben, veröffentlichte der internationale Twitter-Account des FC Augsburg eine Videobotschaft von Fabrizio Romano, dem wohl bekanntesten und aktuell bestinformierten Journalisten, wenn es um Transfergerüchte geht.
Wann immer die von ihm verbreiteten Gerüchte Realität werden, und das werden sie erstaunlich oft, verkündet er die Transfers mit dem Satz: "Here we go." Der Spruch ist zu seinem Markenzeichen geworden. Romano folgen allein auf Twitter über sechs Millionen Menschen, also ungefähr 24-mal so viele wie dem FC Augsburg.
Der Italiener macht das Transfergeschäft zur Show. Eine Show, an der sich die Augsburger diesmal ganz bewusst beteiligt haben, indem sie ihm eine Bühne bereiteten. Auf dem englischsprachigen Twitter-Account des FC Augsburg verkündete der Transfer-Experte, dass der "Pepi-Hypetrain" in Augsburg angekommen ist.
Mit Ricardo Pepi ist eines der größten Talente der MLS also nicht zum FC Bayern, nicht zu Borussia Dortmund, sondern zu einem Abstiegskandidaten der Bundesliga gewechselt - beinahe so inszeniert, als wäre Kylian Mbappe gerade zu Real Madrid gegangen. In Deutschland runzelten indes viele Fans verdutzt die Stirn.
Ricardo Pepi: Was kann er, wo liegen seine Stärken?
Wer ist eigentlich Ricardo Pepi? Und wieso sorgt er für so einen Hype? Der Stürmer kommt aus jener Akademie des FC Dallas, die auch schon Spieler wie Weston McKennie, Chris Richards oder Bryan Reynolds hervor- und nach Europa brachte. Für Pepi, daraus macht er selbst keinen Hehl, ist Real Madrid tatsächlich das große Ziel.
Kein Wunder also, dass Topklubs wie Real Madrid, der FC Bayern oder Liverpool mit ihm in Verbindung gebracht wurden. Überraschend sind in diesem Kontext eher zwei Aspekte: Erstens der FC Augsburg als erste europäische Station und zweitens Pepis Entwicklung im Jahr 2021.
Vielleicht erklärt diese sogar, warum er zunächst in Augsburg Fuß fassen möchte: Noch vor gut einem Jahr schien Pepi weit weg zu sein von einem Wechsel nach Europa. Dann aber explodierte er regelrecht und traf in 31 Einsätzen 13-mal. Moment mal. 13 Treffer in 31 Partien? Das klingt jetzt nicht nach einem "Wunderkind", wie der FC Augsburg ihn im Ankündigungsvideo bezeichnet hat.
Auch hier ist der Kontext wichtig. Einerseits kommt er auf eine Quote von einer direkten Torbeteiligung pro 128 Minuten und andererseits spielte er eben für Dallas, die in der Western Conference weit von den Qualifikationsplätzen für die Play-offs entfernt waren und lediglich den drittletzten Platz belegten.
Vor allem aber sollte man sich nicht von Quoten blenden lassen. Pepi ist in seinen Anlagen ein mitspielender Stürmer, der aktiv an der Ballzirkulation teilnimmt und dafür auch häufig seine Position verlässt. Vergleiche mit Robert Lewandowski sind zum jetzigen Zeitpunkt hoch gestochen, aber in der Art und Weise, wie die beiden Fußball spielen, gibt es durchaus Ähnlichkeiten.
Pepi vereint physische mit technischen Grundfähigkeiten und ist deshalb häufig eine verlässliche Anspielstation im offensiven Mittelfeld. Seine klugen Laufwege und sein Verständnis für gefährliche Räume machen ihn für gegnerische Verteidiger nur schwer greifbar. Auch gegen den Ball engagiert er sich mit guten Pressingaktionen, statt Pausen einzulegen. Hinzu kommt, dass er sowohl mit rechts als auch mit links einen guten Abschluss hat. In seinem Alter gibt es nur wenige Stürmer, die so viele Fähigkeiten auf einem hohen Grundniveau miteinander vereinen.
Ricardo Pepi: Was kann er dem FC Augsburg sportlich geben?
Dass der FC Augsburg in diesem Winter viel Geld ausgeben würde, war nicht zwingend absehbar. Wenig überraschend ist es aber, dass man dieses Geld bei einem Stürmer anlegt. Nur drei Klubs haben in der Bundesliga bisher weniger Tore erzielt als der FCA. 17 Treffer stehen auf ihrem Konto, drei davon hat Florian Niederlechner in nur 442 Minuten Spielzeit erzielt - damit ist er Toptorjäger seines Teams.
Doch an Niederlechner wird auch ein kleiner Widerspruch deutlich: Ist es maßgeblich die fehlende Qualität der Einzelspieler oder gelingt es dem FC Augsburg unter Markus Weinzierl zu selten, die Angreifer in Szene zu setzen? Zumindest hat nur Fürth ligaweit weniger Abschlüsse als sie (10,6 pro Spiel). Und auch bei den erwartbaren Toren anhand der Chancenqualität sind die Augsburger drittletzter (1,0 pro Spiel) in der Bundesliga. Womöglich ist deshalb Vorsicht geboten, wenn darüber diskutiert wird, ob Pepi der nächste Haaland werden könnte.
Weinzierl hat bisher auf den Bereich im Kader gesetzt, der individuell am stärksten besetzt ist: die Defensive. Eine tiefe Verteidigungslinie und der Versuch, bei Ballgewinnen mit wenigen Kontakten in die Spitze zu spielen - darauf kann man seinen Ansatz wohl herunterbrechen. Problematisch ist allerdings, dass Augsburg die Verbindung zwischen Defensive und Offensive zu selten herstellen konnte.
Pepi kann helfen, aber auch Weinzierl muss sich anpassen
Letztendlich war Niklas Dorsch im Mittelfeld zu oft auf sich allein gestellt. Pepi ist zweifelsohne ein Stürmer, der weiträumiger agiert als alle anderen Angreifer im Kader. Und das allein könnte schon einige Probleme lösen.
Auch wenn Stürmer häufig an Toren gemessen werden, so könnte der Mehrwert des 18-Jährigen vor allem darin liegen, dass er die Zwischenräume vor Dorsch besser auffüllt. Sein kluges Freilaufverhalten und seine Fähigkeit, Bälle festzumachen könnten für Augsburg sehr wertvoll sein. Denn damit verschafft er seinen Mitspielern Zeit, mit aufzurücken und Konter somit häufiger zum Abschluss zu bringen.
Weinzierl wird sich nun aber auch anpassen müssen. Mit Pepi hat er jemanden, der mit seinen gegenläufigen Bewegungen auch Räume für die restliche Offensive öffnen kann. Augsburgs Spiel war bisher sehr durch Zurückhaltung geprägt. Und das verlängert auch die Wege bei Kontersituationen, was Pepi nicht gerade entgegenkommen würde. Seine Stärken liegen im Kombinationsspiel und im letzten Drittel, nicht aber in langen Tempoläufen. Er allein wird deshalb keinen Umschwung bringen.