Ohne Jadon Sancho zur EM 2024: Warum England-Trainer Gareth Southgate damit einen schwerwiegenden Fehler begeht

Von Krishan Davis / Patrik Eisenacher
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Jadon Sancho überzeugt während seiner Leihe zum BVB. Bei der EM 2024 in Deutschland wird der Engländer aber nicht dabei sein - zu Unrecht. Ein Kommentar zur Entscheidung von Nationaltrainer Gareth Southgate.

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Jadon Sancho steht nicht im englischen Aufgebot für die EURO 2024 in Deutschland. Nationaltrainer Gareth Southgate hat sich dazu entschlossen, den Flügelspieler des BVB nicht zu berufen.

Der 23-Jährige blühte während seiner Leihe von Manchester United bei Borussia Dortmund wieder auf und verhalf dem BVB zum Einzug ins Finale der Champions League am 1. Juni in seiner Heimatstadt London gegen Real Madrid. So stark wie vor seinem Wechsel nach England war Sancho trotzdem nicht - mit drei Toren und drei Vorlagen in 20 Spielen.

Sanchos überragende Leistung im Champions-League-Halbfinale gegen Paris Saint-Germain wird Southgate sicher noch im Hinterkopf gehabt haben, als er sich seine Gedanken machte. Doch ihn nicht einmal als Joker in dem Land und den Stadien dabei zu haben, das und die er bestens kennt, ist ein Fehler des Nationaltrainers. Sancho hätte sich trotz großer Konkurrenz seinen Kaderplatz redlich verdient gehabt.

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© Getty Images

Jadon Sancho: In der Champions League fulminant

Als am 1. Mai im Halbfinal-Hinspiel der Champions League Favorit Paris Saint-Germain nach Dortmund kam, war Sancho nicht zu bremsen.

Der Flügelspieler quälte seinen Gegenspieler Nuno Mendes den ganzen Abend lang und führte die meisten Dribblings eines englischen Spielers in der Champions League seit Beginn der Aufzeichnungen von Opta aus (zwölf). Er war der erste Spieler seit Lionel Messi im Jahr 2008, der in einem Champions-League-Halbfinale mehr als elf erfolgreiche Dribblings ausführte, gewann die meisten Zweikämpfe (13) und kreierte die meisten Chancen (drei).

Der Außenseiter aus Dortmund gewann das Spiel mit 1:0 und schaffte eine Woche später den Einzug ins Champions-League-Finale - wo Sancho die Chance hat zu zeigen, wie falsch Southgate mit seiner Entscheidung liegt.

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Jadon Sancho hatte die Hoffnung auf den England-Kader nicht aufgegeben

Sancho war schon für Englands Testspiele gegen Brasilien (0:1) und Belgien (2:2) im März nicht einberufen worden. Es war die letzte Möglichkeit, Southgate auch im Training zu zeigen, dass er in den Kader gehört.

Auch einige andere Topspieler waren damals nicht im Kader gestanden. Sie alle wollten den Trainer vom Gegenteil überzeugen.

Die Hoffnung gab Sancho dabei nie auf. Nach dem Hinspiel gegen PSG sagte er: "Ich schaue von Spiel zu Spiel, und ich hoffe, dass ich weiterhin solche Leistungen wie heute zeigen kann."

Jadon Sancho, Manchester United
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Jadon Sancho: Bei Manchester United gescheitert

Allerdings könnte Sanchos gescheiterte Zeit bei United und sein bitterer Abgang die guten Leistungen, die er bei seiner Rückkehr nach Dortmund erbracht hat, zunichte machen. Denn Southgate ist bewusst, dass Sancho Probleme bereiten kann.

Seine acht Torbeteiligungen verblassten im Vergleich zu den 36, die er in seiner letzten kompletten Saison in Deutschland hatte. Ein guter Start in seine zweite Spielzeit bei United wurde dann durch körperliche und psychische Probleme gestört, sodass er für einige Monate aus dem Kader gestrichen wurde.

Im September 2023 zerstritt sich der Engländer dann mit United-Trainer Erik ten Hag. Sancho reagierte wütend, nachdem er aus dem Kader für das Spiel gegen Arsenal gestrichen worden war, und wurde daraufhin aus der ersten Mannschaft verbannt. Seitdem hat er keine einzige Minute mehr für die Red Devils gespielt und ist im Januar auf Leihbasis nach Dortmund zurückgekehrt.

Es heißt, Sancho sei während seiner Zeit bei United öfter zu spät zum Training erschienen. Nach seinem Wechsel im Januar sagte ten Hag: "Nachdem er unterschrieben hatte, also ein Jahr bevor ich hier war, gab es Probleme. Wir hatten die ganze Zeit über Probleme. Man kann sagen, dass sein Aufenthalt bei Manchester United bisher kein Erfolg war."

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Gareth Southgate ignoriert die Bundesliga

Three-Lions-Coach Southgate hat zudem ein Problem mit der Bundesliga, der er offensichtlich kein hohes Niveau zuschreibt - obwohl diese in der Saison 2023/24 international deutlich besser abschnitt als die Premier League. Nur bei Harry Kane scheint der Trainer da aktuell eine Ausnahme zu machen.

So wartete er einige Zeit, bevor er den heutigen Schlüsselspieler Jude Bellingham zum Stammspieler machte, als dieser noch in Dortmund kickte. Auch Sancho vertraute er eingangs nicht.

Über die deutsche Spitzenliga sagte der Engländer 2022: "Die Liga ist definitiv eine brillante Liga für junge Spieler und Trainer, um sich weiterzuentwickeln, aber natürlich ist das Niveau der Premier League zweifelsohne höher."

Ähnlich äußerte er sich in Bezug auf Sancho, der sich bei United 2021 zunächst schwer tat. "Bei Jadon bin ich nicht überrascht", sagte er. "Die Bundesliga ist ganz anders, Dortmund ist ein großer Verein, aber Manchester United ist einer der größten der Welt. Du wirst in unserer Liga nicht annähernd die Tor- und Assistzahlen erreichen, die du in der Bundesliga hast."

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© getty

Jadon Sancho: Großartige Konkurrenz im England-Kader

Das größte Hindernis für Sanchos Chancen ist natürlich die starke Konkurrenz auf den Außenbahnen - obwohl er den Vorteil hat, dass er auf beiden Flanken spielen kann.

Auf der rechten Seite wird Arsenals Bukayo Saka sicherlich in der Startelf stehen, während Chelseas Cole Palmer ein sicherer Kandidat ist und Jarrod Bowen eine weitere gute Saison bei West Ham gespielt hat.

Wenn man von Southgates üblicher Auswahl ausgeht, wird Phil Foden nach einer unglaublichen Saison für Manchester City die linke Seite besetzen.

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EM 2024: Jadon Sancho hätte sich einen Kaderplatz verdient gehabt

Die Frage, die sich Southgate stellen hätte müssen, lautet: Wie viele derjenigen, die in der Hackordnung vor Sancho stehen, wären in der Lage, das Gleiche im Hexenkessel eines K.o.-Spiels bei der EURO 2024 zu leisten?

Sancho wäre hier außerdem der perfekte Joker: Ein äußerst talentierter Angreifer, der die deutschen Stadien kennt und unschätzbare Erfahrungen in der Königsklasse gesammelt hat.

Zudem hat Sancho etwas gutzumachen: 2021 wurde er im EM-Finale gegen Italien eingewechselt und verschoss dann seinen Elfmeter, was dem Gegner zum Titel verhalf.

Trotz seiner dreijährigen Abwesenheit kann Sancho zudem mit zehn Torbeteiligungen in 1.077 Einsatzminuten für England eine starke Bilanz vorweisen. Southgate begeht einen großen Fehler damit, ihn nicht zur EM mitzunehmen.

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Jadon Sancho könnte bei kommenden Turnieren dabei sein

Doch selbst ohne die EM ist für Sancho noch nichts verloren. Es ist so gut wie sicher, dass er United in diesem Sommer verlassen wird, um woanders einen Neuanfang zu wagen. Und obwohl er erst 24 Jahre alt ist, scheint er den Drang nach oben wiedergefunden zu haben, der ihn in Dortmund einst zu einem herausragenden Talent gemacht hat.

In Englands Nationalmannschaft könnte zudem bald ein anderer Trainer als Southgate das Sagen haben - und Sancho anders bewerten. Bei der WM 2026 und der EM 2028 könnte Sancho dann wieder im Kader sein.

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