FCB - Leon Goretzka beim FC Bayern: Ist doch gar nicht so schlimm

Stefan Petri
29. Oktober 201800:07
Gegen Mainz 05 verletzte sich Goretzka ohne Fremdeinwirkung.getty
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Leon Goretzka hat sich nach seinem Wechsel vom FC Schalke 04 an die Isar in den Augen der Öffentlichkeit noch nicht beim FC Bayern München durchsetzen können. Eine genauere Analyse zeigt jedoch: Angesichts der Umstände hat sich der 23-Jährige durchaus wacker geschlagen.

Als Leon Goretzka gegen Mainz 05 - die Highlights hier im Video - nach knapp 50 Minuten am gegnerischen Strafraum umknickte und - ohne Fremdeinwirkung - zu Boden sackte, befürchteten die Bayern-Fans auf der Tribüne Schlimmes. Goretzka ließ sich auf dem Rasen behandeln, sprach sichtlich angefressen mit der medizinischen Abteilung und machte sich dann auf den Weg in Richtung Spielertunnel. Sein Arbeitstag war gelaufen.

Man war versucht, den Arbeitstag als Spiegelbild für Goretzkas bisherige Saison bei den Bayern zu deuten. Ein guter Beginn, ein Tor - sein erster Treffer seit dem zweiten Spieltag gegen den VfB Stuttgart -, aber dann doch ein enttäuschendes Ende. Und mal wieder nicht durchgespielt.

So richtig angekommen wirkt Goretzka im Starensemble des Rekordmeisters noch nicht. In der Startelf festspielen konnte er sich bisher nicht, in den Schlagzeilen landet er oft nur aufgrund einer Verletzung.

Bevor man dem Ex-Schalker zu vorschnell ein mangelhaftes Zeugnis ausstellt, lohnt sich jedoch ein Blick auf die Zahlen. Geben Goretzkas bisherige Einsätze einen Hinweis darauf, wie Kovac den 23-Jährigen sieht? Kommt er zuhause auf mehr Minuten als auswärts? Ist er der Mann für die "kleinen" Gegner, oder eher bei den Spitzenspielen besonders wichtig?

Leon Goretzkas Einsätze in dieser Saison beim FC Bayern

DatumGegnerErgebnisEinsatzminuten
12.08.Eintracht Frankfurt (A)5:026
18.08.SV Drochtersen (A)1:037
24.08.TSG Hoffenheim (H)3:123
01.09.VfB Stuttgart (A)3:090*
19.09.Benfica (A)2:011
22.09.FC Schalke 04 (A)2:090*
25.09.FC Augsburg (H)1:145*
06.10.Borussia Mönchengladbach (H)0:390*
20.10VfL Wolfsburg (A)3:125
23.10.AEK Athen (A)2:027
27.10.Mainz 05 (A)2:155*

*Einsätze von Beginn an

Leon Goretzka bei den Bayern: Nur drei Spiele verpasst

Drei Einsätze über die volle Distanz - plus ein möglicher vierter, hätte er sich gegen Mainz nicht verletzt. Es fällt auf, dass Goretzka bei insgesamt elf Einsätzen nur dreimal vor heimischem Publikum antreten durfte. Sieht ihn Kovac also vor allem als Mann für die Auswärtsspiele?

Nicht zwangsläufig. So relativiert sich die Statistik schon dadurch, dass die Bayern in 14 Spielen in dieser Saison erst fünfmal in der Allianz Arena antreten durften.

Zwei der drei Partien, in denen er nicht zum Einsatz kam, verpasste Goretzka verletzungsbedingt. Lediglich in der Champions League gegen Ajax stand er ohne Einsatz im Kader. Kovac baut also durchaus auf den Neuzugang - es ist nicht so, als würde er Woche für Woche 90 Minuten auf der Bank schmoren. Im Mittelfeld haben Javi Martinez und James Rodriguez mehr Spiele ohne Einsatzminute hinter sich.

Fakt ist aber auch, dass Goretzka keinen Stammplatz hat, der ihm Woche für Woche 90 Minuten Spielzeit - oder zumindest die Startelf und 70 Minuten - einbringt. Das liegt jedoch nicht in erster Linie an seiner Leistung. Sonst würde ihn Kovac nicht immer als ersten oder zweiten Einwechselspieler bringen.

Leon Goretzkagetty

Problem für Goretzka: Überangebot im zentralen Mittelfeld bei den Bayern

Im 4-3-3 von Kovac gibt es Platz für drei Mittelfeldspieler - einen Sechser und zwei Achter. Auffällig: Als Sechser wird Goretzka nicht eingesetzt. Vielmehr baut der Bayern-Trainer je nach Ausrichtung entweder auf Thiago (offensiv) oder Javi Martinez (defensiv).

Damit bleiben für Goretzka zwei Plätze, die er sich mit Renato Sanches und den ebenfalls in die Mitte rückenden James Rodriguez und Thomas Müller teilen muss. Dazu kommt: Sichert Martinez zentral ab, rückt Thiago nach vorn - er ist der einzige Mittelfeldspieler, der bei Kovac unangreifbar ist (schon zwölf Einsätze über 90 Minuten). So bleibt für das genannte Quartett nur noch ein Platz in der Feldmitte.

So ist eine Rotation quasi unumgänglich. Und von der will Kovac so schnell nicht abrücken, wie er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in Mainz betonte: "Schauen Sie sich doch mal die anderen Mannschaften an, die international spielen: Alle rotieren. Es geht einfach nicht, wochenlang jeden dritten Tag zu spielen - drei, vier, fünf, sechs Wochen hintereinander. Das geht nicht!"

Angesichts dieser Vorzeichen lesen sich die Statistiken von Goretzka in einem etwas positiveren Licht. Zumal Kovac ihn auch schon links hinten in der Viererkette und ein paar Minuten auf dem linken Flügel einsetzte. Wenn auch jeweils nicht mit gerade durchschlagendem Erfolg: Goretzka hat das Vertrauen seines Trainers.

Die lange Krankenakte von Goretzka: Schon wieder verletzt

Von enttäuschenden ersten zweieinhalb Monaten an der Isar kann also insgesamt keine Rede sein. Es fehlt lediglich der eine oder andere Einsatz mehr von Beginn an. Dafür darf sich Goretzka regelmäßig empfehlen.

Der wichtigste Faktor hierfür ist vielleicht nicht einmal die Leistung. Goretzka muss es vielmehr gelingen, endlich über einen längeren Zeitraum fit und schmerzfrei zu bleiben. In dieser Saison fehlte er schon mit Hüft- und Sprunggelenksproblemen, Einsätze in der DFB-Elf machte Mitte Oktober eine lädierte Wade zunichte. Im August behinderte ihn ein Gelenkbruch im Finger, jetzt ist es erneut das Sprunggelenk. Angesichts dieser langen Krankenakte sind seine elf Einsätze bei 14 möglichen Spielen fast schon positiv überraschend.

Glück im Unglück: Die Bayern gaben am Samstagabend bereits vorsichtig Entwarnung, Goretzka soll sich nicht schwerer verletzt haben. "Er hatte Schmerzen, aber nach dem, was die Ärzte sagen, wird es nicht allzu lange dauern", sagte Kovac: "Er muss aber noch einmal untersucht worden."

Wird er schnell wieder fit - und bleibt es auch -, kann er den nächsten Angriff auf die Startelf wagen. Die Chancen dafür sind auf jeden Fall da.