Es war dann doch eine kleine Überraschung, dass sich der SC Freiburg am Montagabend für einen Einspruch gegen die Wertung der 1:4-Niederlage im Ligaspiel gegen den FC Bayern entschloss.
Gleich mehrere Experten, von Schiedsrichter Felix Zwayer, der an besagtem Samstagnachmittag als VAR im Einsatz war, über Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich bis hin zu DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner, hatten die Verantwortung für den Wechselfehler, der zu genau 16 Sekunden Überzahl für die Bayern geführt hatte, bei Schiedsrichter Bastian Dingert verordnet.
Rein sportlich gesehen hatte das Kuriosum ohnehin keinen wirklichen Einfluss auf das Spielgeschehen: Der Rekordmeister führte wenige Minuten vor Schluss mit 3:1, die numerische Überzahl sorgte weder für eine Torchance der Gäste, noch verhinderte sie dergleichen für die Freiburger - und der ausgewechselte Kingsley Coman kam nicht einmal an den Ball. Man könnte von einer Verkettung unglücklicher Umstände sprechen, herbeigeführt durch Unachtsamkeiten mehrerer Protagonisten.
Sind die Freiburger am Ende also nur schlechte Verlierer?
Nein. Es ist vielmehr gut und richtig, dass der Klub diese Entscheidung getroffen hat, auch wenn sie nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird. Es ist nämlich höchste Zeit, den DFB in dieser Angelegenheit in die Pflicht zu nehmen.
DFB-Sportgericht schiebt Freiburg den Schwarzen Peter zu
"Sonst müsste das Sportgericht an jedem Wochenende bei jedem Schiedsrichter-Fehler tätig werden", hatte DFB-Lehrwart Wagner im Interview mit SPOX und GOAL die Praxis begründet, nur bei offiziellen Einsprüchen tätig zu werden. Das ist an sich nachvollziehbar, nicht jeder ausgebliebene Elfmeter und verteilte Gelbe Karte muss anschließend lang und breit verhandelt werden.
Nur: So einfach liegt der Fall diesmal eben nicht. Wenn halb Fußball-Deutschland zwei Tage lang darüber diskutiert, welcher Paragraph in diesem Fall denn nun angewendet werden müsste, ist ganz offensichtlich Klärungsbedarf vorhanden - ganz zu schweigen von der Frage, was passiert wäre, wenn Nico Schlotterbeck nicht prompt auf den 23. Spieler auf dem Rasen hingewiesen hätte.
"Wir vermerken dies im Spielbericht, alles Weitere wird der DFB entscheiden", hatte Dingert nach der Partie erklärt. Der Verband hätte angesichts des begründeten öffentlichen Interesses auch vorangehen und von sich aus eine Untersuchung anstrengen können, womöglich wäre sogar eine Lücke im Regelwerk zu schließen gewesen.
Stattdessen blieb er stumm und hielt sich starr an eine Verfahrungsregelung, die dem Sportclub eine "aktive Rolle" und im Endeffekt die "Verantwortung für die Aufarbeitung eines offensichtlichen Regelverstoßes" aufzwingt, wie dieser in seinem Statement treffend feststellte. Im Klartext: Der Schwarze Peter liegt so immer beim Verein.
Freiburg hat nichts zu verlieren - aber viel zu gewinnen
Umso besser, dass sich die Breisgauer nach reiflicher Überlegung nicht von dieser Tatsache abschrecken lassen. Selbst wenn, das wird auch Sportdirektor Jochen Saier und Trainer Christian Streich klar sein, die Aussicht auf Erfolg verschwindend gering sein dürfte.
Zu verlieren hat der SC Freiburg nämlich nichts. Zu gewinnen im besten Fall aber drei Punkte, die zum Saisonende über die Teilnahme an der Champions League und damit Einnahmen in achtstelliger Höhe entscheiden könnten. Auch der Liga kann es nur zum Vorteil gereichen, dass die Vorgänge noch einmal genau unter die Lupe genommen werden.
Und was ist mit verspielten Sympathien? Dem SCF als unsportlichen Paragraphenreiter? Diese Kritik dürfte - und sollte! - sich in Grenzen halten, schließlich sind die Freiburger als einziger Protagonist in dieser Angelegenheit zu 100 Prozent schuldlos. Und: Der eine oder andere dürfte es dem Sportclub sogar hoch anrechnen, dass einem vermeintlichen Bayern-Bonus noch einmal auf den Zahn gefühlt wird ...