Rundumschlag vom Capitano

SPOX
22. Oktober 200817:33
SPOXGetty
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Michael Ballack hat die Debatte um die Zukunft von Torsten Frings in der Nationalmannschaft wieder angeheizt. Der Nationalmannschaftskapitän setzte sich in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vehement für seinen Kollegen ein, kritisierte dabei Bundestrainer Joachim Löw indirekt und nahm auch bei anderen Themen kein Blatt vor den Mund. Beim DFB zeigte man sich perplex.

Er wisse nicht, ob der Bundestrainer Frings schon abgeschrieben habe, "aber wenn man einen nicht mehr will, sollte man das ehrlich ansprechen", sagte Ballack: "Respekt und Loyalität ist doch das Wenigste, was man als verdienter Nationalspieler erwarten kann."

Er denke dabei vor allem auch an den ein oder anderen Fall aus der Vergangenheit - "zum Beispiel Oliver Kahn. Es war ein Konkurrenzkampf mit Jens Lehmann ausgegeben worden, den er in meinen Augen nie gewinnen konnte. Oder bei Christian Wörns, der im Gegensatz zu Christoph Metzelder nicht auf der Bank saß", meinte der Mittelfeldspieler des FC Chelsea.

Er habe deshalb "ein ungutes Gefühl", dass Frings den von Löw ausgelobten Konkurrenzkampf im Mittelfeld gar nicht gewinnen kann.

Kritik an der Art des Konkurrenzkampfes

Er frage sich, so Ballack, ob es in der Vergangenheit in der Nationalelf Fälle gegeben habe, bei denen das Leistungsprinzip nicht angewendet worden sei und kritisierte die aktuelle "Form des Konkurrenzkampfes nach einer erfolgreichen Europameisterschaft, dass gestandene Leistungsträger wie Torsten Frings, Miroslav Klose und auch ich plötzlich in Frage gestellt und öffentlich angegriffen werden".

WM-Quali: In Zukunft auch unterwegs top-informiert sein!

Vor allem denke er an Frings, der zuletzt in den WM-Qualifikationsspielen gegen Russland und Wales für Löw nicht mehr erste Wahl war. "Er war und ist Stammspieler, einer, der im Verein regelmäßig auf hohem Niveau spielt und dies vor allem auch in der Champions League zeigt."

Er hoffe, Frings werde nicht zu einer "Entscheidung verleitet, die Torsten und viele andere später bereuen werden". Dass der Bundestrainer die jungen Spieler dazu auffordere, Druck zu machen, sei völlig in Ordnung. "Wir dürfen das Spiel aber nicht zu weit treiben", so Ballack.

Löw überrascht, verwundert und enttäuscht

Der Bundestrainer reagierte darauf in einer Stellungnahme des DFB "total überrascht". Dass Ballack über die Medien solch kritische Töne äußere, "verwundert und enttäuscht mich". Personelle Konsequenzen scheint der Bundestrainer allerdings nicht in Erwägung zu ziehen: "Als Kapitän ist er ein wichtiger Ansprechpartner für mich, und daran wird sich auch nichts ändern."

Löw betonte allerdings, dass "Aufstellung und Personalpolitik in letzter Konsequenz die Entscheidung von mir und meinem Trainerteam ist. Für uns bleibt es unstrittig, dass wir wie bisher vom Leistungsprinzip und damit dem Konkurrenzkampf innerhalb des Kaders der Nationalmannschaft nicht abrücken werden."

Zu gewissen Aussagen im Interview von Michael Ballack wolle er sich im Detail nicht äußern. Grundsätzlich sei klar: "Wir behandeln alle Nationalspieler - ob jünger oder älter - mit dem notwendigen Respekt. Subjektiv mag der eine oder andere manchmal enttäuscht sein, aber unser Team ist die Elite des Fußballs in Deutschland, das auf die Besten der Welt trifft. Deshalb muss Leistung und der Erfolg der Mannschaft über allem stehen, ohne dass deshalb der faire und ehrliche Umgang mit den Spielern auf der Strecke bleibt."

"Ich warte stündlich auf einen Beitrag von Matthäus"

Insgesamt habe er in den letzten Wochen einen Trend festgestellt, dass arrivierte Kräfte der DFB-Elf öffentlich in Misskredit gestellt werden. Exemplarisch nannte er dafür den Ex-Nationalspieler Olaf Thon, der ihn in einem Fachmagazin kritisiert hatte.

"Ich halte es für eine Frechheit. Ich weiß überhaupt nicht, ob Olaf Thon in den vergangenen drei Wochen geschweige denn in den letzten zwei Jahren überhaupt ein Spiel von mir gesehen hat bei Chelsea", sagte der 32-Jährige.

Es werde seit einiger Zeit versucht, "einigen Spielern im Team ans Bein zu pinkeln". Und: "Ich warte fast stündlich auf den Beitrag von Lothar Matthäus und seinen Lohnschreibern."

Thons Meinung, Bastian Schweinsteiger sei der heimliche Kapitän der Nationalelf, teile er nicht: "Vielleicht wird er das in Zukunft sein. Aber das geht mir in Deutschland alles zu schnell. Einen Monat gut gespielt und schon zählt man zur Weltklasse."

Verständnis für Kuranyis Entscheidung

Im Falle Kevin Kuranyi bezeichnete Ballack das Verschwinden des Schalkers aus dem Stadion während des Russland-Spiels als "nicht akzeptabel". Aber er könne dessen Frust gut verstehen.

"Er sah doch, dass es für ihn schwer wird, obwohl er Jahr für Jahr Champions League spielt und seit Jahren Stammspieler bei einem Bundesliga-Spitzenklub ist. Er hat in wichtigen Spielen für den Klub und für die Nationalmannschaft bewiesen, dass er Tore machen kann. Das alles sind doch wichtige Kriterien für die Nationalmannschaft. Wo kommen wir denn hin, wenn das nicht mehr zählt?", meinte Ballack.

Er warnte ausdrücklich mit Blick auf das Vorrunden-Aus bei der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden, bei der er als junger Spieler dabei gewesen sei und beobachtet habe, "wie eine Mannschaft mit guten Fußballern nicht funktionierte, weil die Hierarchie nicht stimmte. Man sollte vorsichtig sein, Spieler in eine Position zu drängen. Ich will mit dieser Mannschaft Weltmeister werden. Und das ist möglich."

Löw hat sich noch nicht erkundigt

Nach seinen Operationen an beiden Füßen zu Beginn der Woche befindet er sich derweil auf dem Wege der Besserung. "Ich vertraue den Ärzten, die sagen, dass ich relativ schnell wieder am Training teilnehmen kann - in ein, zwei Wochen. Außerdem bekomme ich viele aufmunternde Genesungswünsche, da kann ja nichts mehr schief gehen", so der DFB-Kapitän.

Löw habe sich bislang allerdings noch nicht bei ihm gemeldet - zu Ballacks Verwunderung. "Das überrascht mich schon, weil es in der Vergangenheit bisher immer anders war", meinte der Chelsea-Spieler.

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