In den vergangenen Tagen, als die Unruhen rund um den VfB Stuttgart nach dem 1:1 gegen Bochum mit dem Fan-Protest und Markus Babbels Entlassung einen neuen Höhepunkt erreicht hatten, war erstaunlich wenig von Jens Lehmann zu hören.
Der sonst so streitbare Torwart hielt sich lange auffällig zurück - doch vor dem entscheidenden Champions-League-Spiel um den Achtelfinal-Einzug gegen Unirea Urziceni (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) meldet er sich wieder kritisch zu Wort.
Wen er kritisiert? Die revoltierenden Fans und im Endeffekt auch den Vorstand, weil dieser sich dem Druck der Öffentlichkeit und der unzufriedenen Anhängerschaft gebeugte habe, indem sich der Verein von Babbel getrennt hat.
Verein darf sich nicht immer beugen
"Da stand eine Gruppe von zumeist pubertären Jugendlichen. Und das hat dann wohl den Ausschlag gegeben, den Verein dazu zu bewegen, Entscheidungen zu treffen. Das ist so im Fußball", sagt Lehmann in einem "SKY"-Interview, das vor der Übertragung des Stuttgart-Spiels ausgestrahlt wird.
"Es ist heutzutage eine Sache der Vereine, wie sie mit diesen Gruppen umgehen. Wenn sie sich dem immer beugen, dann wird es natürlich irgendwann schwierig, nicht nachzugeben oder nicht das zu tun, was diese Gruppen wollen."
Seine Empfehlung an die VfB-Spitze: "Wenn man die Stärke hat und auch die Qualität, Entscheidungen zu treffen, die dem öffentlichen Verlangen widersprechen, dann fährt man auf Dauer besser. Aber das kriegen die Vereine halt nicht hin."
Babbel hat angeblich selbst für seine Entlassung plädiert
Stuttgarts Aufsichtsratsvorsitzender Dieter Hundt wehrt sich unterdessen in der "Stuttgarter Zeitung" gegen solche Anschuldigungen: "Die äußeren Ereignisse waren nicht zu übersehen, aber daraus eine Diktatur der Straße abzuleiten, ist übertrieben", sagte der 71 Jahre alte Unternehmer, und fügte allerdings hinzu: "Es war eine sehr erschreckende Situation."
Markus Babbel habe selbst für seine Entlassung plädiert, so Hundt weiter: "Die Entscheidung basierte auf der Beurteilung durch Markus Babbel selbst. Der Teamchef sah aufgrund der Gesamtsituation keine Alternative dazu."
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Lehmann verliert seinen freien Tag
Eine Konsequenz der Stuttgarter Krise war die Streichung des trainingsfreien Tages für Jens Lehmann, der sich dieses Privileg bei der Vertragsunterzeichnung zusichern ließ.
"Anscheinend hat es Leute im Vorstand und auch in der Mannschaft gestört, dass ich nach den Spielen nicht immer zum Regenerationstraining gekommen bin", sagt Lehmann.
Vielsagend fügt er an: "Aus meiner Erfahrung im Fußball sollte man immer sehen, dass man den Schwachen im Verein zuhört, aber nie das macht, was die Schwachen verlangen, weil man dann keinen Erfolg haben wird."
Lehmann skeptisch
Angesichts der prekären sportlichen Lage äußert sich Lehmann wenig zuversichtlich zum Leistungsvermögen seiner Mannschaft. Der neue Trainer Christian Gross habe kaum Einflussmöglichkeiten, weil die Zeit zu knapp sei, "aber ich hoffe, dass er wenigstens Glück hat".
Ob die Krise mit der Verunsicherung im Kader oder mit der mangelnden Klasse seiner Mitspieler zusammenhängt, weiß Lehmann selbst nicht: "Das muss der neue Trainer herausfinden."