Deutschlands Nationalverteidiger Jerome Boateng ist seit rund neun Monaten Mitglied des Starensembles von Manchester City - und seit wenigen Tagen Vater von Zwillingen. Im Interview spricht der 22-Jährige über seine zwei kleinen Mädchen, Mario Balotellis Kampf mit dem Trainingsleibchen, Englisch lernen mit Charlie Sheen, die Crux mit innen und außen sowie seine wichtigste Bezugsperson bei den Citizens: Patrick Vieira.
SPOX: Herr Boateng, herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihrer Zwillinge. Da gerät wohl selbst eine Einladung zur Nationalmannschaft zur Nebensache.
Jerome Boateng: Danke! Die letzten Tage waren wirklich sehr aufgeregt. Die Geburt war der glücklichste Moment in meinem Leben. Alles ist gut gelaufen, unsere beiden Töchter machen sich sehr gut. Sie sind zwar noch im Krankenhaus, weil sie fünf Wochen zu früh auf die Welt gekommen sind, aber alles ist in Ordnung.
SPOX: Vermutlich gibt Ihnen das noch mal einen Schub.
Boateng: Ja klar. Ich laufe die ganze Zeit mit einem Lächeln im Gesicht durch die Gegend und bin bestens gelaunt. Ich freue mich einfach, dass die Kinder gesund zur Welt gekommen sind.
SPOX: Jetzt kommt ins Hause Boateng also so richtig Betrieb.
Boateng: Genau. Mit zwei auf einen Schlag hat man keine Ruhe.
SPOX: Vor kurzem waren Bilder von ihrem Haus in Manchester zu sehen. Das Anwesen scheint sehr ruhig im Grünen zu liegen.
Boateng: Die Spieler in Manchester wohnen mehr außerhalb, nicht in der Stadt. Dort ist es ländlicher. Es gibt da sieben, acht Vororte, dort wohnen die meisten Spieler. Vincent Kompany wohnt bei mir gleich um die Ecke, Patrick Vieira auch. Wayne Rooney lebt fünf Minuten von mir entfernt.
SPOX: Da können Ihre Zwillinge ab sofort so richtig Gas geben.
Boateng: Ja, da haben sie alle Freiheiten. Da können sie schreien und es hört nicht gleich jeder.
SPOX: Sie sind ein großer Schuhfan und besitzen mehr als 400 Paar Sneakers. Müssen die jetzt den Babysachen weichen?
Boateng: Die Babysachen sind jetzt wichtiger als meine Schuhe. Aber ich habe auch schon genug Schuhe für die beiden besorgt und geschenkt bekommen. (lacht) Ich bin vorbereitet.
SPOX: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Manchester?
Boateng: Ich bin viel zu Hause, am Haus ist auch immer mal was zu machen. Ich habe es ja schließlich mitgeplant. Ansonsten mache ich viel mit Mannschaftskollegen. Wir gehen essen oder sehen uns Champions-League-Spiele an. Abends schaue ich DVD oder bin in meiner Sauna oder im Pool. In der Stadt bin ich nur selten, ab und zu mal zum Essen, aber eigentlich nur, wenn mein Vater oder Freunde da sind.
SPOX: Es war zu lesen, dass Sie sich gerade ein Heimkino einrichten lassen.
Boateng: Ja, wenn ich jetzt wieder zurückkomme, ist es fertig. Da wird alles verkabelt und dann reicht es, die Filme auf dem iPad zu haben, um sie im Kinoraum anschauen zu können. Das ist wirklich super.
SPOX: Einen Weinkeller haben Sie ebenfalls. Sind Sie Wein-Fan?
Boateng: Der ist nicht für mich, der war schon drin. Ich trinke keinen Alkohol. Mein Vater mag ihn umso lieber. (lacht)
SPOX: Haben Sie oft Besuch?
Boateng: Mein bester Freund und mein Vater sind oft da, Patrick Ebert hat mich auch schon besucht. Meine Freundin und die zwei Kleinen kommen von Berlin nach Manchester, sobald es geht. Die Babys dürfen noch nicht fliegen, vielleicht kommen sie mit dem Zug.
SPOX: Im Sommer haben Sie erzählt, dass sie mit Hilfe der Serie 'Two and a half men' Englisch lernen. Machen Sie das immer noch?
Boateng: Ja, das stimmt. (lacht) Charlie Sheen schaue ich immer noch an, aber nicht mehr zum Lernen. Mit Englisch habe ich keine Probleme mehr.
SPOX: Wer sind Ihre sportlichen Bezugspunkte innerhalb der Mannschaft?
Boateng: Mit Vincent Kompany und Nigel De Jong habe ich ja schon beim HSV gespielt. Sie kenne ich am besten, mit ihnen verstehe mich immer noch gut. Aber mit der Wichtigste ist Patrick Vieira. Er war in der Jugend mein Vorbild. Ich verstehe mich echt gut mit ihm. Ab und zu bin ich auch bei ihm und seiner Frau zu Hause beim Essen. Er ist einfach ein toller Mensch, überhaupt nicht abgehoben. Ein ganz ruhiger und sachlicher Typ. Mit ihm kann ich auch mal reden, wenn es mir schlecht geht.
SPOX: Es stimmt also, dass Vieira eine besondere Aura umgibt.
Boateng: Wenn er den Raum betritt, merkt man, dass er etwas Besonderes ausstrahlt.
SPOX: Mit seiner Erfahrung wird er auch innerhalb der Mannschaft sehr wichtig sein.
Boateng: Natürlich. Mit seinem Alter schafft er es nicht mehr, alle drei Tage zu spielen, aber man sieht, was er fußballerisch drauf hat. Vor allem den jungen Spielern hilft er mit seiner Erfahrung und Abgezocktheit weiter.
Teil 2: "Balotelli hat erstmal die Arschkarte gezogen"
SPOX: Was unterscheidet einen englischen Großklub von einem deutschen?
Boateng: Alles ist überdimensional und größer als beim HSV. Es wurde auch viel gebaut, jetzt wird gerade für viel Geld an einem Trainingsgelände gearbeitet. Der Verein besitzt außerdem ein eigenes Flugzeug und den Spielern wird alles abgenommen, wenn man das möchte.
SPOX: Besteht direkter Kontakt zum Scheich?
Boateng: Er kommt ab und an zu den Spielen und dann unterhält er sich auch mit uns. Er hat Ahnung vom Fußball. Sein Assistent ist öfter da. Mit ihnen kann man sich ganz normal unterhalten.
SPOX: Ihr Teamkollege Mario Balotelli hat mit seinem Kampf mit einem Trainingsleibchen gerade erst für Furore gesorgt. Was musste er sich dafür in der Kabine alles gefallen lassen?
Boateng: Beim ersten Training danach haben wir ihm alle ein Leibchen zugeworfen. (lacht) Wenn so etwas passiert, hast du bei uns erstmal die Arschkarte gezogen. Da hängt was bei dir im Spind und von überall bekommst du was mit. Das wird auch noch dauern - vor allem bei seinem Charakter. Er tritt ja immer so selbstbewusst auf - dafür muss er jetzt doppelt einstecken.
SPOX: Wie ist er damit umgegangen?
Boateng: Am Anfang war er schon ein bisschen eingeschnappt. Aber jetzt lacht er auch darüber. Er war ja auch wegen der Roten Karte gegen Kiew schlecht drauf. Aber jetzt geht es wieder.
SPOX: Wie sieht Ihr persönliches Fazit nach neun Monaten England aus?
Boateng: Zu Beginn war es schwierig, da ich acht Wochen verletzt war. Es ist schlecht, ohne Vorbereitung nach der WM zu einem neuen Klub zu kommen. Dann hatte ich das Problem, dass ich ja eigentlich zu ManCity gewechselt bin, um in der Innenverteidigung zu spielen. Aber dann habe ich rechts gespielt und da fühle ich mich nicht so wohl. Darum habe ich mit dem Trainer geredet und daraufhin jetzt im Winter auch öfters innen gespielt. Zentral habe ich mich viel besser gefühlt und auch gute Kritiken bekommen, auch aus der Mannschaft.
SPOX: Sie waren aber nicht immer erste Wahl.
Boateng: Logisch wünscht man sich, mehr zu spielen, aber für mich ist es auch ungewohnt, alle drei Tage zu spielen - und das auch noch den Winter durch. Ingesamt bin ich aber ganz zufrieden. Wir haben einen großen Kader und nicht gerade wenig Qualität. Das ist mein erstes Jahr hier, ich fühle mich trotzdem wohl in Manchester.
SPOX: Wie ist der Austausch mit Coach Roberto Mancini?
Boateng: Er kennt meine Sichtweise. Ich habe vor dem Wechsel gesagt, dass ich nur nach Manchester komme, wenn ich innen spiele. Deshalb war es ein bisschen ärgerlich, dass ich rechts spielen musste. Das habe ich ihm gesagt und er hat es zur Kenntnis genommen.
SPOX: Hat er Ihnen für die Zentrale eine langfristige Perspektive aufgezeigt?
Boateng: Er hat gesagt, dass er es so plant - aber das ist nicht so einfach. Er hat ja auch andere Spieler und kann es nicht jedem recht machen. Aber wie gesagt: Ich bin eigentlich gekommen, um innen zu spielen. Das wurde mir so zugesagt.
SPOX: Welches Team hat Sie bisher in England am meisten beeindruckt?
Boateng: Spielerisch ganz klar Arsenal. Chelsea von der Kraft her und bei ManUtd merkt man, dass die alles zusammen als Mannschaft machen. Da weiß jeder: Wenn es schlecht läuft, müssen wir alle verteidigen. Klar ist auch: Bei allen drei Mannschaften spielt der Stamm schon länger zusammen, das merkt man im Gegensatz zu uns. Wir haben viele gute Einzelspieler, aber es muss noch zusammenwachsen.
SPOX: Welcher Spieler hat sie besonders beeindruckt?
Boateng: Für mich als Verteidiger ganz klar Nemanja Vidic. Er ist für mich derzeit der Beste der Welt. Er hat alles: Stellungsspiel, Kraft und er gewinnt jedes Kopfballduell - obwohl er nicht der Größte ist.
SPOX: Studieren Sie Vidic dann auch?
Boateng: Studieren nicht, aber ich schaue ihn mir genau an. Wenn ich zu Hause ein Spiel im Fernsehen sehe, beobachte ich ihn schon sehr genau. Die Innenverteidiger interessieren mich am meisten: Was kann man vielleicht noch verbessern, was anders machen, wo würde ich in bestimmten Situationen stehen?
SPOX: Was sagen Sie zu den Vorgängen bei Ihrem Ex-Klub in Hamburg?
Boateng: Auch als ich noch da war, war immer was los. In Hamburg herrscht nie richtig Ruhe. In der Saison ist aber noch einmal eine Schippe draufgelegt worden. Es ist einfach traurig für den Verein und schadet seiner Außendarstellung. Ich hoffe, dass schnell Ruhe einkehrt, denn der Verein ist an sich einer der besten in Deutschland. Da muss man einfach mehr daraus machen.
SPOX: Als Profi hat man schnell ein Image ab und bekommt oft einen Stempel aufgedrückt. Bei Ihnen fielen Stichwörter wie 'Ghetto-Kid' und 'Problem-Kicker'. Wie sehr nervt Sie das?
Boateng: Zuerst einmal möchte ich betonen, dass ich mir nie etwas zu Schulden kommen haben lasse - weder sportlich noch privat. Aber mir ist auch klar, dass wenn hier jetzt irgendetwas Negatives passieren würde, würden solche Beurteilungen sicher gleich aus der Schublade gezogen werden. Nach dem Motto: Der hat sich nicht unter Kontrolle. Das regt mich auf. Aber was soll ich dazu sagen? Ich bin das schon gewohnt, aber es ist ja insgesamt weniger geworden.
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