Bastian Schweinsteiger ist gesperrt. Einen adäquaten Ersatzmann hat der FC Bayern nicht. Das Spiel gegen ManUnited zeigt, ob die Mannschaft Louis van Gaals Grundidee verinnerlicht hat.
Es war nur ein Randaspekt beim heroischen 2:3 von Florenz. In der 23. Minute zeigte Schiedsrichter Alberto Undiao Mallenco eine von vier Gelben Karten. Der Leidtragende war Bastian Schweinsteiger.Von dessen Hand niedergestreckt war Stevan Jovetic zu Boden gesunken. Schweinsteiger wollte sich im Zweikampf Platz verschaffen und traf den kleinen Montenegriner im Gesicht.
Keine Absicht, ganz klar. Für den Schiedsrichter verwarnungswürdig, für Schweinsteiger aber schon damals "ein Witz". Zumal ihm die Konsequenz sofort bewusst war: Sperre im Viertelfinale.
Schweinsteiger ist Bayerns Schaltzentrale
Also muss der FC Bayern gegen Manchester United (20.30 Uhr im LIVE-TICKER, auf SKY und bei Sat.1) ohne seine Nummer 31 auskommen. Im Rummel um Robbens ermüdete Wade geht die Personalie Schweinsteiger etwas unter.
Dabei wird sein Ausfall ähnlich schwer wiegen wie der des Niederländers. "Bastian spielt eine wichtige Rolle. Wenn so ein Spieler in so einem wichtigen Spiel ausfällt, ist das bitter für die Mannschaft", sagt Philipp Lahm.
Schweinsteiger ist die Schaltstelle der Münchner. Er ist es, der den ersten Ball aus der Abwehr bekommt, der die Seitenwechsel einleitet, der aus dem Zentrum Druck auf die gegnerische Offensive aufbaut.
Nicht umsonst hat Schweinsteiger ligaweit die meisten Ballkontakte (95 im Schnitt pro Spiel), spielt die meisten Pässe (1767), vor allem in der Hälfte des Gegners (1139). Zudem stehen die meisten Langen Bälle zu Buche - in dieser Statistik tauchen unter den Top 10 sonst nur Abwehrspieler auf.
Van Gaal eifersüchtig auf Uniteds Ordnung
Es ist also eines der großen Rätsel, wie Louis van Gaal Schweinsteiger ersetzen will. In den letzten Wochen hat sich Danijel Pranjic als erster Vertreter herauskristallisiert. Allerdings müssen die Bayern in der Liga meistens offensiver agieren und das Spiel mehr gestalten als in einem Viertelfinalhinspiel gegen Manchester United.
Nun werden auch die Engländer den Bayern nicht den Gefallen tun und auf Gedeih und Verderb nach vorne rennen. Das ist nicht Uniteds Spielweise. Die beruht vor allem in internationalen Auftritten auf Kompaktheit und schnellem Umschalten. Wenn Spieler wie Wayne Rooney, Luis Antonio Valencia und Nani ins Laufen kommen, geht die Post ab und die Welle ist ganz schwer zu stoppen.
Deshalb sagte van Gaal am Montag auf der Pressekonferenz, dass er auf Uniteds Ordnung eifersüchtig sei. "Zuletzt haben wir immer Probleme bekommen, wenn wir die Ordnung nicht mehr haben", erklärte Lahm.
Siege des Kollektivs
Des Trainers Bewunderung kommt auch daher, dass Alex Ferguson seine Stars ins Kollektiv perfekt integriert hat, während van Gaal diesem Ziel noch nachjagt.
Es kommt nicht von ungefähr, dass Klose den Hype um Ribery und Robben nach der Niederlage gegen Stuttgart kritisch bewertete und sich Olic über seine Auswechslung beschwerte. Es sind die leisen Typen, die Teamplayer, die sich sonst für die Mannschaft aufopfern und jetzt die Klagen vortragen.
Die Erfolge zum Ende der Hinrunde schaffte das Team ohne Ribery und Robben und dafür wollen die Kollegen auch gewürdigt werden. Es waren Siege des Kollektivs und von van Gaals Gleichheitsidee. Die Spiele gegen United werden zum Prüfstein für van Gaals Leitmotiv.
Stellt van Gaal das System um?
Seine Elf muss als Mannschaft funktionieren. Ordnung ist dabei das Zauberwort, denn Schweinsteiger ist nicht eins zu eins zu ersetzen. Um die Komplikationen der letzten Spiele zu umgehen, könnte van Gaal auch vom zuletzt üblichen 4-4-2 abrücken und auf ein 4-2-3-1 oder gar ein 4-3-3 mit den zentralen Mittelfeldspielern van Bommel, Anatolij Tymoschtschuk und Pranjic setzen.
Wahrscheinlicher ist aber das 4-2-3-1, in dem Pranjic oder Tymoschtschuk an der Seite von Mark van Bommel vor der Abwehr agieren, zusammen mit der hängenden Spitze Thomas Müller das Zentrum gegen schnelle Vorstöße sichern und sich um Uniteds zentral-offensiven Mann (Ji-Sung Park) kümmern.
Außerdem könnte abwechselnd einer auf die Seite ausweichen und zusammen mit den Außenverteidigern Uniteds Flügelspieler (Nani, Valencia) doppeln ohne das Zentrum zu sehr zu öffnen, weil dort auch noch Müller verkehrt.
Carrick ist Uniteds Xavi
Dem 20-Jährigen würde ohnehin eine zentrale Rolle zukommen, weil er als Störspieler von Michael Carrick und Darren Fletcher arbeiten muss.
"Spielintelligenz und Passgenauigkeit zeichnen Carrick aus. Er hält das Team am Laufen, bestimmt den Rhythmus. Ein ganz wichtiger Mann, ihn müssen die Bayern unter Kontrolle bekommen. Fletcher ist der Arbeiter, Carrick der Taktgeber, der wichtigste Mann in Uniteds Spiel - ähnlich wie Xavi in Barca", sagt Dietmar Hamann in der "tz".
Allerdings ist Uniteds Mittelfeld nicht diese Ballzirkulationsmaschine a la Barca und hat auch nicht die Wucht eines FC Chelsea. Aber es ist die Umschaltstation, der Verteilerkasten. Von hier gehen die Bälle auf die Außen oder direkt ins Sturmzentrum.
Das müssen die Bayern unterbinden. Sucht man in Deutschland nach einem vergleichbaren Gegner, landet man unweigerlich bei Schalke 04 (auf einem anderen Niveau natürlich). Hinten steht eine Mauer und vorne hilft die Klasse der Individualisten. Im Raum dazwischen wird sich nicht lange aufgehalten.
Bloß kein Gegentor
Den Bayern muss bewusst sein, dass sie auf einen Gegner treffen, der wie die meisten Bundesligisten nicht mitspielen will. Sie treffen auf eine taktisch ausgereifte Mannschaft oder "Niveau eins", wie van Gaal sagt.
Seine Mannschaft bewege sich noch nicht dauerhaft auf diesem Level, könne es aber in einem Spiel erreichen. Und dann ist auch diese United-Mannschaft anfällig: sechs Niederlagen in der Liga (fünf davon auswärts), dazu das peinliche Aus im FA-Cup gegen Leeds United.
Geduld ist gefragt. Mehr als in jedem Spiel zuvor. Ein Gegentreffer wäre eine schwere Hypothek für das Rückspiel und könnte schon das Ausscheiden bedeuten. Für Mark van Bommel hat daher die stehende Null die größte Bedeutung: "Wir brauchen nicht gewinnen. Ein 0:0 ist auch nicht schlecht."
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