Als Wolfgang Stark kurz nach dem Skandalico am späten Mittwochabend an sein Handy ging, wusste der Unparteiische aus Ergolding endgültig, dass er alles richtig gemacht hatte. "Ich habe ihn nach dem Spiel angerufen. Dabei habe ich ihm zu seiner Leistung gratuliert und meine Freude zum Ausdruck gebracht", sagte der deutsche Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel: "Für uns Verantwortliche ist es natürlich toll, wenn unsere Nummer eins so eine erstklassige Leistung abliefert."
Das Lob seines Chefs hatte sich Stark nach dem 0:2 (0:0) von Real Madrid gegen den Erzivalen FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel der Champions League redlich verdient. Schließlich musste der WM-Referee eine Partie leiten, die laut DFB-Sportdirektor Matthias Sammer "am Rande eines Skandalspiels" stand.
Nur zwei Rote Karten wegen Starks Besonnenheit
Stark hatte während der gesamten Begegnung immer wieder mit üblen Fouls und Tumulten zu kämpfen. In der Pause spielten sich regelrechte Jagdszenen zwischen den Profis ab. Dass Stark unter dem Strich mit zwei Roten Karten und einem Tribünenverweis für Reals Trainer Jose Mourinho auskam, spricht sogar noch für die Besonnenheit des 41-Jährigen.
"Diesen psychischen Druck, der in solch einem Spiel auf einem Schiedsrichter lastet, kann nur jemand nachempfinden, der mal selbst in einer solchen Situation war", sagte Fandel: "Er hat es großartig gemeistert und ausbalanciert - ohne dabei die nötige Konsequenz vermissen zu lassen." Auch Sammer hatte nur lobende Worte für Stark parat: "Er hatte die Partie souverän im Griff. Das war aufgrund der ganzen Feindseligkeiten nicht einfach. Er hat mutig agiert - und er ist nicht umgefallen."
Madrid poltert gegen schamlosen Schiedsrichter
Ganz anders sahen das die Verantwortlichen der Königlichen und die Zeitungen aus der Hauptstadt, die Stark durch die Real-Brille bewerteten. "Die Leistung des Schiedsrichters war schamlos", sagte Madrids Torwart Iker Casillas. Dem schloss sich das Sportblatt "AS" an: "Stark hat es in die Galerie der Schreckgespenster Reals geschafft. Er frisst den Clasico auf. Er wirft Pepe vom Platz, obwohl er nur Gelb verdient gehabt hätte."
Für diese Art der einseitigen Berichterstattung und die harsche Kritik Mourinhos an Stark nach dem Schlusspfiff hatte Sammer nichts übrig. "Die Rote Karte für Pepe war nur konsequent", sagte der DFB-Funktionär: "Bei großen Persönlichkeiten wie Mourinho liegen Genie und Wahnsinn oft dicht beisammen. Diesmal stand der Wahnsinn im Vordergrund. Aber Wolfgang Stark kann ja nichts für die Blödheit der Spieler."
Mourinhos Ironie: "Well done"
Auch die Europäische Fußball-Union (UEFA) hielt nichts von den Ausrastern Mourinhos. Der Portugiese wurde für das Rückspiel gesperrt. Stark hatte Mourinho in der 63. Minute auf die Tribüne verbannt. Der Portugiese hatte den Platzverweis gegen Pepe (61.) nach einem groben Foulspiel mit höhnischem Beifall und den Worten "well done" ("gut gemacht") in Richtung von Thorsten Kinhöfer (Herne), der als vierter Offizieller fungierte, kommentiert.
Nach dem Schlusspfiff war sich Mourinho dann selbst für eine Lüge nicht zu schade. Er gab zu Protokoll, in der betreffenden Szene nichts gesagt zu haben - die TV-Bilder bewiesen das Gegenteil. Anschließend legte der Exzentriker noch nach: "Wenn ich zum Schiedsrichter und zu der UEFA sagen würde, was ich denke und fühle, würde meine Karriere heute enden."
Schon vor der Partie musste sich Stark, der auch Barcas Ersatztorwart Jose Pinto während der Jagdszenen in der Pause die Rote Karte gezeigt hatte, heftige Attacken aus Real-Richtung gefallen lassen. Die klubnahen Zeitungen warfen dem gebürtigen Landshuter vor, er sei ein Fan von Barca-Superstar Lionel Messi. Zudem schmierten die Blätter dem Deutschen einen Fehler im Achtelfinale Madrids bei Olympique Lyon aufs Brot und ließen sich genüsslich darüber aus, dass Stark von den Bundesliga-Profis zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt worden war.