Es war offensichtlich, dass er widersprechen musste. "Es ist noch nicht vorbei", betonte Guardiola energisch. "Wir haben noch unheimlich harte Spiele vor uns." Ganz England wisse doch, wie schwer es in Burnley sei. "Danach müssen wir zu Stoke City und in den Goodison Park. Und wir spielen noch gegen United, Arsenal, Tottenham und Chelsea. Es ist definitiv noch nicht vorbei."
Den Titel dankbar aus der gönnerhaften Hand Jose Mourinhos zu empfangen, der das Titelrennen bereits für beendet erklärt hatte? Ein Ding der Unmöglichkeit. Diese Genugtuung wollte Guardiola seinem Erzfeind nicht gönnen. Trotz eines Vorsprungs von zu diesem Zeitpunkt 13 Punkten (mittlerweile sind es 16). Also redete Guardiola Burnley an diesem 2. Februar stark - und wurde tags darauf nach dem mageren 1:1 sogar bestätigt.
Dennoch ging es höchstens am Rande darum, die Spannung für den Premier-League-Endspurt hoch zu halten. Der Fokus im himmelblauen Teil Manchesters lag schon Wochen zuvor einzig und allein auf einem Henkelpott, der mit der Premier-League-Trophäe zwar die eine oder andere Ähnlichkeit aufweist, der Guardiola - und seinen Vorgängern am Etihad Campus - bisher aber stets entgangen war.
Manchester City: Volle Konzentration auf die Champions League
Woraus der 47-Jährige auch kein Geheimnis macht. "Wir haben bis zum 2:0 überragend gespielt. Aber danach haben wir die Kontrolle verloren", analysierte er nach dem 3:2 im League-Cup-Halbfinale gegen Bristol City am 23. Januar. Und fügte hinzu: "Vielleicht tut es uns im Hinblick auf die Champions League gegen Basel ganz gut, dass wir lernen, dass alles passieren kann und wir die vollen 90 Minuten spielen müssen."
Kein Wort zur angeblich noch offenen Meisterschaft und den drei Ligaspielen, die vor dem Ausflug in den St. Jakob-Park zu absolvieren waren. Schließlich wusste der spanische Übungsleiter, dass sein Erfolg in Manchester, wie schon bei Bayern München, vor allem vom Abschneiden in der Königsklasse abhängt.
Deshalb konnte Guardiola nach dem unerwartet frühen Ausscheiden in der vergangenen Saison gegen die AS Monaco mit beiden Händen in die mit Petrodollars gefüllten Schatullen am Persischen Golf greifen und sich nach Herzenslust dem Kaufrausch hingeben. Über 200 Millionen Euro später spielen nun vier der sechs teuersten Verteidiger aller Zeiten im Dress der Citizens, Torwart Ederson (40 Millionen Euro) nicht mit eingerechnet.
Im Offensivspiel hatte Pep die mit Stars gespickte Truppe bereits in seiner ersten Saison verfeinert. Das Resultat war eine derart dominante Fußball-Maschinerie, dass die Fans in dieser Saison lange davon träumen konnten, zu den Arsenal-"Invincibles" der Saison 2003/04 aufzuschließen. Der Traum vom Jahr ohne Niederlage war nach dem spektakulären 3:4 gegen den FC Liverpool schließlich ausgeträumt, am vorzeitigen Titelgewinn ist dennoch nicht mehr zu rütteln. Stoke City hin, Goodison Park her.
Guardiola und das alte Bayern-Problem
Was Guardiola vor die altbekannte Frage stellt, die er vermeintlich in München gelassen hatte: Wie kann er die Konzentration in der Mannschaft hochhalten, wenn die Liga noch vor Frühlingsbeginn entschieden ist?
Als er in seinen drei Jahren bei den Bayern vor den entscheidenden Spielen der K.o.-Runde schon jeweils komfortabel auf Meisterkurs lag, sprachen Fans und Experten von einer Ein-Team-Liga, kontraproduktiv für die Chancen in der Champions League. In der Premier League, inmitten der Top Six, wo die Abstiegskandidaten mehr Fernsehgelder kassieren als der FC Bayern, sei das unmöglich.
Nun, zumindest in dieser Saison hat Guardiola die Premier League in eine Ein-Team-Liga verwandelt.
Was bedeutet diese Tatsache für Citys Aussichten in der Champions League? Die Sky Blues gehören zu den absoluten Favoriten, keine Frage. Gleichzeitig schien in den letzten Wochen ein leichter Spannungsverlust spürbar. Der Last-Minute-Sieg gegen Bristol, das Unentschieden gegen Burnley, das Guardiola sichtlich angesäuert zurückließ. In den letzten zwei Monaten gab es nur ein Duell gegen die Großen - und das ging wie gesagt verloren.
Guardiola: Ziel ist das Viertelfinale
Der Edeltaktiker stapelte in der Pressekonferenz am Montag dementsprechend tief. "Ich weiß nicht, ob wir bereit sind", sagte er. "Ich habe vollstes Vertrauen in die Jungs, kein Zweifel. Das wissen sie auch. Aber dieser Wettbewerb ist mit den anderen nicht zu vergleichen. Ich weiß es wirklich nicht."
Man habe sich bisher besser geschlagen als im vergangenen Jahr, notierte er - bei zwei Niederlagen aus 40 Spielen eine leichte Untertreibung. Also wolle man erst einmal nur das Achtelfinal-Aus von 2017 übertreffen: "Wir wollen das Viertelfinale erreichen, das ist kurzfristig erst einmal genug."
Mehr als eine leichte Untertreibung, bedenkt man den Saisonverlauf, die über ganz Europa verteilten Millionen und die Tatsache, dass Guardiola in seiner Trainerlaufbahn erst einmal das Halbfinale verpasst hat. Und Manuel Pellegrini vor zwei Jahren mit einem wesentlich schwächeren Team schon in der Vorschlussrunde stand.
Guardiola weiß, dass er liefern muss. Bei Teambesitzer Mansour bin Zayed Al Nahyan zählt nur der Champions-League-Titel, ähnlich wie im 600 Kilometer entfernten Paris. Natürlich bietet die Premier League weit mehr Prestige als die Ligue 1, doch die Meisterschaft hat City in den letzten sechs Jahren schon zweimal gewonnen. Dafür hat man ihn nicht geholt.
Was kann Guardiola aus den Bayern-Pleiten lernen?
Also wie mit dem fehlenden Wettbewerb in der Liga umgehen? 2014 scheiterten die Bayern unter Pep im Halbfinale nach Spielen gegen Braunschweig und Kaiserslautern, davor gab es Niederlagen gegen Dortmund und Augsburg. Ein Jahr später ging man mit zwei Pleiten (im Pokal gegen Dortmund und gegen Leverkusen) ins Halbfinale gegen Barcelona. 2016 traf man mit einer Siegesserie im Gepäck auf Atletico Madrid und scheiterte an der Auswärtstorregel.
Den Spielplan kann man sich natürlich nicht aussuchen und natürlich spielen in den K.o.-Runden auch Tagesform, Glück und/oder Schiedsrichterentscheidungen eine Rolle. Deshalb kann man gerade von außen nur darüber spekulieren, was Guardiola aus diesen drei "langweiligen Liga-Jahren" für 2018 lernen kann.
Auf eine Strategie scheint er sich zumindest festgelegt zu haben: Er wird den Fuß nicht vom Gas nehmen. Im Gegenteil. Trotz des vollgepackten Spielplans.
Guardiola: Keine Pause für die City-Stars
Gerade in der Zentrale setzt Pep auf sein Stammpersonal: So stand Kevin De Bruyne in der Liga bisher in jeder Partie in der Startelf, seit Oktober spielte er immer über 70 Minuten. Die letzten drei Pokalpartien spielte er obendrein durch. Macht in der bisherigen Saison über 3000 Minuten, über 500 mehr als beispielsweise Robert Lewandowski. Mittelfeldpartner Fernandinho bekam seit Mitte Dezember eine einzige Pause, verpasste in dieser Zeit in zwölf Spielen ganze 29 Minuten. Alles ohne Winterpause wohlgemerkt.
Ob sich das rächt? Als De Bruyne zuletzt öffentlich darüber sprach, platt zu sein, gab es wenige Tage später den Push vom Trainer: KDB könne Weltfußballer werden, "aber es geht nicht nur um ein Spiel. Er muss alle drei Tage so spielen wie heute." Pausen scheinen für den Rotschopf weiterhin nicht eingeplant.
Guardiola kritisierte schon mehrfach die harte Gangart gegen sein Team, aber bei der einen oder anderen Verletzung kann man sich fragen, ob Rotation nicht geholfen hätte. Und sei es nur, um die Stars auch einmal aus der Schusslinie zu nehmen. Gegen Burnley etwa standen ihm nur sechs Einwechselspieler zur Verfügung. Statt die Bank mit Nachwuchsspielern zu besetzen, ließ er lieber Plätze leer.
Citys Saison-Endspurt: Reichen die Kräfte?
Noch gibt der Erfolg dem Spanier recht. Gegen Leicester City überragten De Bruyne und Sergio Agüero (13 Spiele in Folge im Einsatz), gegen Basel dürften sie erneut in der Startelf stehen und dabei helfen, Guardiolas überraschend schwache Auswärtsbilanz in K.o.-Spielen der Champions League aufzupolieren (4 Siege, 10 Unentschieden, 8 Niederlagen).
Aber es sind eben gleich vier Hochzeiten, auf denen sein Team tanzt. Und es wird noch härter: Erreicht man in der Königsklasse das Halbfinale, drohen in März und April zusammengenommen 16 Partien, darunter gegen die anfangs genannten englischen Schwergewichte. Auch wenn die Liga eingetütet ist, ist es schwer vorstellbar, dass Guardiola gegen solche Kaliber rotiert.
Sollte es also auch dieses Jahr nicht klappen mit dem ersehnten Thron Europas kann die fehlende Spannung an der Tabellenspitze nur schwerlich als Ursache herhalten. Wer die Vorteile eines Alleingangs nicht nutzt, kann sich über die Nachteile eben nicht beklagen.