SPOX: Herr Freund, schaut man Ihre Trainervita an, fällt der Schwerpunkt Jugendarbeit auf. Haben Sie dies bewusst so gewählt, um in Ruhe den Einstieg in den Beruf zu bewältigen?
Steffen Freund: Bewusst war das zu Beginn nicht. Mein Sohn spielt Fußball und ich habe bei seinem Verein in der E-Jugend nebenbei den Co-Trainer gemacht. Damals habe ich nicht daran gedacht, später Trainer zu werden. Das war eher so ein Vater-Sohn-Ding.
SPOX: Wie kam's zum Gedankenumschwung?
Freund: Es hat mir einfach Spaß gemacht. Vor vier, fünf Jahren habe ich begonnen, bei einem kleineren Verein Mannschaften zu übernehmen. Zur selben Zeit hatte ich ein Gespräch mit Matthias Sammer. Er hat mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könne, die Trainerscheine zu machen, um irgendwann einmal Cheftrainer einer U-Mannschaft zu werden.
SPOX: Und Sie haben sofort zugesagt?
Freund: Ich habe jedenfalls nicht lange gebraucht, um mich dafür zu entscheiden. Manchmal braucht man ja auch so etwas wie einen Gedankenanstoß. Ich hatte das Glück, dass es bei mir Matthias Sammer war.
SPOX: Wie ging es dann weiter?
Freund: Ich bin die Ausbildung angegangen, aber auch damals noch ohne definitiv sagen zu können, unbedingt Cheftrainer einer U-Mannschaft werden zu müssen. Ich wollte erst einmal schauen, wie sich alles entwickelt. Das war zwar alles viel Arbeit, aber wie ich mittlerweile festgestellt hatte auch eine sehr wichtige Erfahrung.
SPOX: Welche Vorteile hat das Einstiegsengagement im U-Bereich gegenüber einem Start in der 3. Liga oder Regionalliga?
Freund: Die vielen Fehler, die man beim Einstieg als Trainer natürlicherweise macht - das sage ich ganz bewusst - werden einem eher verziehen. Man sammelt zudem Erfahrungswerte, ohne dass gleich jemand kommt und dir sagt, was du alles verkehrt gemacht hast. Es ist eher so, dass man nach einem Spiel nach Hause geht und sich selbst überlegt, was man hätte anders machen können.
SPOX: Gibt es einen Werdegang eines aktuellen Trainers, der Sie von der strategischen Karriereplanung her beeindruckt?
Freund: Ich finde die Entwicklung von Thomas Tuchel und generell vom FSV Mainz 05 sehr interessant. Der Trainer hat dort die Chance bekommen, über Jahre hinweg bei diesem Klub groß zu werden. Er hat die A-Jugend trainiert und kannte schon viele junge Spieler. Mich freut es, dass der Verein den Mut hatte das durchzuziehen. Das ist aus meiner Sicht ein optimaler Weg und zeigt, dass so etwas grundsätzlich möglich ist.
SPOX: Wo sehen Sie sich in fünf bis zehn Jahren, was haben Sie als Trainer noch vor?
Freund: Der Ist-Zustand sieht so aus: Ich habe meinen Vertag beim DFB gerade erst um zwei Jahre verlängert. Zur nächsten Saison übernehme ich wieder die U 16. Auch dieses Team möchte ich zur U-17-EM führen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, noch lange beim DFB zu bleiben.
SPOX: Wie schwer ist es für Sie, zu 15- oder 16-Jährigen durchzudringen? Welche Eigenschaften muss man sich dabei heutzutage als Erwachsener aneignen, um diese Generation auf modernem Wege zu erreichen.
Freund: Man sollte sich nicht verstellen und sich einfach so geben, wie man wirklich ist. Im Nachwuchsbereich ist es generell wichtig, dass man die Sprache der Jungs kennt und spricht. Mein Sohn ist Jahrgang 1994, wie meine Spieler, ich habe zudem vor meiner Cheftrainerzeit von der E- bis zur A-Jugend alles trainiert und kennengelernt. Mein Vorteil ist, dass ich diese Jungs als Typ erreiche.
SPOX: Wie sieht es mit Facebook oder Playstation aus, sind Sie da auch bewandert?
Freund: Ich weiß zumindest schon mal, dass es das alles gibt. (lacht) Ich denke, dass es auch die Jungs gut finden, wenn der Trainer informiert und nicht mit der Zeit stehen geblieben ist. Ich weiß, dass sie auf ihren Zimmern am PC sitzen und Freunde über Facebook anmailen. Manche spielen Playstation bis zum Abwinken. Das muss man als Trainer alles wissen.
SPOX: Die Jungs sind ja auch ganz schön gefordert. Noch im Mai fand die U-17-EM statt, nun folgt die WM. Können Sie diesen ungewöhnlichen Terminkalender etwas genauer erklären?
Freund: Man hat ab der U 16 fast eineinhalb Jahre Zeit, sich auf die großen Turniere vorzubereiten. Im September zu Beginn der U-17-Saison veranstaltet der DFB ein Vier-Nationen-Turnier. Im Oktober beginnt die erste Qualifikationsrunde zur EM. Im März steht mit der Eliterunde die alles entscheidende - und schwere - Qualifikation an. Wir hatten mit U-17-Weltmeister Schweiz, der Ukraine und der Türkei drei richtig harte Brocken aus dem Weg zu räumen. Bei einem erfolgreichen Abschneiden folgen dann die EM und bei geraden Jahrgängen eine WM Schlag auf Schlag. Das letzte halbe Jahr war schon sehr intensiv. Scheidet man aber aus, ist die Saison schon im April vorbei.
SPOX: Die Spieler fehlen in dieser Zeit ihren Vereinen.
Freund: Wir haben in den letzten Monaten viel Zeit zusammen verbracht. Allein die Europameisterschaft dauerte inklusive Vorbereitung drei Wochen - das alles findet noch während der laufenden B-Junioren Bundesliga statt. Ich bin sehr froh darüber, dass die Zusammenarbeit mit den Vereinen gut ist. Für die Spieler ist das sehr wichtig. Die Teilnahme an internationalen Turnieren wie EM und WM auf höchstem Niveau erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Jungs den Sprung vom Jugend- in den Profibereich bei ihren Vereinen schaffen.
SPOX: Wie sieht es denn in dieser Zeit mit den schulischen Leistungen aus?
Freund: Die schulische Ausbildung ist dem Deutschen Fußball-Bund sehr wichtig. In den letzten Jahren konnten einige Spieler wegen Verpflichtungen in der Schule oft nicht an DFB-Maßnahmen teilnehmen. Darauf wurde reagiert. Damit die Schule auch während Turnierperioden nicht vernachlässigt wird, werden Junioren-Nationalmannschaften stets von zwei Lehrern betreut. In enger Abstimmung mit der Schule wird der Stoff gepaukt oder die Prüfung abgehalten, die die Nationalspieler sonst verpassen.
SPOX: Das passt ja zur Diskussion, die durch den Aufstieg von Schalkes Julian Draxler losgetreten wurde. Wie stehen Sie zum Thema Profidasein vor Schulabschluss?
Freund: In meiner Jugend musste jeder einen Berufsabschluss in der Tasche haben, bevor er Großverdiener im Sport wurde. Ich habe meinen damals nebenbei auf der Abendschule gemacht. So etwas ist sehr sinnvoll und sollte von allen Seiten unterstützt werden. Schon morgen kann sich Julian Draxler einen dreifachen Beinbruch zuziehen - und es ist vorbei! Man braucht einen Einstieg ins Leben nach dem Fußball.
SPOX: Bei der WM spielt Ihr Team in der Gruppe E gegen Ekuador, Burkina Faso und Panama. Hört sich nach drei Siegen mit ungefähr 14:0 Toren an, oder?
Freund: Es werden keine leichten Spiele für uns. Im U-17-Bereich gibt es andere Unterschiede und Abstände zwischen den einzelnen Teams, als im Profibereich. Die körperliche Verfassung hat einen großen Einfluss auf die Leistung. Dazu kommen noch klimatische und geografische Gegebenheiten, die unsere Spieler nicht gewohnt sind. Unser Gegner Burkina Faso ist Afrikameister, zudem haben die Afrikaner alle Gardemaß. Bei der WM 2009 in Nigeria haben wir das schon zu spüren bekommen. Ecuador hat gegen die südamerikanischen Fußballnationen Argentinien und Uruguay gewonnen, mehr muss man dazu nicht sagen. Panama als Neuling wird kompakt und defensiv eingestellt spielen. Das wird eine harte Nuss.
SPOX: Wer wird nach dem Turnier als der neue Toni Kroos oder Mario Götze gefeiert, die ja beide bei einer U-17-WM erstmals von sich hören ließen?
Freund: Im Kader gibt es einige Spieler, die den Sprung zu den Profis schaffen könnten. Zum Beispiel unser Torwart Odisseas Vlachodimos, die Innenverteidiger Koray Günter und Nico Perrey sowie Rechtsverteidiger Mitchell Weiser. Auch Robin Yalcin oder Emre Can im defensiven Mittelfeld und natürlich unser Torjäger Samed Yesil haben unglaubliche Qualitäten. Aber auch alle anderen Jungs unseres 21-Mann-Kaders sind richtig gute Fußballer. Ich glaube, dass einer dieser 21 Jungs bereits nächstes Jahr in der Bundesliga spielen wird.
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