Der FC Bayern hat zur Diskussion über Katar eingeladen und dazu verschiedene Experten und auch Fans an einen runden Tisch gesetzt: Abdullah bin Mohammed Al-Thani (Botschafter von Katar in Deutschland), Hassan Al-Thawadi (Vorsitzender des 2022 FIFA World Cup LLC), Stephen Cockburn (Amnesty International), Sigmar Gabriel (ehemaliger Außenminister), Michael Windfuhr (Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte), Max Tunon (Leiter des IAO-Projektbüros für den Staat Katar) sowie die beiden Mitglieder Michael Ott und Robin Feinauer.
Nicht dabei waren Betroffene wie Gastarbeiter oder Frauen. "Ich denke, es ist sehr viel passiert. Wir sitzen heute hier und diskutieren über dieses extrem wichtige Thema", sagte Kahn über den positiven Wandel der letzten Monate: "Mir ist diese Art der Transparenz in Zukunft sehr wichtig. Ich glaube, dass der Sport sehr viel bewegen kann." Der Fußball sei nur ein "Mosaikstein", aber "ein sehr wichtiger. Seitdem der Fußball in Katar angekommen ist, bewegt sich einiges."
Amnesty International hatte zuletzt einen möglichen Rückschritt beklagt. Der Einfluss des Fußballs konnte in unterschiedlichen Berichten nie gemessen oder nachgewiesen werden. "Es ist noch nicht so, wie wir uns das vorstellen", ergänzte Kahn: "Aber es zeigt sich, dass man den Dialog suchen muss." Er sei überzeugt, dass die WM zu weiteren Verbesserungen beitragen werde.
Herbert Hainer: FC Bayern "fördert die Frauenbewegung" in Katar
Hainer bestand darauf, dass es dem FC Bayern nicht egal sei, was in Katar passiere. "Wir schicken seit vielen Jahren unsere Frauenmannschaft nach Katar", sagte der Präsident: "Wir gehen an Schulen und fördern die Frauenbewegung dort." Über 300 Unternehmen wären in Katar registriert und würden Geschäfte machen und ihm sei nicht klar, warum der FC Bayern das nicht tun dürfe. Ott entgegnete daraufhin, dass es nicht um die Verbindung, sondern um das Sponsoring gehe. "Wie viele deutsche Unternehmen machen Werbung für Katar", fragte er: "Das ist nur der FC Bayern."
Das Argument des FC Bayern, dass wichtige Reformen auf den Weg gebracht worden wären, fand Ott wenig überzeugend. "Warum inhaftiert man beispielsweise kritische Journalisten in Katar, wenn es einem mit Reformen so ernst ist", erklärte er seine Position.
Ott begründete die Abneigung vieler Bayern-Fans gegenüber dem Sponsor Qatar Airways "vor allem aus drei Gründen": Der Menschenrechtssituation, Terrorfinanzierung und Korruption im Sport. "Wenn hier keine rote Linie erreicht ist, wo gibt es dann überhaupt eine beim FC Bayern", fragte das FCB-Mitglied, das schon auf der Jahreshauptversammlung im letzten Jahr mit einem Antrag gegen das Sponsoring aus Katar beim Klub vorstellig wurde.
Katar: WM sei "Botschaft des Friedens und des Wohlstands"
Al-Thani und Al-Thawadi bestanden derweil darauf, die positive Entwicklung in Katar festzuhalten. "Wir haben Fortschritte gemacht. Institutionen haben uns bestätigt, dass in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht wurden und die WM war ein Katalysator dafür", sagte Al-Thawadi: "Das Land hat belegt, dass wir uns dem Fortschritt verpflichtet haben."
Die Weltmeisterschaft in wenigen Monaten sei eine "Botschaft des Friedens und des Wohlstands", ergänzte Al-Thani. Auch der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel schloss sich dem an. Katar sei "einer der wenigen stabilen Orte, in der diese fragile Welt, in der wir leben, verhandelt wird". Man solle sich nicht auf "ein hohes moralisches Podest stellen und das Land dafür bewerten, was es nicht erreicht hat."
"Wir sehen diese WM als eine einzigartige Chance, eine Veränderung anzustoßen und etwas Langfristiges für Katar zu hinterlassen", sagte Cockburn, der bei Amnesty International den Bereich "wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit" leitet. Auch er habe in den vergangenen Jahren einen positiven Wandel festgestellt.
Gleichzeitig sei die Veränderung "noch nicht genug" und es sei "eine der größten Gefahren, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Es ist nicht genug, dass wir beim Mindestlohn angekommen sind. Es ist nicht genug, dass Arbeiter nach wie vor in der Sonne 18 Stunden arbeiten. Wir sehen immer noch Zwangsarbeit und mangelnde Bezahlung." Hinzu komme eine historische Verantwortung durch die ganzen Toten in der Vergangenheit und es sei wichtig, auch "beim Thema LGBT-Rechte" weiterhin aktiv zu bleiben.
Katar streitet Probleme mit Frauenrechten ab
Ott ergänzte, dass auch Frauenrechte in Katar nach wie vor ein Problem wären. "Eine Mitarbeiterin des WM-Organisationskomitees, die in Katar vergewaltigt wurde, musste von dort fliehen, weil sie eine Verurteilung wegen außerehelichem Sex fürchten musste", sagte der Fan.
Al-Thani stritt all das ab und verwies auf eigene Berichte aus Katar und darauf, dass man sich damit auseinandersetzen müsse und nicht "nur mit dem, was in den Medien in Deutschland steht". Demnach wären "Frauenrechte gar kein Problem". Er bezeichnete die Vorwürfe sogar als "Verschwörung". Konkrete Quellen zu seinen gegenteiligen Behauptungen nannte er nicht. Erst im vergangenen Jahr stellte die Human Rights Watch allerdings fest, dass die männliche Vormundschaft die Frauenrechte stark einschränke. Demnach gebe es diskriminierende Regeln für Frauen beim Heiraten, Studieren, Arbeiten und Reisen.
Diese kritischen Stimmen wurden am runden Tisch des FC Bayern nur dann repräsentiert, wenn die beiden Mitglieder Ott und Feinauer darüber sprachen. Wenige Stunden zuvor hatte im deutschen Bundestag eine Anhörung vor dem Sportausschuss stattgefunden, in der dieses Thema ebenfalls diskutiert wurde. Amnesty International prangerte dort an, dass "70 Prozent der Todesfälle nicht untersucht werden". Hunderttausende Arbeitsmigranten hätten "massive Menschenrechtsverletzungen" erlitten, die "in unmittelbarem Zusammenhang mit der WM" stehen. In der Diskussionsrunde des FC Bayern wurde das ebenso wenig thematisiert wie der Umstand, dass es viele Tote und viel Leid ohne das Turnier in Katar nicht gegeben hätte.
Der Sponsoringvertrag des FC Bayern mit Qatar Airways läuft 2023 aus. Über eine Verlängerung ist noch nicht entschieden worden. Kahn deutete an, dass die Runde ihn eher zu einem positiven Fazit gebracht hätte.