Das vorzeitige EM-Aus der U21 ist das nächste Warnsignal für den DFB. Weil es an Talenten mangelt, werden die Rufe nach einem Umdenken lauter.
Antonio Di Salvo glich einen Tag nach dem EM-Debakel einem Häufchen Elend. Ganz in Schwarz gekleidet, mit feuchten Augen, leerem Blick und brüchiger Stimme versuchte der U21-Trainer, seine riesige Enttäuschung in Worte zu fassen - der Blick nach vorne fiel ihm schwer.
"Wir werden alles überdenken und umkrempeln", kündigte der 44-Jährige am Morgen nach dem 0:2-Offenbarungseid gegen England an.
Gesprächsbedarf gab es reichlich. "Wir saßen noch ziemlich lange zusammen. Danach konnte ich immerhin besser schlafen als in den Nächten zuvor", sagte Di Salvo nach seiner völlig verkorksten EM-Premiere als Cheftrainer: "Der Klassenunterschied am Mittwoch war einfach zu groß. Das Turnier haben wir in den beiden Spielen vorher weggeschenkt."
Gegen 14.30 Uhr georgischer Zeit verließ die DFB-Auswahl das Hilton-Hotel am Schwarzen Meer, der Charterflug KLJ8545 nach Frankfurt war erst am späten Mittwochabend nach dem bitteren Aus organisiert worden.
Längst war klar: Der deutsche Männer-Fußball ist spätestens nach dem nächsten Tiefschlag eines seiner größten Flaggschiffe im europäischen Mittelmaß angekommen und rutscht ein Jahr vor der Heim-EM immer tiefer in die Krise.
DFB: U21 ein Spiegelbild der A-Mannschaft
Die U21 war letztlich ein Spiegelbild der A-Mannschaft. "Ich würde den deutschen Fußball aber nicht begraben", sagte Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften: "Vor ein paar Wochen lagen wir uns schließlich noch in den Armen, weil die U17 Europameister geworden ist."
Am Vorabend hatte der 47-Jährige jedoch noch von einem "Super-GAU" gesprochen, man müsse aufpassen, "den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren".
Die Gunst der Fans hat der DFB längst verloren. Rund 70 Prozent wünschen sich laut einer SID-Umfrage vor der Heim-EM einen neuen Bundestrainer und Nachfolger für Hansi Flick, zwei Drittel sind der Meinung, dass die DFB-Spieler ihr Potenzial im Nationaltrikot nicht richtig ausschöpfen.
Bei der U21 kam nun auch noch bröckelnder Teamgeist hinzu.
gettyChatzialexiou: "Wir sind viel zu langsam"
DFB-Sportdirektor Rudi Völler wurden diese Mängel persönlich vor Augen geführt, Flick wäre erst zu einem möglichen Viertelfinale nach Georgien angereist.
Doch selbst dazu reichte es in der vermeintlich einfachen Gruppe mit Tschechien und Israel nicht, erstmals seit 2012 wird Deutschland deshalb im nächsten Jahr auch nicht bei den Olympischen Spielen in Paris vertreten sein.
Künftiges Vorbild müssten Nationen wie Frankreich, Spanien oder Portugal sein, wo in der Jugend weniger die Ergebnisse als die Entwicklung im Vordergrund stünden, so Chatzialexiou. Die Umsetzung dauere aber in Deutschland "viel zu lange. Wir sind viel zu langsam".
DFB: Paradigmen-Wechsel muss in die Köpfe
Daher seien vor allem die Trainer im Jugendbereich, aber auch die Sportdirektoren, Nachwuchsleiter und Sport-Geschäftsführer in der Pflicht.
"Diesen Paradigmen-Wechsel müssen wir in Deutschland in den nächsten Jahren hinbekommen. Das muss in die Köpfe vieler, die in unserem Sport tätig sind", äußerte Chatzialexiou.
Zunächst aber muss sich das Team vom EM-Debakel erholen. Di Salvo freut sich schon auf den gemeinsamen Urlaub mit der Familie im August.
"Die habe ich in den letzten Wochen nur fünf Minuten am Tag gesehen", sagte er: "Jetzt muss ich erstmal die EM abschütteln und runterfahren."