Ganz oft sind es nicht die guten Momente, die eine Entwicklung vorantreiben - sondern die schlechten. Nur will das natürlich kaum jemand hören oder lesen, schon gar nicht im Profi-Fußball. Da geht es um Ergebnisse, das ist die Währung und sie stellt Borussia Mönchengladbach bisher ein ganz ordentliches Zeugnis aus.
Die Borussia hält sich mit 16 Punkten nach elf Spieltagen im Mittelfeld der Tabelle auf, vier teilweise fulminant errungenen Siegen stehen nach dem 1:3 gegen Frankfurt vom Wochenende drei Niederlagen gegenüber. Der Gesamteindruck wird aktuell aber überlagert von allerhand Debatten um die Erwartungshaltung im Umfeld und vielleicht auch innerhalb der Mannschaft.
Das mag nach zwei eher mageren und letztlich auch verlorenen Jahren verständlich sein, schließlich durfte Mönchengladbach zuvor vom einen oder anderen Erfolg kosten und hätte dieses Gefühl so schnell wie möglich gerne wieder zurück. Weil bei der Borussia aber nahezu alles umgekrempelt werden muss, weil der Kader nicht mit jenen anderer Klubs mithalten kann und weil es an Trainer Daniel Farke ist, eine neue, alte Spielidee zu implementieren, benötigt der Umbruch einfach Zeit.
Borussia Mönchengladbach: Riskantes Manöver
Nur scheint diese Erkenntnis noch immer nicht bei jedem angekommen zu sein. Farke jedenfalls holte auf der Pressekonferenz vor dem Frankfurt-Spiel und nach dem Ausscheiden im Pokal bei Darmstadt 98 zu einem 16-minütigen Monolog aus. Der war emotional und durchaus mitreißend, vor allen Dingen wollte der Trainer aber seine Sicht erklären und appellierte auch an eine ausgewogenere Berichterstattung der Medien.
"Wir versuchen, überall Gefahren zu sehen und an vielen Dingen herumzunörgeln, wo es eigentlich relativ wenig zu nörgeln gibt. Das ist so ein bisschen typisch Deutsch", sagte Farke unter anderem. Und weiter: "Wenn wir das, was wir hier leisten, bei einem Verein in England leisten würden, würden sie uns auf Händen durchs Stadion tragen."
Es war ein durchaus auch riskantes Manöver, das Farke und Sportchef Roland Virkus da versuchten. So früh in der Saison vergleichsweise ansatzlos so emotional aufzutreten und die Anhänger wieder auf Linie zu ziehen, war zumindest ungewöhnlich. Und allzu oft wird man diesen Effekt auch nicht nutzen können.
Farke sprach auf der Pressekonferenz zwar auch von einer "unfassbar stabilen Saison", die Niederlage gegen Frankfurt war nun aber schon der zweite Leistungseinbruch nach dem 1:5 gegen Aufsteiger Bremen zu Beginn des Monats. Die Leistung in Darmstadt im Pokal war zwar über weite Strecken auch in Ordnung, aber auch da zeigte sich in zu vielen Sequenzen, wie viel Arbeit der Trainer weiter vor sich hat.
Borussia Mönchengladbach: Farke versucht den kompletten Neustart
Daniel Farke und die sportliche Leitung der Borussia versuchen sich immerhin an nicht weniger als einem kompletten Stilbruch und gehen damit in der Pressing-Gegenpressing-Liga einen ziemlich konträren Weg. Das ist ein mutiger Ansatz, der aktuell noch wenig belohnt wird.
Union Berlin steht weiter an der Spitze. Eine Mannschaft, die zuletzt in den Spielen gegen den Vorletzten und beim Tabellenletzten bei Gleich- oder Rückstand zu keiner einzigen Torchance aus dem freien Spiel gekommen ist. Eintracht Frankfurt steht weit oben, Mainz mit seinem sehr körperbetonten Umschaltfußball ebenfalls. Gut zwei Drittel der Liga hat sich dem verschrieben.
Farke und seine Mannschaft setzen da ganz bewusst einen Kontrapunkt. Was umso bemerkenswerter ist, da auch in Gladbach in den letzten drei Jahren das Mantra vom Pressing und Gegenpressing gelehrt wurde. Und das ist offenbar gar nicht so leicht rauszubekommen aus den Köpfen einiger Spieler und auch Teilen des Umfelds.
Borussia Mönchengladbach: Aus den Fehlern schnell lernen
Wie schwer und auch bisweilen zäh dieser Paradigmenwechsel sein kann, zeigten die letzten Spiele. Werder Bremen erdrückte die Borussia mit vielen vergleichsweise einfachen Mannorientierungen, Frankfurt machte sich die Gladbacher Ungeduld in deren eigenem Ballbesitz zu Nutze. Farkes Idee fußt aber gerade auf einem geduldigen Aufbauspiel in tiefen Zonen, nach Möglichkeit in Überzahl, um dann geschlossen im Übergangsbereich aufzurücken und die letzte Linie des Gegners zu bedrohen.
Das ist die grundsätzliche Idee im Ballbesitz, die auch gleichzeitig die Momente des Ballverlustes vorbereiten soll: Nur so findet die Mannschaft ins gewünschte Gegenpressing, kann sauber nachgerückt und wieder zugeordnet werden und sofort Druck am Ball entstehen, sollte der Gegner in Ballbesitz kommen.
Insofern lieferten Momente aus den beiden letzten Spielen ein paar schöne Beispiele, woran es noch hakt. Gegen Frankfurt funktionierte gleich mehrfach die Konterabsicherung nicht, weil einzelne Spieler in der Risikoabwägung bei vertikalen Tiefenbällen zu ungeduldig waren. Die Folge war nicht nur ein Ballverlust, sondern eine dann auch aufgefächerte Gladbacher Mannschaft, die bei den schnellen Frankfurter Zuspielen zu wenige Chancen hatte, noch entscheidend einzugreifen.
Der entscheidende Gegentreffer in Darmstadt fiel nach einem verunglückten weiten Schlag von Keeper Tobias Sippel. Mehr Ruhe am Ball, eine kurze Anspielstation und der entsprechende Pass hätten die Situation sauber auflösen können. So kam der Gegner schnell in Ballbesitz und über zwei Stationen zum Torabschluss.
Borussia Mönchengladbach: Es benötigt Geduld und Vertrauen
Es wird spannend zu beobachten sein, ob und wie Farke und sein Trainerteam die Transformation weg von dem jahrelang gelernten Verhalten und hin zu einem sehr kontrollierten, auf Ballbesitz und Positionsspiel ausgerichteten Fußball gelingt. Kein anderer Klub der Liga traut sich jedenfalls so einen krassen Kurswechsel zu. Lucien Favre hatte diese dominante Art des Fußballs in Mönchengladbach nicht nur salonfähig gemacht, sondern damit auch beeindruckenden Erfolg.
Aber auch Favre benötigte dafür eine gewisse Zeit. Und nach der Flickschusterei der letzten Jahre mit einem entsprechend zusammengestellten Kader wird es für Farke nicht einfacher. Zumal derzeit auch einige Spieler wegen Verletzungen fehlen, die sehr gut zu den Ideen des neuen Trainers passen würden. Borussia Mönchengladbach wird sich noch etwas in Geduld üben und Vertrauen haben müssen in seinen Trainer. Dann könnte dort tatsächlich auch wieder etwas Außergewöhnliches entstehen.
Borussia Mönchengladbach: Die Spiele bis zur WM-Pause
Termin | Gegner | Wettbewerb | Ort |
30. Oktober, 15.30 Uhr | 1. FC Union Berlin | Bundesliga | Auswärts |
4. November, 20.30 Uhr | VfB Stuttgart | Bundesliga | Heim |
8. November, 20.30 Uhr | VfL Bochum | Bundesliga | Auswärts |
11. November, 20.30 Uhr | Borussia Dortmund | Bundesliga | Heim |