Was Hertha BSC am Sonntag geschafft hat, gelingt den meisten anderen Bundesligisten nicht in einer kompletten Saison: Um halb zwölf morgens verkündete der Klub die Entlassung von Trainer Tayfun Korkut, um halb drei nachmittags mischte sich Investor Lars Windhorst in eine handelsübliche Debatte auf Twitter ein und plauderte dabei einfach so Interna aus. Und um halb neun abends dann das große Finale: Die Berliner ersetzen Korkut durch Felix Magath.
Es ist ein kühnes Drehbuch, das Fredi Bobic da gerade schreibt. Viele Beobachter hielten die Installation Magaths für einen Scherz, aber tatsächlich ist es jetzt so, dass der 68-Jährige die Hertha vor dem Abstieg bewahren soll. Ein Trainer, der zuletzt vor elf Jahren auf Schalke Erfolg hatte, danach aber mit seinen anderen Klubs und Teilzeit-Engagements teilweise böse unterging - in Fulham war von einer "Regentschaft des Wahnsinns" die Rede - und der seit fünf Jahren gar keine Mannschaft mehr betreut hat.
Hertha BSC: Bobic folgt einem gelernten Reflex
Das Setup erinnert frappierend an Schalkes Versuch, mit Christian Gross in der letzten Saison doch noch die Kurve zu bekommen. Oder an die eigene Geschichte vor zehn Jahren mit Otto Rehhagel. Das Ende ist jeweils bekannt.
Man kann Herthas Entscheidung in gewisser Weise nachvollziehen: Es bleibt kaum noch Zeit in dieser Saison, in acht Spieltagen ist Schluss und bis dahin müssen die Berliner mindestens noch eine andere Mannschaft hinter sich lassen, um es wenigstens in die Relegation zu schaffen.
Der neue Trainer wird kaum eine Chance haben, inhaltlich alles umzukrempeln oder neue Ideen zu implementieren. Und er soll unabhängig von der Ligazugehörigkeit nur bis zum Ende der Saison bleiben. Deshalb war das Raster bei der Trainersuche klar: Es muss ein so genannter Feuerwehrmann sein. Einer, der sofort helfen kann und am besten noch jede Menge Erfahrung mitbringt in solchen Situationen. Und da bleiben dann nicht mehr viele Trainer übrig, die überdies auch noch verfügbar sind.
Bobic ist einem gelernten Reflex gefolgt, und natürlich kann das mit Magath gut gehen und die Hertha entgeht dem Abstieg und damit auch dem sportlichen GAU - denn nichts anderes wäre der Gang in die Zweitklassigkeit nach den ungeheuerlichen Investitionen der letzten Jahre.
Aber Bobics Entscheidung ist auch so unglaublich entlarvend für das Milliarden-Geschäft Bundesliga.
Der Profifußball ist und bleibt eine Geldverbrennungsmaschine
In der langen Zeit, die Magath nun keine Erfolge mehr vorweisen konnte - ehe er nun aus dem totalen Nichts wieder auftaucht -, haben in der Trainerakademie des Deutschen Fußball-Bundes rund 250 Anwärter ihre FIFA-Pro-Lizenz erworben. Es mangelt nicht an deutschsprachigen, zumeist jungen, ganz sicher aber topmotivierten Trainern, die die Sprache der Spieler nicht nur sprechen, sondern allein auf Grund ihres Alters und ihrer Affinität zum Beruf ganz nah dran sind an der Bundesliga.
Aber eine Auswahl dieser Kandidaten müsste man für den Notfall auch kennen, sie im Hintergrund schon eine Zeit begleitet haben, sich mit ihrer Arbeit und ihrer Vita auseinandersetzen und dafür interne Ressourcen bereitstellen.
In jedem gut organisierten Wirtschaftsunternehmen ist das so. In der Bundesliga aber halten sich die alten und für die Entscheider bequemen Muster. Denn es ist doch so: Um auf Felix Magath als Retter in einer sehr prekären Lage zu kommen und mit ihm die wichtigste Position in einem Klub zu besetzen, benötigt man weder eine Scoutingabteilung, noch einen Sportdirektor, noch externe Berater, Einflüsterer oder überhaupt eine sportliche Expertise.
Dafür benötigt man letztlich nur Magaths Telefonnummer. Die vielen Millionen für die Experten im Klub könnte man sich getrost sparen. Aber der Profifußball ist eben, was er ist: eine gigantische Geldverbrennungsmaschine.