"Die Jungen denken, dass ich verrückt bin", scherzt Patrick Zoundi, wenn er über seine Leidenschaft spricht. "Sie verstehen mich nicht." In einer Zeit, in der der Trend immer mehr zur Dauerbeschallung durch braune Waren aller Art geht, blättert der MSV-Profi gerne in seinen Philosophiebüchern.
"Albert Camus ist mein Favorit", erklärt Zoundi im Gespräch mit SPOX: "Ich würde nicht sagen, dass ich Philosophie liebe. Aber ich liebe es, zu denken. Und Philosophen sind Denker. Sie denken über das, was sie sagen, nach."
Wie auch Zoundi: Er gibt fundierte, durchdachte Antworten. Dabei kommt er aus einer Welt, die mit Philosophie etwa so viel zu tun hat, wie der MSV Duisburg aktuell mit der Champions League.
Eines der ärmsten Länder der Welt
Zoundi stammt aus Burkina Faso, einem der ärmsten Länder des Planeten. Auf dem Human Development Index, einem Wohlstandsindikator für die Staaten dieser Erde, rangiert die westafrikanische Nation auf Rang 183 von 186. Etwa 75 Prozent der 16 Millionen Einwohner sind Analphabeten.
Fußball ist eine Sprache, die jeder versteht. Wie fast überall in Afrika ist der Sport, bei dem das Runde ins Eckige muss, die Lieblingsbeschäftigung der Burkiner. Gekickt wird in der Regel auf staubigen Straßen mit improvisierten Toren.
"Jeder versprüht Enthusiasmus"
Die europäischen Top-Ligen stehen bei der Bevölkerung hoch im Kurs, aber das Nationalteam ist der ganze Stolz. "Es bedeutet alles für die Menschen. Wenn die Nationalmannschaft spielt, wird überall gefeiert. Jeder versprüht Enthusiasmus und vergisst seine Probleme", sagt Zoundi.
Obwohl oder eher weil der mittlerweile 31-Jährige regelmäßig für die Hengste, so wird die Nationalmannschaft genannt, auflief, trat er im Vorjahr zurück. "Die jungen Spieler sind nun mal besser als ich. Der Coach sollte sie aufstellen und nicht mich: die Besten sollen spielen."
Comeback? Nein!
Ohne Zoundi qualifizierte sich Burkina Faso fast für die WM und scheiterte in den Playoffs denkbar knapp an Algerien. Zahlreiche junge Talente um die Säulen Bakary Kone und Jonathan Pitroipa lassen das Land von noch größeren Taten in der Zukunft träumen.
An ein Comeback denkt Zoundi dennoch nicht: "Ich bereue den Rücktritt nicht. Es war die richtige Entscheidung. Und wenn wir ins Finale des Afrika Cups einziehen würden, dann wäre ich glücklich für mein Land. Aber ich würde nicht zurückkehren."
Über Belgien und Griechenland zum MSV
Diese Konsequenz zeichnete Zoundi schon früh aus: Im zarten Alter von 18 Jahren wechselte er ins für ihn fremde Europa. Über Zwischenstopps bei belgischen und griechischen Erstligisten landete er bei Fortuna Düsseldorf, Union Berlin und schließlich dem MSV Duisburg.
Dort musste er sich zunächst mit der Joker-Rolle begnügen: "Bei meiner Ankunft war ich außer Form. Bei Union habe ich kaum gespielt, deswegen hatte ich keine Kondition." Nachdem ihn eine Fleischwunde weitere drei Wochen zurückwarf, spielte sich Zoundi im Dezember mit starken Leistungen in die erste Elf: "Mittlerweile vertraut mir der Coach."
Der Mann aus Ouagadougou hat sich in Duisburg eingelebt. Dank seiner fröhlichen, afrikanischen Art nahm er seine Teamkollegen schnell für sich ein. "Ich bin immer offen und gebe vor allem den Jüngeren viele Ratschläge", sagt Zoundi, "und ich reiße immer Witze. So bin ich nun mal."
Die Deutschen denken anders
Anders als in Griechenland, wo Zoundi von 2005 bis 2009 bei mehreren Erstliga-Vereinen aktiv war, vermisst er diese Mentalität bei den Deutschen manchmal. "Hier haben die Leute eine andere Denkweise. Du musst hart arbeiten, um deine Ziele zu erreichen. Am Wochenende sind die Menschen zufrieden. Aber wenn sie montags wieder zur Arbeit gehen, dann sind sie manchmal unglücklich."
Daher ist für den Philosophen aus Burkina Faso klar, dass er nicht immer in Deutschland bleiben wird. "Nach meiner Karriere will ich zurück in meine Heimat. Dort ist jeder happy."
Patrick Zoundi im Steckbrief