Keine Frage, im Gegensatz zu seinen außergewöhnlichen sportlichen Fähigkeiten ist Cristiano Ronaldos Charakter streitbar. Seine Extravaganz, seine Theatralik, sein in die Arroganz abdriftendes Selbstbewusstsein. Und auch die Jubelpose, wenn er sich sein Trikot vom Leib reißt und seinen durchtrainierten Körper mit angespannten Muskeln präsentiert, muss nicht jedem gefallen.
Dass sich im Anschluss an Ronaldos emotionalen Jubel nach seinem spielentscheidenden Tor gegen Juventus ein Shitstorm in den sozialen Medien über ihn ergoss, ist in dieser Vehemenz allerdings völlig übertrieben.
Wer in diesem Moment als Torschütze nicht völlig eskaliert, hat kein Herz.
Man muss sich nur einmal die Situation vor Augen führen: Real ging mit einem 3:0-Auswärtssieg ins Rückspiel und war absolut siegessicher. Zumal die Königlichen vom Ausscheiden des FC Barcelona gegen den AS Rom am Abend zuvor gewarnt waren, der bereits eine komfortable Führung verspielt hatte.
Cristiano Ronaldo war in einer extremen Drucksituation
Trotzdem entwickelte das Rückspiel eine Eigendynamik und Real lag kurz vor Schluss im Santiago Bernabeu mit 0:3 zurück. Das ist eine extreme Drucksituation, gerade für einen Verein wie Real, über den bei so einem dramatischen Ausscheiden die Hölle hereinbrechen würde.
Dann bekam Real in der Nachspielzeit diesen Elfmeter. Der Pfiff von Schiedsrichter Michael Oliver war zweifelsohne strittig. Das Argument, der Engländer hätte bei diesem Spielverlauf in der 93. Minute eines Champions-League-Viertelfinals nicht auf den Punkt zeigen dürfen, ist valide. Es spielt für die Bewertung von Ronaldos Jubel aber keine Rolle.
Berechtigt, geschenkt, wie auch immer - Fakt ist, dass der Elfmeter gepfiffen wurde. Weil Juventus nach dem Platzverweis gegen Gianluigi Buffon mit Wojciech Szczesny auch noch einen neuen Torhüter einwechseln musste, dauerte es minutenlang, bis es zur Ausführung kam. Minuten, in denen sich der Druck immer weiter erhöhte.
Letztlich ist es die 97. Minute, als Ronaldo antritt - und er schießt das Ding souverän in den Knick.
Ronaldo verhinderte eine historische Blamage für Real Madrid
Es ist ja nicht das unwichtige 7:1 in einer Copa-del-Rey-Erstrundenpartie. Er hat Real gerade ins Champions-League-Halbfinale geschossen, in der 97. Minute eines Spiels, das zu einer historischen Blamage hätte werden können.
In dem Moment fällt so viel Druck ab, dass Ronaldos emotionale Explosion absolut verständlich ist.
Ronaldo ist ein Typ, dessen außergewöhnliche Klasse auch durch seinen absoluten Siegeswillen begründet ist. Er will den dritten Champions-League-Sieg in Folge und er hat Real einen Schritt näher an dieses Ziel geschossen.
Wieso war Ronaldos Torjubel unsportlich?
Wieso soll sein Jubel in diesem Moment denn unsportlich sein? Weil der Elfmeter unberechtigt war? Weil Buffon eben vielleicht zum letzten Mal Champions League gespielt hat? Naja. Ronaldo hat den Elfmeter nicht gepfiffen und auch Buffon nicht vom Platz gestellt.
Er hat sein Team in einer Extremsituation in die nächste Runde geballert und sich darüber unendlich gefreut. Zu Recht! Wenn er damit etwas gezeigt hat, dann dass er keine unterkühlte Maschine ist, die nur für das Geld kickt, sondern nach wie vor richtig Bock auf das Gewinnen hat. Und davon lebt der Fußball doch.
Wer in so einer Situation nicht völlig ausrastet, hat kein Herz. Der Shitstorm ist deswegen völlig übertrieben.
Dass man über seine Jubelpose diskutieren kann, steht noch einmal auf einem anderen Blatt...
Champions League: So lief das Viertelfinale
Paarung | Hinspiel | Rückspiel |
FC Sevilla - FC Bayern München | 3. April in Sevilla (1:2) | 11. April in München (0:0) |
Juventus - Real Madrid | 3. April in Turin (0:3) | 11. April in Madrid (3:1) |
FC Liverpool - Manchester City | 4. April in Liverpool (3:0) | 10. April in Manchester (2:1) |
FC Barcelona - AS Roma | 4. April in Barcelona (4:1) | 10. April in Rom (0:3) |