Benjamin Henrichs von RB Leipzig im Interview: "Nach der Rechnung sah ich den Sprachlehrer nie wieder"

Benjamin Henrichs: Während sich auf der linken Seite mit Raum eine gute Lösung herauskristallisiert hat, muss Flick auf rechts noch suchen. Kehrer und Klostermann präsentierten sich immerhin solide, …
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Wie viel Bling-Bling und Oberflächlichkeit erlebt man dort?

Henrichs: Das erlebt man an jeder Ecke. Man braucht schon einen klaren Verstand, um der Versuchung zu widerstehen, sich der dortigen Lebensart hinzugeben. Mir fiel das ehrlich gesagt nicht so schwer, denn ich war da, um mich auf den Fußball zu konzentrieren. Ich weiß noch, da war ich bereits in Gesprächen mit Leipzig, wie meine Schwester zu Besuch kam und wir in einem Restaurant saßen. An dem Abend wurde irgendeine Show geboten, da liefen bestimmt 50 Top-Models herum. Ich habe dann zu meiner Schwester gesagt: Ich habe jetzt echt den Punkt erreicht, ich will hier nicht mehr sein. Ich will lieber schlafen gehen und morgen um 10 Uhr zum Training auf den Platz stehen.

Nachdem Jardim Ende 2019 erneut entlassen wurde, kam mit dem Spanier Robert Moreno der nächste neue Coach. Moreno blieb nur ein halbes Jahr, dann folgte Niko Kovac - Sie waren aber fünf Tage vor dessen Verpflichtung bereits an RB Leipzig verliehen worden.

Henrichs: Ich hatte keine Ahnung, dass Kovac kommen würde und zu ihm daher auch keinen Kontakt. In Monaco war es nach zwei wenig zufriedenstellenden Spielzeiten und der Corona-Pause, in der ich mich lange in Deutschland aufhielt, für mich vorbei. Ich wollte eine neue Herausforderung haben.

Julian Nagelsmann war derjenige, der Sie unbedingt nach Leipzig holen wollte. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht, als Sie ihn kennenlernten?

Henrichs: Es waren vor allem sehr offene Gespräche. Auch Markus Krösche war dabei, den ich noch aus Leverkusen kannte. Sie haben mir keine großen Versprechungen gemacht, die Kommunikation fand ich sehr klar und angenehm. Ich musste mich einem offenen Konkurrenzkampf stellen, aber war der Meinung, dass ich mit meinem Spielstil gut in diese Mannschaft passen würde.

Wirklich aufwärts ist es dann in Leipzig nicht gerade gegangen: Erst warfen Sie Patellasehnenprobleme aus der Bahn, dann ging Nagelsmann, Sie kamen mit einer Knieverletzung von Olympia 2021 zurück und unter Jesse Marsch spielten Sie kaum. Wie erging es Ihnen in dieser Zeit?

Henrichs: Ich habe mich in der ersten Saison schon schwer getan. Die Mannschaft hat funktioniert, war eingespielt und hat fast jedes Spiel gewonnen. Ich dagegen konnte wegen Corona über Monate nur im Kraftraum in meiner Heimat trainieren und kam dazu noch aus einer Verletzung nach Leipzig. Ich bin dort dann direkt ins Training eingestiegen und bekam durch die Überbelastung Probleme. Julian hat aber immer offen mit mir kommuniziert. Ihm war klar, dass es schwer für mich ist. Er hat aber gesagt, ich trainiere gut und soll weiter Gas geben, weil irgendwann die Chance kommen würde.

Das war dann unter Marsch ganz anders.

Henrichs: Jesse stand eher weniger auf mich. Auch er meinte immer, ich würde gut trainieren, aber eine Chance bekam ich nicht wirklich.

Unter Trainer Jesse Marsch hatte Benjamin Henrichs bei RB Leipzig einen schweren Stand.
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Unter Trainer Jesse Marsch hatte Benjamin Henrichs bei RB Leipzig einen schweren Stand.

In dieser Zeit hatte auch die Wahrnehmung Ihrer Person gelitten, Sie standen öffentlich in der Kritik.

Henrichs: Es war die schwerste Zeit meiner Karriere, weil ich echt abgeschrieben war. Ich ging zum Training und gefühlt wusste ich, ganz egal wie ich trainiere, ich werde am Wochenende nicht spielen. Wenn das dann so weit geht, dass positionsfremde Spieler vor dir auf deiner angestammten Position eingesetzt werden, dann hinterfragt man schon einiges. Auch wenn man es nicht will, bekommt man die negativen Schwingungen und die Kritik zum Beispiel über die sozialen Medien natürlich mit, selbst wenn man sich bei Instagram eigentlich nur ein paar Bilder anschauen wollte. Doch am Ende muss man sich als Fußballer einfach damit abfinden, es bleibt einem kaum etwas anders übrig.

Sie sind bereits mit 19 Nationalspieler geworden, Ihre Entwicklung ging rasant nach oben. Inwiefern hatten Sie denn Probleme damit, dass Sie recht schnell nicht mehr als Talent galten, sondern als Nationalspieler, an den fortan ein anderer Maßstab angelegt wurde?

Henrichs: Das war definitiv der Fall. Als ich Nationalspieler wurde, hatte ich 18 Bundesligaspiele und nicht alle davon gingen über 90 Minuten. Kaum war ich von der Nationalmannschaft zurück, waren meine Noten im Kicker längst nicht mehr so gut wie zuvor. Man guckt sich so etwas als junger Spieler natürlich genau an und liest sich alles durch, das ist ja klar. Ich habe das auch gerne gemacht. Mit der Zeit habe ich jedoch davon Abstand genommen. Heute bekomme ich so etwas nur von meinen Kumpels mit, wenn die sagen: Ey, du hast bei Kickbase wieder keine Punkte gemacht, jetzt verkaufe ich dich! (lacht) Es kommt aber öfter vor, dass man sich denkt, man hat eigentlich eine ganz gute Partie abgeliefert, die öffentliche Bewertung das dann aber etwas anders sieht.

Wie brutal schnell es im Fußball auch wieder aufwärts gehen kann, zeigte sich bei Ihnen in der vergangenen Rückrunde: Unter Domenico Tedesco wurden Sie Stammspieler und Pokalsieger, dazu kam nach knapp eineinhalbjähriger Pause wieder die Einladung zur Nationalmannschaft. Lässt sich ein solcher Umschwung wirklich nur mit dem Vertrauen des Trainers erklären?

Henrichs: Ich glaube, das ist bei jedem Spieler anders. Es gehört auch schlicht Glück dazu. Domenico baut auf mich, das war zuvor anders. Ich war dann aber auch bereit, als meine Chance kam und habe abgeliefert. In den ersten elf Spielen unter ihm war ich an sechs Toren beteiligt, eine solche Quote hatte ich noch nie. Das spricht dafür, dass ich vom Kopf her verstanden habe, wie ich mit den schweren Phasen, in denen dich viele abschreiben und die Öffentlichkeit sagt, man sei zu schlecht, umzugehen habe.

Sie wurden jetzt im Jahr der WM in Katar für beide Lehrgänge des DFB-Teams nominiert, kamen 68 Minuten und in vier der sechs Partien gar nicht zum Einsatz. Wäre es eine große Enttäuschung, wenn Sie die WM so kurz vor dem Ziel verpassen würden?

Henrichs: Ich lege darauf keinen Fokus, sondern muss schauen, dass ich meine zuletzt gebrachten Leistungen auch weiter bringe - Stichwort Konstanz. Genau das benötige ich jetzt. So bin ich auch wieder in die Nationalelf gekommen und nicht dadurch, dass ich das in Interviews gesagt habe und Hansi Flick anschließend meinte, er habe das gelesen und mich daher nominiert. (lacht) Wenn ich nach wie vor konstant gute Leistungen zeige, glaube ich auch, dass ich am Ende bei der WM dabei sein werde.

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