Ein noch größeres Janusgesicht als der FC Bayern München! Erkenntnisse zum Sieg des BVB gegen PSG im Halbfinale der Champions League

Von Tim Ursinus
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Borussia Dortmund bleibt ein Mysterium in dieser Saison. Nach dem Sieg über PSG im Halbfinal-Hinspiel stehen die Chancen auf den Einzug ins Finale der Champions League noch besser als die des FC Bayern München. Das brachte sogar eine ungewohnte Seite von Trainer Edin Terzic hervor. Erkenntnisse zum BVB.

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Nur wenige Tage nach dem desolaten 1:4 bei RB Leipzig hat der BVB in der Champions League nicht zum ersten Mal in dieser Saison ein komplett anderes Gesicht gezeigt und das Starensemble von PSG verdient mit 1:0 (1:0) geschlagen.

Das lag auch an dem Umstand, dass gleich mehrere Spieler von Borussia Dortmund die Superhelden-Maske aufzogen - und damit ist nicht nur Siegtorschütze Niclas Füllkrug gemeint.

Der Erfolg sicherte Borussia Dortmund obendrein das Ticket für die Königsklasse in der kommenden Spielzeit. Deutschland darf sich ab sofort über fünf Startplätze freuen. Die Klatsche am vergangenen Wochenende, die in der Vergangenheit noch höchst dramatisch für die hohen Ziele des Vereins gewesen wäre, ist somit völlig egal.

Der Blick geht wie auch beim FC Bayern München also nur noch in eine Richtung: Wembley! Das Ergebnis darf aber hinsichtlich des schweren Rückspiels in Paris in weniger als einer Woche auch nicht über die Baustellen der Borussia hinwegtäuschen.

Borussia Dortmund, BVB, PSG
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BVB: Borussia Dortmund hat gleich mehrere Helden

"Wir wollen nach Wembley, das ist eine klare Zielsetzung. Am Dienstag wird es aber ein bretthartes Ding", sagte ein gut gelaunter und zugleich reflektierter Mats Hummels nach dem Spiel am DAZN-Mikrofon. Kurz zuvor war der Abwehrchef mit dem Matchwinner-Award der UEFA ausgezeichnet worden, den Pokal müsste er sich eigentlich mit der halben Mannschaft teilen.

Gleich mehrere BVB-Akteure überzeugten mit beeindruckenden Statistiken. Der wieder erstarkte Füllkrug durfte sich nicht nur über seinen dritten Treffer in dieser CL-Saison freuen, sondern auch über einen Eintrag in den vereinsinternen Geschichtsbüchern. Nach Stéphane Chapuisat (1996/97) und Tomas Rosicky (2002/03) ist er der dritte Spieler der Schwarzgelben, der sowohl dreimal erfolgreich war und drei Vorlagen gab. Unter allen deutschen Spielern ist er zudem nach Marco Reus (2012/13) der erst zweite, der an sechs Toren eine direkte Beteiligung hatte.

Darüber hinaus machte Jadon Sancho eines seiner besten Spiele seit seiner Rückkehr im Winter, obwohl er ohne Torbeteiligung blieb. Mit seinen insgesamt zwölf erfolgreichen Dribblings in einem Halbfinale war er niemand geringerem als Lionel Messi auf den Spuren, der 2008 gegen Manchester United gleich 16-mal nicht vom Ball zu trennen war. Von seinen insgesamt 20 (!) geführten Zweikämpfen gewann er obendrein 13.

Die defensiven Außenbahnspieler Julian Ryerson und Ian Maatsen sowie Karim Adeyemi schalteten dazu in den absoluten Kampfschwein-Modus um - der BVB lief zehn Kilometer mehr - und sorgten mit selbstlosen Sprints und bissigen Zweikämpfen für eine weitere Duftmarke: PSG kam in den ersten 45 Minuten nicht zu einem Abschluss, das war in dieser CL-Saison nur einmal in der Gruppenphase gegen Newcastle United der Fall.

BVB: Noch größeres Janusgesicht als das des FC Bayern München

Noch mehr für Statistik-Liebhaber: Dortmund ist seit elf CL-Heimspielen ungeschlagen, nur Manchester City (31), der FC Bayern (16) und Real Madrid (zwölf) sind zuhause besser. Mit fünf hat man zudem die meisten weißen Westen im laufenden Wettbewerb.

Werte, die angesichts der schwachen Bundesliga-Saison unter den Verantwortlichen wie Hans-Joachim Watzke oder den Fans nur jede Menge Fragezeichen hinterlassen können. Anders gesagt: Der BVB hat ein Janusgesicht, welches sogar noch größer als das des ebenfalls im Liga-Alltag strauchelnden FC Bayern München ist.

Auch Trainer Edin Terzic dürfte darüber verwundert sein. Nachdem er seine Mannschaft nicht zum ersten Mal in der Königsklasse gut auf einen favorisierten Gegner gut eingestellt hatte, zeigte auch dieser etwas überraschend ein anderes Gesicht.

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BVB: Auch Edin Terzic zeigt sein anderes Gesicht

Als Moderatorin Laura Wontorra das Ende des obligatorischen Interviews nach Abpfiff einleitete, wonach Terzic nach der kommenden Frage entlassen sei, entgegnete dieser mit einem breiten Grinsen: "Wir haben doch gewonnen, wieso werde ich entlassen?"

Ein lockerer Spruch mit einer besonderen Würze, mit dem von dem bei laufender Kamera häufig nüchternen BVB-Coach nicht unbedingt zu rechnen war. Vor allem, weil ihn das Thema Entlassung stets begleitet. Argumente für eine Trennung hätte es nach dieser Saison sicher genügend gegeben, die Leistungen in der Champions League lassen jene aber nicht zu. Schon der Einzug ins Halbfinale soll dem Vernehmen nach zu einer Jobgarantie geführt haben.

Komplett einverstanden war Terzic mit der Leistung seiner Mannschaft jedoch nicht - und das muss allein der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden.

Trotz Pleite: PSG offenbart Schwächen des BVB

Sowohl Terzic als auch Hummels nahmen nach dem Spiel das Wort "Glück" in den Mund und spielten dabei auf die beiden Pfostentreffer von PSG an. Kylian Mbappé und Co. vergaben nach der Pause mehrfach den Ausgleich.

Dass es in Spielen auf diesem Niveau auch mal Glück braucht, ist freilich ganz normal. Die Entstehung der Drangphasen der Gäste offenbarte aber auch die Schwächen, mit denen sich die Dortmunder schon die komplette Saison über herumschlagen.

Zu häufig wurde das Mittelfeld mit einfachen Bällen in die Tiefe überspielt. Dass auch in Paris nur drei Torschüssen zugelassen werden, scheint ob der enormen Offensivpower des Teams von Trainer Luis Enrique unwahrscheinlich. Zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass Ryerson und Maatsen gegen die pfeilschnellen Angreifer ein weiteres Mal über sich hinauswachsen werden.

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Gegen dieses PSG war für den BVB mehr drin

Außerdem war das Spiel nach vorne bei weitem nicht optimal. Mit ein wenig mehr Geschick und Gefühl für den Raum hätte der BVB durchaus mehr als ein Tor erzielen können.

Im letzten Angriffsdrittel landete jeder vierte Ball beim Gegner - PSG brachte zum Vergleich knapp 90 Prozent an den Mann - , dazu gesellten sich zahlreiche unnötige Ballverluste. Allein der sonst so starke Sancho vertändelte 23-mal den Ball.

Dabei mangelte es in vielen Situationen nicht an Zeit. Sobald die erste Linie überspielt war, kam PSG ordentlich ins Straucheln. Die Offensivreihe hielt es nämlich nach Ballverlust nur selten für nötig, dem Ball hinterherzueilen.

Füllkrug vergab in der Mitte der zweiten Hälfte zusätzlich zwei Hochkaräter, die mit etwas mehr Kaltschnäuzigkeit Wembley schon deutlich näher Richtung Realität gehievt hätten.

So bleibt auch im zweiten Halbfinale vorerst alles offen - und die Frage, welches seiner beiden Gesicht der BVB beim "brettharten Ding" in Paris zeigen wird.

BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund

SpieltagDatumUhrzeitHeimGast
32Sa., 4.5.2415:30Borussia DortmundFC Augsburg
CL-HalbfinaleDi., 7.5.2421:00Paris Saint-GermainBorussia Dortmund
33Sa., 11.5.2418:301. FSV Mainz 05Borussia Dortmund
34Sa., 18.5.2415:30Borussia DortmundDarmstadt 98