Vor 49.400 Zuschauer im ausverkaufen Stadion von Donezk stand es nach 120 weitestgehend ereignislosen Minuten 0:0, bevor die Nervenstärke der sonst enttäuschenden Spanier vom Elferpunkt den Ausschlag gab.
Nach jeweils einem gehaltenen Strafstoß von Xabi Alonso und Joao Moutinho brachten die vierten Schützen die entscheidende Wendung. Nachdem Portugals Bruno Alves nur die Latte traf, machte der eingewechselte Cesc Fabregas alles klar.
Im Finale am Sonntag trifft Spanien nun auf den Sieger der Begegnung Deutschland gegen Italien (20.15 Uhr im LIVE-TICKER).
Reaktionen:
Vicente Del Bosque (Trainer Spanien): "Es war ein absolut ausgeglichenes Spiel. Mag sein, dass wir vielleicht ein bisschen besser waren in der Verlängerung. Die Portugiesen sahen ein bisschen müde aus, aber vorher hatten sie ein paar Chancen. Es war nicht leicht, ihre Abwehr zu überwinden. Sie waren sehr gut organisiert. Die Spieler haben so viele Spiele gemacht und nun müssen sie noch einmal ihr Bestes geben. Es ist überragend, wieder im Finale zu stehen und wir sind sehr stolz darauf. Deutschland könnte etwas stärker sein als die Italiener, aber wir werden sehen."
Paulo Bento (Trainer Portugal): "Ich denke, in den ersten 90 Minuten waren wir das bessere Team, haben unsere Chancen aber nicht nutzen können. In der Verlängerung waren die Spanier dann etwas stärker. Wir hätten das Spiel in den 90 Minuten entscheiden können, gerade in der ersten Halbzeit und am Ende der zweiten Halbzeit hatten wir eine gute Phase. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann hätte ich mir etwas anderes gewünscht, als im Elfmeterschießen zu verlieren. Glückwunsch, Spanien ist ein großartiges Team."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Portugal bei der EM erstmals mit einer Änderung in der Startelf: Der Ex-Bremer Almeida bekommt gegenüber dem jungen Oliveira den Vorzug und ersetzt Postiga (Oberschenkelverletzung).
Auch Spanien mit einer neuen Keilspitze: Überraschend beginnt der bislang nur einmal eingewechselte Negredo, Torres und Fabregas auf der Bank.
9.: Iniesta zieht über halblinks in den Strafraum, sein Pass in den Rückraum soll zu Negredo, von diesem springt der Ball weiter zu Arbeloa. Der kommt von halbrechts angerauscht und nimmt den Ball direkt mit dem Innenrist aus 16 Metern - haarscharf drüber!
29.: Über Negredo und Xavi wandert der Ball von der rechten Grundlinie halblinks an die Strafraumgrenze, wo Iniesta zum Schlenzer ansetzt. Hauchzart über das rechte Kreuzeck!
31.: Starkes Pressing der Portugiesen: Moutinho bedient Ronaldo, der sich halbrechts vor dem Sechzehner dreht und sofort abzieht. Knapp rechts unten vorbei!
73.: Ronaldo haut einen Freistoß aus 25 Metern mit Urgewalt drauf - und irgendwie senkt sich dieses Geschoss trotzdem noch gefährlich runter. Knapp über das Tor!
90.: Freistoß Spanien - rausgeköpft. Riesen Konterchance für Portugal, Meireles schickt Ronaldo jedoch zu spät und nicht steil genug. Dessen Abschluss ist auch nicht besser - aus 17 Metern in die zweite Etage. Und das in der Nachspielzeit!
104.: Wie aus dem Nichts die Riesenchance für Spanien! Alba startet halblinks in den Strafraum, legt hinter den Fünfer auf Iniesta. Der steht frei vor dem Kasten - doch Patricio pariert seine Direktabnahme fantastisch!
105.: Ramos hält aus 30 Metern einen Freistoß direkt drauf - und wie! Der war besser als alle von CR7 zusammen. Der Ball fliegt nur um Zentimeter über den linken Giebel. Da wäre Patricio nie im Leben rangekommen...
111.: Arbeloa setzt sich gegen Coentrao durch und gibt ab zu Navas. Der legt sich die Kugel halbrechts zurecht und zieht aus spitzem Winkel ab. Patricio rettet!
Elfmeterschießen:
Patricio hält gegen Xabi Alonso
Casillas hält gegen Moutinho
0:1 Iniesta
1:1 Pepe
1:2 Pique
2:2 Nani
2:3 Ramos
Bruno Alves schießt an die Latte
2:4 Fabregas
Fazit: Erste Halbzeit interessant, zweite Halbzeit langweilig, Verlängerung mit Vorteilen für Spanien. Daher zieht die glücklichere, aber auch verdiente Mannschaft ins Finale ein.
Deutschland gegen Italien: Wer kommt ins Finale? Jetzt tippen und absahnen!
Der Star des Spiels: Fabio Coentrao. Der Einzige, der sich im Vergleich zum bisherigen Turnier dem Anlass entsprechend steigerte. Schaltete Silva aus, gewann in der Verlängerung wichtige Zweikämpfe, entblößte nie seine Seite und beteiligte sich oft am Angriffsspiel. In einer schwachen Partie der Beständigste über 120 Minuten. Einziger Kritikpunkt: Seine unnötige obszöne Geste gegenüber Spaniens Ersatzkeeper Reina.
Der Flop des Spiels: Alvaro Negredo. Statt den klassischen Mittelstürmer Torres oder die falsche Neun Fabregas stellte Del Bosque mit Negredo einen Angreifer auf, der ein Mischwesen der beiden ist: Technisch leicht besser als Torres, mit mehr Zug zum Tor als Fabregas. Doch das Resultat war ernüchternd: Negredo fremdelte und blieb die 54 Minuten bis zur erlösenden Auswechslung vom restlichen Spanien isoliert. Die ungewöhnliche taktische Vorgabe, in der Balleroberung phasenweise nach ganz links auszuweichen und Xavi die vorderste Position zu überlassen, schien ihn zusätzlich zu irritieren.
Der Schiedsrichter: Cüneyt Cakir. Eine makellose Leistung des Türken: Sah von Beginn an alle strittigen Entscheidungen richtig wie etwa in der 28. Minute, als er bei Ramos' artistischer Rettungsaktion keinen Elfmeter gab und diesem nach einem taktischen Foul an Ronaldo Gelb zeigte (40.).
Die Trainer:
Paulo Bento gab seinen Spielern eine Maßgabe mit: In der ersten Hälfte bei spanischem Ballbesitz mit allen Mitteln gegenpressen und mit schnellem Ballgewinn zu Chancen kommen. Das gelang erstaunlich gut - doch mit fortschreitender Dauer ermüdeten die Portugiesen derart, dass ihnen ab der 60. Minute kaum etwas Konstruktives mehr gelang. Bento ging volles Risiko und sein Team rettete sich in die Verlängerung.
Vicente del Bosque wartet generell nicht so lange mit Einwechslungen wie etwa Jogi Löw, doch so früh wie gegen Portugal nahm er noch nie eine Änderung vor. Ein Indiz für seine Unzufriedenheit. Mit der Hereinnahme von Fabregas und Navas sowie dem Wechsel zum 4-2-4 gab er das Signal, dass das Team nicht so statisch agieren soll. Die Botschaft kam erst mit Verspätung an, so dass sich die Chancen erst in der Verlängerung häuften.
Das fiel auf:
- Portugal im Vergleich zum Auftakt gegen Deutschland kaum wiederzuerkennen - abgesehen von der 4-3-3-Grundordnung. Statt die Gegenspieler kommen zu lassen, stand das Dreier-Mittelfeld extrem hoch und bedrängte Spanien schon bei der ersten Offensivaktion.
- Die Folge: Zur Halbzeit waren die Statistiken so ausgeglichen wie nie. Die sonst so dominanten Spanier nur mit 57 Prozent Ballbesitz, Portugal sogar mit einem Eckenübergewicht von 3:0.
- Wie effektiv das frühe Pressing der Portugiesen war, zeigte sich in der 31. Minute bei der Ronaldo-Chance, als den Spaniern am eigenen Sechzehner der Ball abgenommen wurde.
- Auffälligster taktischer Kniff der Spanier: Der sonst zurückhaltende Arbeloa beteiligte sich auffällig oft am Angriff, um Ronaldo zum Verteidigen zu zwingen. Weil dieser den Weg nach hinten nicht immer mitgehen wollte, ergaben sich eine Chance für Arbeloa (9.) und gefährliche Konter über Silva (38.).
- Nach der Pause verkehrte sich das Bild wieder zum Normalen: Portugal staffelte sich tiefer, um nach der intensiven Spielweise in der ersten Hälfte konditionell nicht einzubrechen, Spanien verschob das Geschehen in den klassischen Korridor zwischen der Mittellinie und dem gegnerischen 16er.
- So entspinnte sich eine langweilige zweite Halbzeit: Portugal investierte viel, ohne gefährlich zu werden. Spanien investierte wiederum zu wenig und rochierte kaum, um die Erschöpfung des Kontrahenten auszunutzen.
- Daran änderte sich auch lange nichts, als Del Bosque auf ein 4-2-4 mit Navas, Fabregas, Iniesta und Pedro (von rechts nach links) in der Spitze umstellte. In der Verlängerung erspielten sich die Spanier einige Chancen - doch für deren Verhältnisse blieb das Bemühen seltsam inspirationslos.
Portugal - Spanien: Daten zum Spiel