Mit Kay Bernstein ist ein Unternehmer aus der Kommunikationsbranche zum Präsidenten von Hertha BSC gewählt worden, dessen Vergangenheit als Ultra ihn zu einem Novum im deutschen Fußball macht. Der 41-Jährige bringt viele gute Ansätze mit, ist aber ein Neuling in der Branche - und die hat bisher noch fast jeden Idealisten kleingekriegt. Ein Kommentar.
Beginnen wir mit einer Feststellung: Kay Bernstein, der neue Präsident von Hertha BSC, ist seit 16 Jahren kein Ultra mehr. Dennoch macht ihn seine Vergangenheit als Gründer der Ultra-Gruppierung Harlekins '98 zu einem Novum im deutschen Fußball, denn jemand wie er stand noch keinem Profiverein vor.
Es ist eine der vielen Realitäten, denen sich der 41-Jährige künftig stellen muss: Bernstein wird machen und tun können, was er will, das Etikett "Ultra" dürfte er nicht mehr losbekommen. Das ist eigentlich auch nicht tragisch. Vor allem dann, wenn er beim ausgelobten Neustart von Hertha künftig mit inhaltlicher Tiefe überzeugt.
Bernstein hat sich im Wahlkampf zu zahlreichen Themen rund um die Alte Dame, bei der in vielfältiger Hinsicht dringender Optimierungsbedarf besteht, geäußert. Oft auch desillusioniert, wenn er beispielsweise feststellte, wie viel "Gift und Ego" in der Führung des Vereins stecken.
Der Unternehmer aus der Kommunikationsbranche strebt nichts anderes als die Demokratisierung des Klubs an: weniger Klüngel und Oberflächlichkeit, Nähe zum statt Entfremdung vom Verein, mehr Struktur und Kultur, ein Für- statt ein Gegeneinander, bessere Kommunikation, größere Ruhe.
Das ist nur ein Auszug seiner Ideen, die sich auf dem Papier freilich sehr gut und überaus sinnvoll lesen. Bernsteins Verhältnis zu Investor Lars Windhorst, der in der Vergangenheit einen gewichtigen Teil zur missratenen Außendarstellung des Klubs beigetragen hat, ist dem Vernehmen nach professionell. Das könnte ihm bei der Umsetzung der einzelnen Vorhaben zugute kommen. Mindestens genauso vorstellbar ist jedoch, dass sich die Punkte auf Bernsteins Agenda lediglich als hehre Ziele erweisen.
imago imagesHertha BSC: Establishment muss Kay Bernstein als Gefahr wahrnehmen
Der Profifußball ist bei weitem nicht die einzige Branche, in der Egoismus und Machtstreben an der Tagesordnung sind. Zweifelsfrei sind diese Phänomene dort jedoch enorm ausgeprägt, wie zuletzt just Hertha BSC mehr als deutlich in unzähligen peinlichen Episoden zur Schau gestellt hat.
Mit Bernstein begibt sich nun einer in diese Blase, den das an Machterhalt interessierte Establishment als Gefahr fast schon wahrnehmen muss. Das zeigte sich bereits allein an der Tatsache, dass der Aufsichtsrat um Klaus Brüggemann im Vorfeld der Wahl versucht hat, Bernstein dazu zu bringen, mit Gegenkandidat Frank Steffel zusammenzuarbeiten.
Der Vorteil der "Bernstein-Gegner": Der Neue ist auf diesem Terrain absolut unerfahren und zusammen mit seinem Team daher von Beginn an darauf angewiesen, Gremien wie Vereinsmitarbeiter zur Einigkeit zu bewegen. Man muss kein Prophet sein: Auf dem Weg, dieses Vakuum zu schließen, wird Bernstein extrem kompromissbereit sein müssen - teils auch deshalb, weil es die Funktionsweise dieses Geschäfts erfordert. Frag nach bei Claus Vogt, der als Präsident des VfB Stuttgart ebenfalls eine Nähe zur Fankurve aufwies und schnell ausgiebig mit Realpolitik beschäftigt war.
Um diese Gemengelage und den alten Mief zu durchbrechen, ja um gewissermaßen das Establishment tatsächlich auf seine Linie zu bekommen, würde man Bernstein sehr wünschen, dass er mit seinen Ansätzen erfolgreich ist und dem Klub zum anvisierten Umbruch verhilft. Auch, um eines Tages womöglich Vorbild oder gar Blaupause für andere Vereine zu sein, die wiederholt am Wunsch der eigenen Erneuerung scheitern.
Hertha BSC: Was für Kay Bernstein ein großer Erfolg wäre
Es wäre ein großer Erfolg, würde es ein demokratisch gewählter Kandidat wie Bernstein mit seiner branchenunüblichen Vita gelingen, seine Chance zu nutzen und die Verantwortlichen bei Hertha zu einer effektiven Zusammenarbeit zu bewegen. Besonders in Zeiten der schier unendlichen Kommerzialisierung des Fußballs sowie der permanenten Höher-Schneller-Weiter-Mentalität geht Bernstein für viele Fans wie Beobachter, denen diese Entwicklungen ein Dorn im Auge sind, als vereinsübergreifender Hoffnungsträger durch.
Andererseits darf man nicht blauäugig sein: Der Profifußball ist derart reaktionär, dass er noch jeden Idealisten kleingekriegt hat. Bernsteins Wahl war noch keine 24 Stunden alt, da sahen diverse Boulevardmedien aufgrund seiner Ultra-Vergangenheit bereits das Ende des Abendlandes heraufziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bernstein frühzeitig zwischen die Mühlen des Geschäfts gerät und von ihnen am Ende zermahlen wird - oder selbst entnervt aufgibt - ist leider größer.
Hertha BSC: Präsident Kay Bernstein im Steckbrief
Alter | 41 Jahre |
Geburtsdatum | 30. September 1980 |
Geburtsort | Marienberg |
Position | Präsident Hertha BSC |
vorheriger Beruf | Inhaber Team Bernstein GmbH (Agentur für Marketing, Kommunikation, Eventmanagement) |