Der FC Bayern kann schon lange vor der Schließung des Transferfensters am 31. August auf einen der ereignisreichsten Sommer der Vereinsgeschichte zurückblicken. Der Kader wurde essentiell verstärkt und zugleich ausgedünnt. Hinter einigen Personalien stehen allerdings noch Fragezeichen, eines der größten hinter Adrian Fein.
Der 23-Jährige, der sich im Alter von sieben Jahren seinen Traum vom deutschen Rekordmeister erfülle, ist einmal mehr zu seinem Lieblingsklub zurückgekehrt. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hatte sich zuletzt ein Wechsel zu Los Angeles FC zerschlagen, obwohl er schon am Training des MLS-Klubs teilgenommen hatte. "Ich könnte mir das vorstellen in Los Angeles, aber wir werden sehen, was passiert", sagte Fein und war zu Scherzen aufgelegt: "Ich war zum Glück meist in einem Team mit Chielleni, statt gegen ihn zu spielen."
Laut Sport1 soll er seine Sache so gut gemacht haben, dass es bei den Bayern ein Umdenken gegeben habe und diese wieder mit ihm planen würden. LA-Trainer und Hannover-96-Legende Steven Cherundolo stellte im Gespräch mit SPOX und GOAL aber klar: "Er hat sich sehr gut geschlagen. Er ist ein sehr kluger Sechser, der wenig Bälle verliert und Angriffe einleiten kann. Er hätte uns weitergeholfen, aber unser Kader war voll. Wir hatten leider nicht genug Platz im Mittelfeld." Einen Eingriff der Münchner scheint es also nicht gegeben zu haben.
Cherundolo weiter: "Für uns wäre es kein Problem gewesen, wenn er weiter mit uns trainiert hätte, aber das hätte keinen Sinn für ihn ergeben. In Europa beginnt die Saison gerade. Der Spieler muss irgendwo spielen und eine neue Mannschaft finden oder zu Bayern München zurückkehren. Ewig Vorspielen kann man ohnehin nicht, irgendwann ist die Vorbereitung vorbei."
Adrian Fein: Fünfmal verliehen in vier Jahren
Die Zeit wird immer knapper, eine Vorbereitung wird er auch bei keinem anderen Klub mehr absolvieren können. Mit einer unklaren Perspektive kennt sich Fein jedoch aus. Seit 2018 wurde er bereits fünfmal ausgeliehen. Anders als in Regensburg oder beim HSV taten die vergangenen drei Stationen seiner Entwicklung aber nicht gut. Sie bewirkten das krasse Gegenteil: Anstatt Spielpraxis zu sammeln, drückte er meist die Bank.
Bei seinen ersten beiden Intermezzos hatte der spielstarke Zentrumsspieler seine Stärken mit Ball noch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In der Hinrunde 2019/20 spielte er in Hamburg auf seiner Position ligaweit die meisten Pässe (1069). Seine Diagonalbälle gepaart mit seiner Kreativität waren gefürchtet. Auch gegen den Ball brillierte Fein und avancierte sogar zum zweikampfstärksten Mittelfeldspieler der Liga mit einer Quote von 60,74 Prozent. "Den HSV ohne Adrian Fein könnte man sich aktuell nicht vorstellen, weil er dort so eine dominante Rolle hat", sagte Bayerns Nachwuchsleiter Holger Seitz damals und schwärmte: "Adrian ist für mich so weit, dass er auch bei unseren Profis eine Rolle spielen kann."
Wie der Rest des Teams erlebte er in der Rückrunde allerdings einen Leistungseinbruch, weshalb der HSV den Aufstieg letztlich verpasste. Dem Vernehmen nach kam Fein auch aus dem Tritt, weil er zu schnell zu viel wollte. Das machte sich auch durch eine abrupte Ernährungsumstellung bemerkbar. Der erste Dämpfer von vielen, die noch folgen sollten.
Fein verzehnfachte seinen Marktwert beinahe
Trotzdem kam er mit ordentlich Selbstbewusstsein zurück nach München. Allein sein Marktwert hatte sich innerhalb eines Jahres beinahe verzehnfacht. Viel wichtiger: Den Verantwortlichen der Bayern wurde klar, was sie für ein Talent in ihren Reihen haben. "Er wurde bei uns ausgebildet und hat sich nun auch in seinen ersten beiden Profijahren sehr gut entwickelt. Jetzt hoffen wir, dass er den nächsten großen Schritt bei uns in München macht", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Doch Vater Oliver warnte seinen Filius bereits während der Zeit in Hamburg vorausschauend: "Als junger Spieler muss man die Bayern mit Vorsicht genießen. Der Anfang war ja sehr stark in Hamburg, aber es werden auch noch mal Rückschläge kommen. Das ist doch in seinem Alter ganz normal." Es kam nicht nur zu den Rückschlägen im Saisonfinale mit dem HSV, sie wurden zum Regelfall.
Adrian Fein bei PSV Eindhoven: Die falsche Wahl
Fein war in der Vorbereitung ein fester Bestandteil der Profis, unter dem damaligen Trainer Hansi Flick spielte er jedoch nicht und fand sich in der 3. Liga bei der Reserve wieder. Der heutige Bundestrainer setzte auf Altbewährtes, das bekam nicht nur Fein zu spüren. Auch mit Blick auf Feins Potenzial entschieden sich die Münchner daraufhin für einen vergleichsweise größeren Leihverein: die PSV Eindhoven. Dort werde er "in einer sehr interessanten Liga den nächsten Schritt machen. Wir sind davon überzeugt, dass Adrian bei PSV eine Führungsrolle übernehmen und seine Qualitäten weiter ausbauen wird", prophezeite Salihamidzic bei der Verkündung des Wechsels. Dieser Plan scheiterte krachend - und zwar mit Anlauf.
Beim niederländischen Traditionsverein reichte es lediglich für vier Startelfeinsätze, was unter 600 Minuten Spielzeit bedeutete. Zahlen, die für Salihamidzic und Eindhoven auf den zweiten Blick nicht hätten überraschen dürfen. Der damalige Coach Roger Schmidt ließ wie schon bei Bayer Leverkusen ein offensives und laufintensives Pressing spielen, was keine langen Ballbesitzphasen zuließ. Ein Stil, der, anders als noch beim in der 2. Liga stets spielbestimmenden HSV, weit von Feins Spielidee entfernt ist.
So zog die PSV auch die Kaufoption in Höhe von kolportierten sechs Millionen Euro nicht. "Wir hatten uns von seiner Entwicklung hier etwas mehr erhofft und erwartet. Das hat aus mehreren Gründen nicht geklappt", erklärte der Technische Direktor John de Jong die Entscheidung. Anschließend hatte lange ein fester Abschied von den Bayern im Raum gestanden, stattdessen gab der Verein dem inzwischen ehemaligen U21-Nationalspieler eine weitere Chance und verlieh ihn an Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth. Die nächste dicke Fehlentscheidung.
Adrian Fein: Eine Fehlentscheidung nach der anderen
Die Kleeblätter waren in nahezu jedem Spiel klar unterlegen. Feins Qualitäten am Ball wurden wieder nicht gebraucht. Trainer Stefan Leitl stellte ihn zudem öffentlich an den Pranger: "Ich erwarte eine deutliche Leistungssteigerung von ihm." Der Anfang vom Ende: Fein kam nur auf vier Kurzeinsätze, ehe die Leihe nach der Hinrunde vorzeitig beendet wurde und er kurz vor Ende des Winter-Transferfensters beim späteren Zweitliga-Absteiger Dynamo Dresden landete. Doch auch dieses Kapitel erwies sich für alle Beteiligten als herbe Enttäuschung. Aufgrund von Nachwirkungen einer Coronavirus-Infektion und Verletzungen kam Fein zu keinem Einsatz.
Nun steht Fein erneut am Scheideweg seiner Karriere. Anstatt künftig unter Cherundolo zu spielen, trat er mit dem FCB den USA-Trip nach Washington an. Vor dem Abflug ließ er seine Zukunft offen. "Es ist natürlich eine schöne Sache, hier dabei zu sein, ich freue mich drauf. Aber ich bin auch realistisch. Mal schauen, wie es weitergeht", sagte er. Schließlich ist es angesichts der großen Konkurrenz um Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Neuzugang Ryan Gravenberch und den derzeit gesetzten Marcel Sabitzer eine Mammutaufgabe, überhaupt im Kader zu stehen. Das zeigte der Saisonstart, bei dem Fein bislang nicht nominiert wurde.
Ein Verbleib würde für seine Karriere genauso wenig Sinn ergeben wie eine weitere Leihe. Auch weil sein Vertrag 2023 ausläuft. Nach 16 Jahren FC Bayern wäre ein endgültiger Abschied also die logische Konsequenz, um anstelle von Fragezeichen endlich Ausrufezeichen zu setzen.
Adrian Feins Leistungsdaten im Seniorenbereich
Saison | Verein | Liga | Spiele (ohne Pokal) | Tore | Assists |
2017/18 | FC Bayern II | Regionalliga Bayern | 27 | 1 | 3 |
2018/19 | FC Bayern II | Regionalliga Bayern | 6 | 1 | 1 |
2018/19 | Jahn Regensburg | 2. Bundesliga | 21 | - | 2 |
2019/20 | Hamburger SV | 2. Bundesliga | 31 | 1 | 3 |
2020/21 | PSV Eindhoven | Eredivisie | 13 | 1 | 1 |
2021/22 | Greuther Fürth | Bundesliga | 3 | - | - |
2021/22 | Dynamo Dresden | 2. Bundesliga | - | - | - |